Scheitert die Grundrente auf der Zielgeraden?

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Scheitert die Grundrente doch noch? Teile der Union beklagen, dass es kein schlüssiges Finanzierungskonzept gebe - und fordern ein solches Konzept vom Koalitionspartner bis Ende Mai. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier stellt das Vorhaben angesichts der Milliardenkosten in der Corona-Krise gar ganz infrage. Doch die Union spricht nicht mit einheitlicher Stimme: CSU-Chef Markus Söder drängt auf eine pünktliche Einführung der Grundrente.

Mit der Grundrente will die Bundesregierung die Altersbezüge langjähriger Geringverdiener aufbessern. Das Vorhaben ist vor allem als Herzensangelegenheit der SPD, die bei der Ausarbeitung des aktuellen Gesetzentwurfs für dieses Rentenplus federführend war. Sowohl Bundessozial- als auch Bundesfinanzministerium werden von Sozialdemokraten geführt: die Minister in den Ressorts heißen Hubertus Heil und Olaf Scholz.

Auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf konnten sich die Spitzen von Union und SPD nach langem Streit einigen, am Freitag wurde er in erster Lesung im Bundestag behandelt. Doch in trockenen Tüchern ist die Grundrente noch lange nicht. Vermehrt werden in der Union Stimmen laut, die harte Bedingungen für deren Einführung formulieren. Der wichtigste Kritikpunkt an den Koalitionspartner: Es fehle ein schlüssiges Finanzierungskonzept.

Finanzierung der Grundrente weiterhin vakant

Einer der Kritiker ist Peter Weiß, Rentenexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zwar sieht auch er gute Chancen, dass die Grundrente wie geplant zum 1. Januar 2021 eingeführt wird. "Eine Bedingung ist, dass das Finanzierungskonzept steht“, sagte der 64jährige CDU-Politiker dem Nachrichtensender n-tv.

Weiß verwies in dem Fernseh-Interview darauf, dass ein schlüssiges Konzept noch fehle: entgegen den Ankündigungen der SPD-Ministerien, ein solches vorlegen zu wollen. Ohne werde es aber die Grundrente nicht geben. “Für die Union ist das eine Grundbedingung. Wenn wir die abschließende Beratung im Bundestag machen, muss gleichzeitig das Finanzkonzept stehen“, positioniert sich der Breisgauer.

Teilweise Finanzierung über Transaktionssteuer

Ein Streitpunkt ist dabei, dass Teile der benötigten Milliarden-Gelder aus einer europäischen Finanztransaktionssteuer kommen sollen. Seit Monaten debattieren die EU-Länder teils verbittert über ein solches Vorhaben. Laut ARD-Tagesschau haben sich Deutschland und Frankreich zwar auf ein Konzept verständigen können. Demnach soll eine Abgabe von 0,2 Prozent auf Aktien von Unternehmen verhängt werden, die ihren Hauptsitz im Inland haben und wenigstens eine Milliarde Euro wert sind. Betroffen wären davon in Deutschland fast 150 Firmen.

Doch von anderen Staaten gibt es Widerstand: unter anderem von Österreich. War die Finanztransaktionssteuer ursprünglich gedacht, um den Hochfrequenzhandel mit Aktien einzudämmen, wächst nun die Sorge, vor allem Kleinsparer könnten unter der Abgabe leiden. "Wir wollen die Spekulanten besteuern, nicht die Sparer, die in Zeiten der Niedrigzinspolitik in Aktien investieren", zitiert die "Tagesschau" Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Alpenrepublik.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz widerspricht diesen Bedenken, Kleinanleger könnten unter der Steuer bluten. "Die Steuer beträgt einmalig 0,2 Prozent - die Gebühren, die sie beim Aktienkauf an ihre Bank entrichten, sind viel höher", sagte er der ARD. Dennoch könnte der Disput zwischen den EU-Ländern dazu beitragen, dass nationale Alleingänge statt einer einheitlichen europäischen Lösung zu erwarten sind.

...bürokratische Hürden könnten Start erschweren

Mit seiner Kritik an dem fehlenden Finanzierungskonzept ist CDU-Politiker Peter Weiß nicht allein. Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hatte in der Wochenzeitung "Zeit" gefordert, dass eine seriöse Finanzierung stehen müsse, bevor die Union den Plänen zustimme. Damit wird die Zeit knapp, denn als Starttermin ist -wie bereits angesprochen- der 1. Januar 2021 geplant.

Auch vor der ersten Lesung im Bundestag am Freitag hatte es erneut scharfe Kritik an den Grundrente-Plänen gegeben: Bis hin zur Forderung, das Vorhaben gar nicht umzusetzen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) stellte die Grundrente wegen der Corona-Milliardenausgaben für Staatshilfen sogar ganz in Frage: „Ich würde alles auf den Prüfstand stellen, was nicht zwingend nötig ist. Dazu gehört auch die Grundrente“, sagte er der „Rheinischen Post“ vom Freitag.

Stop der Grundrente "verheerendes gesellschaftliches Signal"

Vor allem die SPD drängt darauf, dass die Grundrente pünktlich in Kraft treten kann. "Wir werden die Grundrente zum 1. Januar 2021 einführen", sagte Finanzminister Scholz Mitte April der Funke Mediengruppe - und betonte, dass man sich im Zeitplan befinde. Bundessozialminister Hubertus Heil hat das Vorhaben im Bundestag ebenfalls verteidigt: mit dem Hinweis, dass gerade viele "Corona-Helden" davon profitieren würden, Berufsgruppen also wie Verkäufer*innen oder Paketzusteller.

"Dieselben Interessenvertreter, die keine Grenze kennen, Milliarden vom Steuerzahler zu wollen, gönnen anderen die Grundrente nicht“, sagte der SPD-Politiker am Freitag bei der ersten Beratung des Gesetzes. Und weiter: „Die Frage ist, welches verheerende gesellschaftliche Signal in dieser Situation davon ausgeht, die Grundrente in Frage zu stellen.“

Anspruch auf das Rentenplus soll haben, wer mindestens 33 Jahre an Beitragszeiten für Beschäftigung, Erziehung oder Pflege vorweisen kann. Nach Schätzungen der Bundesregierung sollen im ersten Jahr 1,3 Millionen Menschen davon profitieren.

CSU-Chef Söder drängt auf pünktliche Einführung

Doch auch die Union spricht nicht mit einheitlicher Stimme. Bayerns CSU-Chef Markus Söder hatte Anfang der Woche auf einen pünktlichen Start der Grundrente gedrängt und deutlich gemacht, dass für ihn eine Verschiebung nicht infrage komme. Es sei jetzt „keine Zeit für ordnungspolitische Endlos-Debatten“, sagte Söder vor einer Videoschalte des CSU-Vorstands in München. Er warf dem Wirtschaftsflügel der CDU indirekt "taktische Verzögerungen" vor. "Die Regierung muss handeln und handeln können", so der CSU-Chef.

Der Wirtschaftsflügel der CDU verweist aber auf weitere Unsicherheiten. Eine Bedürftigkeitsprüfung soll möglichst automatisiert erfolgen, indem Rentenversicherung und Finanzämter Daten austauschen. So ist ein Schonbetrag laut Gesetzentwurf geplant: Bei alleinstehenden Rentnern sollen 15.000 Euro Hinzuverdienst im Jahr nicht angerechnet werden, bei Ehe-Partnern 23.400 Euro.

Hier hatte die Rentenversicherung selbst bereits zu bedenken gegeben, dass Personal und technische Infrastruktur fehlt, um pünktlich die Grundrente auszuzahlen (der Versicherungsbote berichtete). "Die Deutsche Rentenversicherung erklärt uns schon heute, dass sie frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2021 in der Lage sein wird, die ersten Grundrentenbescheide zu versenden", kritisiert CDU-Finanzexperte Weiß. "Wir wollen, dass im Gesetz selber den betroffenen Bürgern reiner Wein eingeschenkt wird, wann sie mit der Grundrente rechnen können."