Beim Berliner Kurier dürfen Gerhard Schick (Grüne) und Niels Nauhauser (VZ Baden-Württemberg) so tun, als hätte es die Regulierungen der letzten Jahre nicht gegeben. Das ist aber nicht nur unehrlich, sondern auch gefährlich, findet Versicherungsbote-Redakteur Michael Fiedler.
Bedarfsgerechte Beratung gibt es nach Ansicht von Verbraucherschützer Niels Nauhauser in Deutschland nicht. Das ist schon ein heftiger Schlag ins Gesicht von jedem Versicherungsvermittler. Denn auch Mehrfachagenten und Ausschließlichkeitsvertreter führen Bedarfsanalysen durch und müssen entsprechende Produkte anbieten. Die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) unterscheidet in diesem Punkt nicht zwischen den Vermittler-Typen.
Das will Nauhauser nicht gelten lassen: „Solche Maßnahmen setzen nicht am Problem an, es ist nur ein Herumdoktern an den Symptomen“, zitiert ihn der Berliner Kurier. Was also sollen die Verbraucher tun? „Es bleibt Verbrauchern nichts anderes übrig, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen“, so das Fazit des Verbraucherschützers. Laut Nauhauser sollten die Verbraucher:
- Angebote bei mehreren Anbietern einholen
- gut auf die Gespräche vorbereiten
- Finanzbedarf ermitteln
- Anlageziele festlegen
- Anlagedauer bestimmen
- eigene Risikobereitschaft abschätzen
- Nachfragen, wenn etwas unklar ist
Keine schlechten Tipps. Verbraucher sollen also quasi dasselbe tun wie Versicherungsmakler; nur eben ohne Fachwissen, Weiterbildung oder Marktkenntnis. Das kann eigentlich fast nur schiefgehen. Und wie soll die Einschätzung der eigenen Risikobereitschaft gelingen, wenn den meisten Deutschen doch schon einfachste Begriffe aus der Finanzwelt unbekannt sind? Und wen soll man schließlich fragen, wenn man doch alles in die eigenen Hände nehmen soll?
Vielleicht hilft ja Gerhard Schick, ehemals finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, mit einer schlauen Idee aus? Sein Rat an Verbraucher: Auf vermeintlich kostenlose Beratung sollte verzichtet werden. „Kostenlos ist sie nämlich nur, wenn wir tatsächlich nichts kaufen“, schreibt er. „Eine echte Beratung erhält nur, wer sie aus eigener Tasche bezahlt.“
Besser kann man eigentlich nicht beweisen, dass man das Provisionssystem nicht verstanden hat. Aber ist es wirklich nur Unwissenheit, die Gerhard Schick zu solchen Aussagen veranlasst? Schließlich lässt sich der Satz von Schick auch als Fürsprache für andere Beratungsmodelle lesen. Für Honorarberatung beispielsweise - seit Jahren eine Herzensangelegenheit für Grüne und Verbraucherschützer.
Wie „prächtig“ Honorarberatung funktioniert, lässt sich ja am britischen Markt ablesen - aus Sicht von Grünen und Verbraucherschützern offensichtlich ein Erfolgsmodell, das Vorbildcharakter hat. Oder wollen Schick und Nauhauser das Modell der Kostenausgleichsvereinbarung als besonders „verbraucherfreundlich“ hervorheben? Schließlich wird hier ja gesondert für die Beratungsleistung gelöhnt. Das sollte ja laut Schick als Qualitätsmerkmal gelten.
Schade: Weder Schick noch Nauhauser legen offen, dass die Verbraucherzentralen selbst im Beratungsgeschäft ordentlich mitverdienen. Wer zum Beispiel eine E-Mail-Beratung (!) der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zu den Bereichen „Altersvorsorge, Banken und Kredite" und „Versicherungen“ in Anspruch nimmt, muss 32,17 Euro zahlen. Aber nur, solange die Bearbeitungszeit nicht 20 Minuten überschreitet. Dauert es länger, werden je angefangener 10 Minuten 10,72 Euro fällig. Stolze Preise für Beratungsleistungen, für die im Fall der Fälle keine Haftung übernommen wird.