Mit privaten Krankenzusatzversicherungen lassen sich auch Heilpraktiker-Behandlungen absichern: obwohl deren medizinischer Nutzen heftigst umstritten ist. Warum sich solche Verträge aus Maklersicht lohnen können und was die Idee hinter solchen Policen ist, erklärt im Interview Dr. Matthias Effinger, Vorstandsmitglied der ARAG Krankenversicherungs-AG und dort unter anderem für Kunden- und Leistungsservice zuständig.
Versicherungsbote: Die Zahl der verkauften Zusatzversicherungen ist in den letzten Jahren stetig angestiegen und hat inzwischen die Marke von 20 Millionen Verträgen übersprungen. Warum sind Zusatz-Policen für Kunden und auch für Vermittler so interessant?
Der Großteil der bestehenden Zusatzversicherungen sind Zahnzusatz-Policen. Warum haben es andere Policen wie etwa die Heilpraktiker-Zusatzversicherung dagegen deutlich schwerer?
Das Thema Zahngesundheit betrifft einfach jeden. Zudem gibt es hier sehr oft Eigenanteile – insbesondere im Bereich Zahnersatz –, die schnell sehr hoch ausfallen können. Policen mit Heilpraktiker-Leistungen sprechen hingegen naturgemäß kleinere Zielgruppen an. Was jedoch nicht heißt, dass diese nicht ebenfalls wichtig sind.
Wie die Ärztezeitung unter Berufung auf eine Praxisbefragung berichtet, sind typische Patienten in Heilpraktiker-Praxen „weiblich, gut gebildet und praxistreu“. Können Sie diese Erfahrungen an Hand Ihres Kundenbestands in diesem Bereich bestätigen? Und sollten Vermittler diese „typischen Profile“ in der Akquise nutzen?
Ja, das deckt sich. Ganz unabhängig vom Geschlecht wissen wir aber auch, dass ein Patient, der einen Heilpraktiker aufsucht, meist nicht nur aufgrund eines akuten Vorfalls dorthin geht, sondern er als Mensch mit all seinen komplexen körperlichen und psychischen Zusammenhängen wahrgenommen werden möchte. Wichtig ist diesen Patienten zudem, dass sich der Therapeut für sie und ihre gesundheitlichen Themen ausreichend Zeit nimmt. Wir stellen auch fest, dass Eltern für ihre Kinder gerne Verfahren der alternativen Medizin in Anspruch nehmen, insbesondere Homöopathie und Osteopathie. Wenn der Vermittler einen solchen Bedarf erkennt, trifft er mit entsprechend passenden Zusatzversicherungen sicher auf offene Ohren.
Wie kann diese Absicherung mehr als nur ergänzendes Nischenprodukt werden?
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Neben den eher klassischen Zusatzversicherungstarifen bieten wir zudem auch für Verbraucher und Kunden, die spezielle Bedürfnisse absichern wollen, sinnvollen Versicherungsschutz an – wie etwa auch Behandlungen durch Heilpraktiker.
Immer mehr gesetzliche Krankenkassen übernehmen alternative Heilmethoden wie Homöopathie, sobald die Behandlung unter ärztlicher Kontrolle stattfindet. Mit welchen Punkten können Vermittler hier mit Zusatz-Policen punkten?
Auch wenn sich manche Kassen für solche Angebote durch Ärzte öffnen, gibt es immer noch eine Vielzahl an Kunden, die eben nicht zum Arzt, sondern beispielsweise zum Heilpraktiker gehen wollen. Darüber hinaus werden auch meist nicht alle Kosten übernommen, sondern nur ein Teil. Hier leistet die private Zusatzversicherung deutlich mehr.
Zusatzversicherungen sind ein guter Schlüssel zum Kunden
Versicherungsbote: Das Berufsbild des Heilpraktikers ist nicht unumstritten. So sehen sich viele alternative Behandlungsmethoden in Konkurrenz zu Behandlungsverfahren der wissenschaftsorientierten Medizin. Gerade Schulmediziner aber betrachten diese Haltung als Problem und kritisieren fehlende wissenschaftliche Standards für alternative Heilmethoden. In welcher Ecke stehen Sie?
Ganz klar: in der Ecke unserer Kunden. An ihnen und ihren Bedürfnissen richten wir unser Unternehmen und unsere Produkte aus. Und da es viele Kunden und Verbraucher gibt, denen eine Behandlung aus dem Bereich der Alternativmedizin wichtig ist, bieten wir für diese auch entsprechende Tarife an.
Können Sie beispielhaft drei oder vier populäre alternative Verfahren nennen?
Eine Domäne der Heilpraktiker ist die klassische Homöopathie mit hochpotenzierten Einzelsubstanzen. Die Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte Medizintheorie geht davon aus, dass eine Substanz, die in hoher Dosierung ein Krankheitssymptom auslösen würde, das dem zu behandelnden ähnlich ist, dieses in hoher Potenzierung zum Verschwinden bringt, indem sie die körpereigene Regulation stimuliert. Populär ist auch die Osteopathie, die im 19. Jahrhundert entstanden ist. Der Osteopath regt mit manuellen Techniken die Selbstheilung bei verschiedensten Krankheitsbildern an. Jahrtausende alt sind das indische Ayurveda und die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Beide Heilsysteme basieren auf Denkansätzen, die von den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften abweichen. Dennoch wird Akupunktur beispielsweise in der orthopädischen Praxis nicht selten eingesetzt, zum Beispiel bei Kniegelenksarthrose.
Was empfehlen Sie Maklern, die Heilpraktiker-Zusatzversicherungen vermitteln wollen?
Wie bereits erwähnt, ist das Thema Gesundheit eine wichtige Tür zum Kunden. Und Zusatzversicherungen sind hier ein guter Schlüssel. Bei der Bedarfsermittlung ist es sinnvoll, neben den üblichen Absicherungen über ambulante, stationäre oder Zahntarife auch eine Affinität zu alternativen Heilmethoden beim Kunden abzufragen. Vielleicht hatte er ja schon einmal positive Erfahrungen mit Akkupunktur, Osteopathie oder ähnlichem gemacht und würde bei künftigen Beschwerden auch gerne wieder solche Methoden in Anspruch nehmen. Allerdings zahlt die gesetzliche Kasse nichts oder nur einen kleinen Teil. Hier kann dann eine private Zusatzversicherung punkten. Aber Achtung, auch hier gilt: Für eine Kostenübernahme muss immer eine medizinische Notwendigkeit vorliegen. Wellnessbehandlungen werden auch von der privaten Krankenversicherung nicht übernommen.
Die Fragen stellte Sven Wenig