Die Corona-Pandemie könnte den Versicherern laut einer Studie deutliche Markteinbußen bescheren. In allen Sparten sei mit Prämien-Einbrüchen zu rechen: und die Zahl der Vermittlerinnen bzw. Vermittler könnte deutlich schrumpfen. Jeder fünfte Job könnte bei den Versicherungsmaklern wegfallen, bei der Ausschließlichkeit sieht es noch düsterer aus.
Die Kontaktbeschränkungen zur Corona-Prophylaxe wurden in den letzten Wochen deutlich gelockert: Die Deutschen dürfen wieder reisen, Open-Air-Veranstaltungen mit Auflagen besuchen, in Restaurants sitzen. Und fast ist wieder ein Stück Normalität in den Alltag eingekehrt, auch wenn noch immer in vielen Branchen existentielle Sorgen herrschen: etwa bei Veranstaltern, Gastronomen und vielen freischaffenden Künstlern und Dozenten. Dennoch ist vielerorts Aufbruchstimmung spürbar, so als sei das Schlimmste bereits überstanden.
Zwei Corona-Szenarien: Markteinbußen in allen Sparten
In diese Stimmung hinein platzt nun eine Studie der Managementberater von EY Innovalue, die speziell für die Versicherungsbranche ein eher pessimistisches Bild zeichnet. Zwei Szenarien haben die Hamburger durchgerechnet, um mögliche Auswirkungen der Krise auf die Versicherungsbranche zu testen. Und der Ausblick ist eher düster. In allen Sparten seien Einbußen zu erwarten - und auch die Zahl der Vermittlerinnen und Vermittler könnte binnen der nächsten fünf Jahre deutlich einbrechen.
Für die Studie ist EY Innovalue zunächst von einem Basis-Szenario ausgegangen, wie sich das Versicherungs-Geschäft ohne Covid-19-Pandemie entwickelt hätte. Mit den bekannten Ausgangssituationen: der digitale Wandel setzt die Branche unter Druck, Geschäftsmodelle und Prozesse müssen flexibel sein und teils in Rekordzeit angepasst werden. Davon ausgehend wurden zwei Corona-Szenarien entworfen: ein starker Einbruch mit einer frühen Erholung sowie ein verlängerter Abschwung, weitere selektive Shutdowns zur Corona-Eindämpfung ergriffen werden müssen.
Komposit- und Gewerbegegeschäft schrumpft
Die Aussichten sind in beiden Szenarien wenig erfreulich. Eine Erholung von der Krise sei erst in den Jahren 2022/23 zu erwarten, prognostizieren die Hansestädter. Zuvor ist mit großen Markteinbußen zu rechnen:
- Im Komposit-Privatkundengeschäft erwarten die Analysten einen Bestandsrückgang von zwei bis 3 Prozent, insbesondere in den Sparten KFZ und Unfall, sieht aber den generellen Wachstumstrend nicht gebrochen, sondern zeitlich verschoben. Gründe sind verstärkte Preisvergleiche, gesunkene KFZ-Zulassungszahlen sowie ein Nachfragerückgang bzw. Storni in Sparten, die Verbraucherinnen und Verbraucher für eher verzichtbar halten.
- Weit düsterer sieht es im Firmenkunden-Geschäft aus. Hier ist laut Studie mit einem Einbruch des Bestandes um vier bis sechs Prozent zu rechnen. Erst 2025 könne das alte Niveau wieder erreicht oder gar überschritten werden: sofern es nicht zu weiteren Shutdowns komme, die das Gewerbegeschäft weiter schwächen. Die Gründe sieht EY neben drohenden Insolvenzen auch darin, dass weniger Firmen neu gegründet werden und ganze Branchen wie Luftfahrt, Automotive und Tourismus nachhaltiger geschädigt sind: mit Auswirkungen auf Prämien und Versicherungs-Schutz.
Lebensversicherung und PKV in der Krise
Einen weit größeren Einbruch als in Komposit und Gewerbe erwarten die Analysten von EY Innovalue in der Lebensversicherung. Um 23 bis 27 Prozent soll das Neugeschäft 2020 in der Sparte zurückgehen, in der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) könnte es gar komplett zum Erliegen kommen. Beitragsfreistellungen und Storni belasten das Geschäft ebenfalls. Ausgeglichen werten könnten die Negativtrends in Teilen durch Biometrie-Produkte, da das Risikobewusstsein bei Risiken wie etwa Berufsunfähigkeit steige.
Das Neugeschäft in der privaten Krankenversicherung könnte 2020 laut Studie um 22 bis 29 Prozent einbrechen. Dies betrifft vor allem die Vollversicherung. Das Vor-Krisen-Niveau dürfte auch bis 2025 nicht erreicht werden. Gründe sind eine geringere Wechselbereitschaft in die PKV sowie mehr Insolvenzen und weniger Menschen, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Auch reduzierte Beratungsmöglichkeiten und ein beschleunigtes Ausscheiden abschlussorientierter Vermittler beeinflussen die Neugeschäftsentwicklung.
Einbruch der Vermittlerzahlen erwartet
Diese pessimistische Markt-Prognose wirkt sich nach Einschätzung des Hansestädter Analysehauses auch auf die Zahl der Vermittlerinnen und Vermittler negativ aus. So erwartet EY Innovalue einen Rückgang der registrierten Versicherungsmakler bis 2025 um 18 bis 23 Prozent.
„Der langfristige Trend des direkten Abschlusses wenig beratungsintensiver Produkte sowie der Bedeutungsgewinn von Maklern bleibt weiterhin intakt. Neben dem Einfluss von Covid führen zunehmende regulatorische Anforderungen und vor allem die Überalterung zu rückläufigen Zahlen der aktiven Makler“, sagt Julia Palte, Studienautorin und Partner von EY Innovalue. Vor allem Einzelkämpfer geraten demnach laut Prognose weiter unter Druck, bei den Polen setze sich die Konsolidierungswelle fort.
Noch krasser ist die Prognose mit Blick auf die gebundenen Vermittler. Hier erwarten die Expertinnen und Experten Rückgänge von 30 bis 34 Prozent. „Ausschließlichkeitsagenten sind zwar kurzfristig durch die Unterstützung der Versicherer gut gewappnet, gleichwohl bleibt der Trend zum Ausscheiden älterer Vermittler oder von Vermittlern mit hohem Leben-/Kranken-Fokus bestehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Vermittler die digitalen Möglichkeiten der Kundeninteraktion nicht nutzen“, sagt Tobias Schulz, Director bei EY Innovalue.
„Die Versicherer sollten sich Transparenz über die Marktentwicklung verschaffen und Szenarien erstellen, die auf dem eigenen Portfolio basieren“, resümiert Palte. „Ziel ist es, die Auswirkungen auf die Vermittler zu verstehen und Maßnahmen zur Neugeschäfts- und Bestandssicherung abzuleiten. Außerdem muss überprüft werden, welche Risiken die Unternehmen bereit sind, in ihr Portfolio zu nehmen.“
Zudem müssen die Versicherer nach Ansicht der Expertin ihre mittel- bis langfristigen Strategien überarbeiten. „Das betrifft die Portfolio-Zusammensetzung ebenso wie die Digitalisierungsstrategie. Auch die Risikoprofile der Kunden-Zielgruppen müssen neu bewertet werden und gegebenenfalls neue Produkte und Services entwickelt werden“, empfiehlt Palte.