Der Bundestag hat das „Patientendaten-Schutz-Gesetz“ beschlossen. Es soll ermöglichen, digitale Angebote wie die elektronische Patientenakte (ePA) oder E-Rezepte zu nutzen. Ab 1. Januar 2021 sollen die digitalen Helfer für Ärzte und Patienten nutzbar sein - Datenschützer haben Bedenken.
Der Bundestag hat am Freitag das „Patientendaten-Schutz-Gesetz“ verabschiedet. Es soll die gesetzliche Grundlage schaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger ab dem 1. Januar 2021 die sogenannte Elektronische Patientenakte (ePA) nutzen können. Das berichtet das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Webseite.
Die digitale Patientenakte soll es Patientinnen und Patienten erlauben, wichtige sensible Gesundheitsdaten mittels einer App zu speichern. Informationen zu Vorerkrankungen, ärztlichen Diagnosen, Therapien und Medikationspläne sollen mittels der App jederzeit schnell und einfach abgerufen werden können - aber auch der Impfausweis, das Bonusheft für den Zahnarzt, Blutwerte oder der Mutterpass bei Schwangerschaften. So soll der Daten-Austausch zwischen Ärzten, Apotheken, Krankenhäusern und Patienten verbessert werden.
Patientendaten oft noch auf Papier in Aktenbergen
Mit der digitalen Patientenakte könnte nun nachgeholt werden, was Politik und Krankenversicherer seit Jahren versäumt haben. Denn in Sachen Digitalisierung des Gesundheitssystems hinkt Deutschland hinterher. Wichtige Daten wie Röntgenbilder, Blutgruppe, Laborwerte oder Unverträglichkeiten von Medikamenten lagern oft noch in Aktenordnern der Hausarzt-Praxen und Kliniken. Will ein Facharzt über die genauen Befunde eines Patienten informiert sein, bleibt oft nur der Griff zum Telefon, um sich die Befunde von anderer Stelle zu besorgen.
Das kostet Zeit und Geld - und kann im schlimmsten Fall sogar die Gesundheit und das Leben der Patienten gefährden. Beispiel Übermedikamentierung: Nach Schätzungen der Arzneimittelexpertin Petra Thürmann sterben jährlich zwischen 10.000 und 50.000 Patient*innen in deutschen Kliniken, weil sie zu viel oder die falschen Medikamente erhalten, die behandelnden Ärzte über Wechselwirkungen nicht im Bilde sind. Sind die Informationen nun über eine App schnell einsehbar, lassen sich viele solcher Risiken minimieren.
Angesichts der Coronakrise kommentiert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: “Die Pandemie zeigt, wie wichtig digitale Angebote für die Versorgung von Patienten sind. Darum sorgen wir mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz dafür, dass Digitalisierung im Alltag ankommt. Versicherte können ihre Daten in der elektronischen Patientenakte speichern lassen. Sie bekommen die Möglichkeit, das E-Rezept mit einer neuen App zu nutzen. Und Facharztüberweisungen gibt es künftig auch digital. Dabei können sich Patienten jederzeit darauf verlassen, dass ihre Daten sicher sind“, so der CDU-Politiker.
Datenschutz und technische Hürden
Ob die Daten tatsächlich sicher sind, daran gibt es aber Zweifel. Zum Beispiel von der FDP-Fraktion im Bundestag, die kritisiert, dass alle Ärzte gleichermaßen Zugriff auf die Daten haben sollen. Die gesundheitspolitische Sprecherin Christine Aschenberg-Dugnus sagt dem Mitteldeutschen Rundfunk: “Nach dem Prinzip alles oder nichts, kann der Patient nicht entscheiden, wer welche Daten einsehen kann. Und im ersten Jahr ist es so, dass dann der Zahnarzt sehen kann, wenn Sie drei Monate vorher als Frau einen Schwangerschaftsabbruch hatten.“
Kritik kommt auch vom Chaos Computer Club, der bereits Ende 2019 bei einem Testlauf schwere Sicherheitslücken im System der elektronischen Patientenakte aufgedeckt hat. Die gesamte IT-Infrastruktur zwischen Arztpraxen, Telekommunikationsanbietern und Krankenkassen sei anfällig für Hacker-Angriffe, hatten die Aktivisten bemängelt. Besonders anfällig für Sicherheitslücken: das Android-System.
Versicherte sollen entscheiden, wer welche Daten einsehen kann
Zumindest auf die FDP-Kritik will die Bundesregierung selbst eine Antwort geben. Ab 2022 bekommen Versicherte die Möglichkeit, über ihr Smartphone oder Tablet für jedes in der ePA gespeicherte Dokument einzeln zu bestimmen, wer darauf zugreifen kann. Patienten können also zum Beispiel festlegen, dass eine Ärztin oder ein Arzt zwar auf die ePA zugreifen darf, dass aber bestimmte Befunde nicht angezeigt werden. Das hat aber auch Konsequenzen für den Start: Viele Funktionen wie Impfausweis, Bonusheft oder Mutterpass sind auch erst ab 2022 nutzbar.
Fakt ist auch: Die Nutzung der ePA ist freiwillig. "Der Versicherte entscheidet, welche Daten in der ePA gespeichert oder wieder gelöscht werden. Er entscheidet auch in jedem Einzelfall, wer auf die ePA zugreifen darf", schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Webseite.
Abzuwarten bleibt, ob es technische Probleme beim Start geben wird. Systeme und Schnittstellen müssen in allen Arztpraxen, Kliniken und Apotheken kompatibel sein, um Daten reibungslos weiterzugeben: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Fall. Ärzte- und Klinikverbände hatten selbst zu bedenken gegeben, dass die Umsetzung Zeit und Mehrarbeit erfordere.
10 Euro für Befüllen der Akte
Diese Mehrarbeit hat auch Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten: Sie haben ab 2021 zwar Anspruch darauf, dass Ärztinnen und Ärzte die ePA, die Krankenkassen ihnen dann anbieten müssen, mit Daten befüllen. "Ärzte und Krankenhäuser, die erstmals Einträge in eine ePA vornehmen, bekommen hierfür 10 Euro", berichtet das Gesundheitsministerium. Für die weitere Verwaltung der Daten sollen Ärzte, Apotheker und Kliniken eine weitere Vergütung erhalten: Das bedeutet auch Mehrkosten für die Krankenkassen.