Vier von fünf Arbeitnehmern wären bereit, Geld in eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) zu stecken. Doch vielen Mitarbeitern ist das Thema bAV zu „komplex“
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der verkauften bAV-Policen stetig gestiegen. Zählte die Branche im Jahr 2005 noch 10,87 Millionen Verträge, sind es zum Jahresende 2019 bereits 16,3 Millionen Verträge. Allein im vergangenen Jahr sind 150.000 Policen hinzugekommen. Das geht aus der Broschüre „Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2020“ des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor.
Es ist eine vernünftige Entwicklung. Als ausreichend dürfen die Zahlen aber nicht betrachtet werden. Denn die gesetzliche Rentenversicherung ächzt unter dem demografischen Wandel – Schlagworte wie „Altersarmut“ und „Rentenlücke“ bestimmen die Debatten. Inzwischen geht mehr als die Hälfte der Bundesbürger im erwerbsfähigen Alter davon aus, dass sie in Bezug auf die gesetzliche Altersrente Abstriche machen muss. Jeder vierte Verbraucher befürchtet sogar den kompletten Zusammenbruch des Rentensystems.
Deshalb sollten andere Säulen größere Lasten der Alterssicherung übernehmen. Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz sollte der betrieblichen Altersvorsorge weitere Schlagkraft besorgt werden. Schließlich wurde mit dem Gesetz zum 1. Januar 2018 auch ein neuer Durchführungsweg der Betriebsrente eingeführt. Das sogenannte Sozialpartnermodell sollte Arbeitgeber bei der Betriebsrente enthaften und damit vermehrt Arbeitnehmern von kleinen und mittleren Unternehmen in die zusätzliche Form der Alterssicherung bringen. Dafür sollten auch Geringverdiener mit Brutto-Jahreseinkommen von bis zu 26.400 Euro bzw. monatlich 2.200 Euro unterstützt werden. Ihre Arbeitgeber sollen einen direkten Steuerzuschuss von 30 Prozent bzw. maximal 144 Euro bekommen, wenn sie für ihre Angestellten einen Eigenbetrag von 240 bis 480 Euro Euro pro Jahr in einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder Direktversicherung einzahlen.
Allein die finanziellen Gründe würden Mitarbeiter nicht davon abschrecken, sich an ihrer betrieblichen Altersversorgung zu beteiligen. Laut einer Studie des Versicherungsmaklers Aon würde eine große Mehrheit (69 Prozent) der Arbeitnehmer von Großunternehmen bAV-Angebote nutzen, wenn der Arbeitgeber sich beteiligt bzw. ein gutes Angebot macht. Vier von fünf Angestellten (83,7 Prozent) würden heute auf Konsum verzichten, um fürs Alter vorzusorgen. Tatsächlich waren es 2018 aber nur etwas mehr als 56,4 Prozent der Arbeitnehmer, die bereits eigene Beiträge in die bAV investierten.
Weit über die Hälfte der Arbeitnehmer (61 Prozent) empfindet das Thema bAV als „komplex“ bzw. „sehr komplex“. Drei von zehn Mitarbeitern (30,6 Prozent) sehen das Thema als „eher einfach“ bzw. als „einfach“ an. „Für Arbeitnehmer ist das Thema bAV nach wie zu kompliziert. Viele fühlen sich überfordert, zwischen den verschiedenen Optionen richtig zu entscheiden, vor allem, wenn man die positiven Auswirkungen erst in ferner Zukunft spürt. Da sticht selbst das attraktivste Angebot nicht.“, sagt Carsten Hölscher, Partner bei Aon Retirement Solutions. Der Ruf nach einfacheren Lösungen für die Betriebsrente ist nicht neu, könnte aber die Beteiligungsquoten deutlich erhöhen. Auch über ein Betriebsrente mit Opt-out-Option war schon öfters debattiert worden. Dabei wandelt der Arbeitgeber automatisch einen Teil des Bruttogehalts des Arbeitnehmers in eine Betriebsrente um. Angestellte hätten dann ein Ausstiegsrecht und müssten sich aktiv gegen die Betriebsrente entscheiden. Knapp zwei Drittel der Berufstätigen (64 Prozent) finden den Vorschlag einer automatischen Mitgliedschaft in der Betriebsrente mit Opt-out-Option gut.