Die Kapitalanlagen der Versicherer schmelzen. Bei etwa der Hälfte der Unternehmen entwickelt sich die Rendite negativ, zeigt eine aktuelle Befragung von Vorständen. Längst nicht das einzige Problem. Auch im Neugeschäft sehen 87 Prozent der Befragten Probleme. Doch das betrifft nicht alle Sparten.
Je länger die Corona-Krise anhält, umso deutlicher treten Probleme und Belastungen hervor. Fragt man die Mitarbeiter von Versicherungen, gibt die überwältigende Mehrheit (77 Prozent) an, dass ihr Arbeitgeber gerade maximal 75 Prozent der normalen Produktivität erreicht. Als Ursachen werden zu viele papiergebundene Prozesse und fehlende technische Möglichkeiten genannt.
Das sehen die Vorstände der Versicherer ganz ähnlich. Einer neuen Befragung von EY und V.E.R.S. Leipzig zufolge hat die Sorge der Führungsebene in den Bereichen Informationstechnik (83 Prozent) und Betriebsorganisation (77 Prozent) im Vergleich zur Befragung im März/April zugenommen. Die größten Sorgen der Vorstände gelten aber weiterhin dem Neugeschäft (87 Prozent) und dem Kapitalanlagemanagement (83 Prozent). 54 Prozent der befragten Vorstände geben an, dass sich die Rendite der Kapitalanlagen derzeit negativ entwickelt. Setzt sich dieser Trend fort, wird er den Konsolidierungsprozess in der Branche weiter verstärken. Dass Krisen auch Chancen bergen, stimmt weiterhin. Nur steigen eben die Chancen strategischer Investoren auf attraktive Akquisemöglichkeiten. „Langfristig wird es zu einer Zunahme der Transaktionen und Zusammenschlüsse im Versicherungsmarkt kommen“, erwartet Thomas Korte, Lead Partner und Leiter des Versicherungsbereiches bei EY in Deutschland. Seine Prognose: In Zukunft werden sich jene Versicherer durchsetzen, denen es gelingt, die besten digitalen Lösungen entlang der Wertschöpfungskette anzubieten. Und dieser Wettbewerb hat seine eigenen Regeln, wie eine andere Marktuntersuchung jüngst zeigte. Etablierte Anbieter können dabei schnell ins Hintertreffen geraten, während neue Anbieter punkten.
Herausforderung Schadenquote
Die Befragten erwarten auch steigende Schadenquoten. Insbesondere natürlich bei Betriebsschließungs-, Veranstaltungsausfall- und Reiserücktrittsversicherungen. Wie hoch genau die Schadenquoten ausfallen, hängt u.a. von anstehenden Gerichtsverhandlungen und den konkret verwendeten Vertragsklauseln ab.
Interessanterweise erwarten die Vorstände auch in diesen Sparten steigendes Neugeschäft:
- Betriebsschließungsversicherungen (63 Prozent)
- Veranstaltungsausfallversicherungen (61 Prozent)
- Krankenzusatzversicherungen (59 Prozent)
Auch in den Sparten Reiserücktritt, Rechtsschutz, Risikoleben und Berufsunfähigkeit rechnen die Versicherer mit einem wachsenden Neugeschäft im kommenden Jahr.
Dass ausgerechnet in der Sparte BSV mit Zuwächsen gerechnet wird, ist für Aussenstehende angesichts der „bayerischen Lösung“ oder den Gerichtsverhandlungen nur schwer nachzuvollziehen. Hoffen die Versicherer, dass die aktuellen Debatten das Problembewusstsein für die Betriebsschließungsversicherung generell stärkt? Oder meinen die Vorstände vielleicht, dass nun genauer auf kundenorientierte Formulierungen der AVB geachtet wird? Zu wünschen wäre es jedenfalls. Allerdings steht wohl eher zu befürchten, dass ein gehöriger Imageschaden an der ganzen Branche haften bleibt. Ganz gleich, welche Formulierung in den Bedingungen verwendet wurde. Ob sich das wirklich positiv auf das Neugeschäft auswirkt, darf heftig bezweifelt werden.