Ist eine Pensionskasse als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit organisiert, so ist sie in der Regel nicht Mitglied im Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG), der Betriebsrentner vor möglichen Ausfällen bei einer Insolvenz schützt. Die Politik will das nun ändern und die Gesellschaften unter den Schutzschirm zwingen: auch, weil die EU Druck gemacht hat.
Das Pensionskassen schnell ein Problem bekommen können, mussten in der jüngsten Vergangenheit die Mitglieder gleich mehrerer Anbieter erfahren. Der Deutschen Steuerberater Versicherung ging ebenso das Geld aus wie der katholischen Caritas, auch deren Schwester Kölner Pensionskasse hat finanzielle Probleme. Wer bei diesen Anbietern versichert ist, bekam seine Betriebsrente teils empfindlich gekürzt, sogar Bestandsrentner mussten Einschnitte hinnehmen. Die Lage ist ernst: Die Finanzaufsicht warnte bereits vor Ausbruch der Coronakrise, dass weitere Anbieter voraussichtlich Einschnitte vornehmen müssen (der Versicherungsbote berichtete).
Regulierte Pensionskassen: Oft ohne Rettungsschirm
Bei den Anbietern handelt es sich um sogenannte regulierte Pensionskassen: Wobei der Begriff zunächst in die Irre führt. Zwar von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht, haben diese Anbieter überraschend viele Freiheiten:
Stark vereinfacht handelt es sich um Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die -anders als deregulierte Anbieter, die oft als Aktiengesellschaften ähnlich einem Lebensversicherer agieren - von Deckungsrückstellungen ebenso befreit sind wie von der Pflicht, Mitglied im im Pensions-Sicherungsverein (PSVaG) zu werden. Also jenem Rettungsschirm, der Betriebsrentner eigentlich vor Einschnitten bei ihren Altersbezügen schützen soll.
Nach § 118b bzw. § 233 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) zählen zu den regulierten Kassen betriebliche Altersvorsorge-Anbieter, die unter bestimmten Voraussetzungen die Beiträge anheben und Leistungen kürzen können, wobei der Arbeitgeber für den Differenzbetrag der Renten haftet. Oft bleiben diese Anbieter bestimmten Firmen oder Berufsständen vorbehalten.
Wer als regulierte Kasse agieren will, muss dies bei der BaFin beantragen und hierfür bestimmte Vorraussetzungen erfüllen. So darf sie etwa laut Satzung keine Kosten für die Vermittlung von Neuverträgen berechnen. Und, wie bereits angesprochen, ist ein Muss, dass der Arbeitgeber für die Betriebsrenten haftet: Auch das ist ein Grund, weshalb sie sich bisher nicht im Pensions-Sicherungsverein organisieren müssen. Etwa 120 Anbieter sind aktuell als regulierte Pensionskassen bei der BaFin gelistet.
Schutzschirm soll verpflichtend werden
Zumindest letztgenanntes Privileg will die Politik nun kippen: und auch regulierte Pensionskassen unter den Rettungsschirm des Pensions-Sicherungsvereins zwingen. Das berichten übereinstimmend die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und die Deutschen Pensions- und Investmentnachrichten (dpn-online.de). Ein entsprechender Antrag zur Änderung des Betriebsrentengesetzes habe am 7. Mai bereits den Bundestag passiert.
Demnach sollen Arbeitgeber ab 2022 zur Mitgliedschaft im Pensionssicherungs-Verein verpflichtet werden, wenn sie ihre Mitarbeiter über eine Pensionskasse absichern und nicht bereits über Protektor geschützt sind: also den Rettungsschirm für private Lebensversicherer. Die Firmen müssen dann auch Beiträge für den Schutz der gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften zahlen, der sich anhand einer pauschal berechneten Bemessungsgrundlage errechnen soll.
Notwendig wird dies auch, weil das Geschäftsmodell der regulierten Pensionskassen in Zeiten niedriger Zinsen unter Druck gerät. Ihre Leistungen bestehen fast ausschließlich aus lebenslang laufenden Renten – deshalb sind sie stärker von der anhaltenden Niedrigzinsphase betroffen als Lebensversicherer, die etwa auch biometrische Versicherungen anbieten und ihre Geldanlage schneller anpassen können. Zudem sind sie im Neugeschäft nicht daran gebunden, ihre Garantie-Tarife an den Höchstrechnungszins anzupassen: einmal von der BaFin bewilligt, können sie weiterhin hoch verzinste Verträge ihren Mitgliedern im Neugeschäft anbieten.
Arbeitgeberhaftung mangelhaft
Mit dem Gesetzesvorstoß, auch regulierte Pensionskassen unter dem Rettungsschirm zu stellen, reagiert die Bundesregierung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Dezember 2019 (Az.: C 168/18). Dieser Richterspruch stellt im Grunde fest, dass die Betriebsrenten bei den regulierten Kassen ungenügend geschützt sind: mitunter sogar gar nicht. Im schlimmsten Fall droht ein Totalverlust der Rente.
Arbeitgeber haftet: wenn er kann
Der Hintergrund: Die Lobby der betroffenen Pensionskassen hatte strengere Solvenz- und Aufsichts-Regeln bisher auch mit dem Argument verhindert, dass in ihrem Fall ja der Arbeitgeber für die Höhe der Betriebsrenten hafte, sollte ein Altersvorsorge-Anbieter in finanzielle Schieflage geraten. Dumm nur, dass auch der haftende Arbeitgeber insolvent werden kann. So klagte ein Arbeitnehmer vor dem Europäischen Gerichtshof, dessen Firma ebenfalls in den Konkurs gerutscht war — einen Ausgleich für die gekürzte Rente erhielt der Kläger folglich nicht.
Das Problem fehlender Haftung hat angesichts drohender Schieflagen von Pensionskassen auch die BaFin bereits angesprochen. "Sorgen bereiten uns vor allem die Pensionskassen, bei denen der Arbeitgeber als Träger nicht mehr existiert. Auch gibt es Pensionskassen mit einer Vielzahl von Trägerunternehmen, bei denen es schwierig sein kann, ein einheitliches Vorgehen abzustimmen", sagte Frank Grund, Chef der deutschen Versicherungsaufsicht, im Februar dem Versicherungsboten.
Kürzt eine regulierte Pensionskasse die Betriebsrenten, muss zwar die BaFin zuvor zustimmen. Auch muss ein entsprechender Sanierungsplan vom Vorstand und den Mitglieder-Versammlungen abgenickt werden. Aber ob die Mitglieder eine echte Wahl haben, diese Kürzungen abzulehnen, ist zumindest diskutabel: Droht die Insolvenz der Kasse, geht um nicht weniger als die nackte Existenz des Anbieters. Man setzt den Abstimmenden die Pistole auf die Brust.
Anfangs Zusatzbeitrag von neun Promille
Hier soll die verpflichtende Mitgliedschaft im Pensions-Sicherungsverein ab 2022 die Betriebsrentner besser schützen, wenn der jetzige Gesetzesvorstoß der Bundesregierung wie geplant umgesetzt wird. Ein Problem ist dabei, dass die Neumitglieder bisher ja keine Beiträge entrichtet haben, somit eine Unwucht zulasten der bisherigen Beitragszahler droht. Um dies auszugleichen, sollen die neuen Pensionskassen von 2021 bis 2025 einen Zusatzbeitrag von neun Promille leisten, um den schon aufgebauten Ausgleichsfonds des Sicherungsvereins gleichwertig mitaufzufüllen, berichtet dpn-online.com.
Greifen würde der Schutzmechanismus aber erst, wenn sowohl die Pensionskasse als auch der Arbeitgeber nicht für Leistungskürzungen einspringen können. Ganz geschützt sind die Betriebsrenten aber auch dann nicht, berichtet das Portal weiter: Die Leistungskürzungen dürfen sich nach EU-Vorgaben auf maximal 50 Prozent belaufen, wobei im Gegenzug schon kleine Eingriffe eine Schutzpflicht auslösen würden. Hierbei seien mehrere neue Handlungsoptionen für den PSV angedacht: vom kompletten Schutz der Renten über die Vergabe von Hilfsmitteln an die Pensionskassen bis hin zur Übernahme der Differenz von Kassenleistung und arbeitsrechtlich vorgeschriebener Höhe der Betriebsrente.