Wer die letzten beiden Berufsjahre arbeitslos gewesen ist, kann nicht von der sogenannten Rente mit 63 Gebrauch machen. Doch das Bayerische Landessozialgericht definiert nun eine wichtige Ausnahme: Schlitterte der Arbeitgeber in die Insolvenz, wird diese Zeit trotzdem angerechnet. Damit werden die Rechte der Rentenversicherten gestärkt.
Das Bayerische Landessozialgericht hat die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt, wenn ihre Firma kurz vor dem Erreichen des Rentenalters Insolvenz anmelden musste. Auch wenn der Betroffene die letzten Jahre in einer Transfergesellschaft angestellt war, hat er Anrecht auf die sogenannte Rente mit 63 und kann zeitiger ohne Abschläge in den Ruhestand gehen. Das hat das Bayerische Landessozialgericht entschieden, wie aktuell die Süddeutsche Zeitung berichtet. Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht: Aufgrund seiner Bedeutung wurde eine Revision vor dem Bundessozialgericht gestattet (Az. L 1 R 457/18).
Hürde: Keine Rente mit 63 bei später Arbeitslosigkeit
Ohne Abschläge in Rente kann normalerweise gehen, wer mindestens 45 Versicherungsjahre zur Rentenkasse vorweisen kann (Altersrente für besonders langjährig Versicherte). Aber der Gesetzgeber hat für Seniorinnen und Senioren eine zusätzliche Hürde geschaffen. Sozialleistungen der Agentur für Arbeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn sollten nicht berücksichtigt werden, um zu verhindern, dass sich Beschäftigte zeitiger arbeitslos melden - und dennoch Anrecht auf das volle Geld haben, quasi eine „Rente mit 61“. Anrecht haben die Rentnerinnen und Rentner allerdings, wenn der Arbeitgeber in dieser Zeit Insolvenz anmelden musste oder vollständig das Geschäft aufgeben.
Hierüber entstand nun Streit zwischen einem Druckmaschinen-Techniker und dem Rentenversicherungs-Träger. Der Mann war bis 2012 bei dem Unternehmen nahe Augsburg angestellt, doch die Firma war 2011 in die Insolvenz geschlittert. Neun Monate im Jahr 2012 war der angehende Rentner bei einer Transfergesellschaft nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beschäftigt. Diese unterstützt die Beschäftigten bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz und erlaubt Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Nachdem der Mann bei der Arbeitssuche keinen Erfolg hatte, rutschte er in die Arbeitslosigkeit. 2015 beantragte er schließlich seine Rente.
Arbeitnehmer in Transfergesellschaft
Doch als der Mann vorzeitig in Rente wollte, berechnete die Rentenkasse trotzdem Abschläge. Das Argument: Die Transfergesellschaft als letzter Arbeitgeber sei ja nicht insolvent geworden, folglich können die folgenden Jahre der Arbeitslosigkeit auch nicht angerechnet werden. Der Mann hätte starke Einbußen bei den Altersbezügen hinnehmen müssen. Jeder Monat vorzeitiger Rentenbeginn kostet 0,3 Prozent Monatsrente: bei zweijähriger Arbeitslosigkeit in Summe also 7,2 Prozent. Weil man auch von künftigen Renten-Steigerungen weniger profitiert, wird das Minus noch größer.
Daraufhin klagte der Mann gegen die Rentenversicherung. Nachdem er in erster Instanz eine Niederlage erleiden musste, gab ihm das Bayrische Landessozialgericht schließlich Recht. Der Versicherer wurde zur "zur Gewährung der beanstandeten Rente" verurteilt.
Ein Grund, dass der Mann letztendlich seine abschlagsfreie Rente erhielt, war der Vertrag, der zur Überführung des Arbeiters in die Transfergesellschaft führte. Dieser war nämlich vom Kläger selbst, seinem Arbeitgeber und dem Insolvenzverwalter der Pleite-Firma unterschrieben worden. Ein Beleg, dass die Firma tatsächlich in einer Notlage war und der Mann die "Rente mit 63"-Regelung nicht missbrauchen wollte. So hatte auch das Bundessozialgericht in einem anderen Fall entschieden, dass der Bezug von Arbeitslosengeld als insolvenzbedingt gelte, wenn ein Arbeitsverhältnis vom Insolvenzverwalter beendet werde.
Auch würden arbeitspolitische Argumente dafür sprechen, dem Mann die abschlagsfreie Rente nicht zu verweigern, argumentierten die Richter weiter. So diene eine Transfergesellschaft ja gerade dazu, für Beschäftigte einen neuen Arbeitsplatz zu finden und Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
Rente mit 63
Die umgangssprachlich genannte "Rente mit 63" hat ihren Namen eigentlich zu Unrecht, denn -ähnlich wie Regelaltersrente- wird das Renteneintrittsalter schrittweise angehoben. Als vereinfachte Faustregel gilt, dass man zwei Jahre zeitiger abschlagsfrei in Rente gehen kann als ein Regel-Rentner. Für alle ab dem Jahrgang 1965 beginnt die abschlagsfreie Frührente mit 65 Jahren. Hierfür sind mindestens 45 Beitragsjahre zur Rentenversicherung erforderlich.
Eingerechnet werden bei den 45 Jahren Beitragspflicht auch
- Pflichtbeiträge und Berücksichtigungszeiten für die Erziehung eines Kindes bis zum 10. Lebensjahr,
- Zeiten des Pflege-, Wehr- und Zivildienstes sowie
- Pflichtbeiträge oder Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Sozialleistungen, zum Beispiel Krankengeld.
Freiwillige gezahlte Beiträge werden ebenfalls mitgezählt: aber nur, wenn mindestens 18 Jahre Pflichtbeiträge vorhanden sind. Nicht angerechnet werden hingegen Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosengeld 2 und Arbeitslosenhilfe, sofern keine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe vorliegt.