Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, warnt vor einer Verdoppelung des Zusatzbeitrages für gesetzlich Krankenversicherte. Wie auch AOK-Chef Martin Litsch kritisiert der Chef von Deutschlands größter Krankenversicherung, dass die Kosten der Corona-Pandemie einseitig den gesetzlich Versicherten aufgebürdet werden.
Die Techniker Krankenkasse warnt vor einer drastischen Explosion des Krankenkassen-Beiträge. “2022 wird ein hartes Jahr für Kassen und Mitglieder. Ohne Gegensteuern durch den Staat droht eine Verdoppelung des Zusatzbeitrags“, sagte TK-Chef Jens Baas am Samstag der «Rheinischen Post». Er erwarte, dass das Loch im Gesundheitsfonds „weit größer sein [werde] als 16 Milliarden, und alle Reserven aufgebraucht“. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag würde dann bei 2,5 Prozent des Bruttogehaltes liegen.
Baas kritisiert, dass die Kosten der Corona-Pandemie einseitig den Beitragszahlern der Krankenkassen aufgebürdet würden, da sie zum Großteil aus dem Gesundheitsfonds finanziert werden. Die eigentlichen Behandlungskosten seien für die Kassen finanzierbar, nicht jedoch jene, die durch Rettungsschirme entstehen. „Breit angelegte Corona-Tests, der Aufbau von Intensivbetten und der Kauf von Schutzausrüstung - das darf nicht einseitig bei den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenkassen hängen bleiben“, sagt der 53jährige. Die Politik will des Bundeszuschuss zu dem Gesundheitsfonds um 5 Milliarden Euro anheben - nach Einschätzung der Krankenkassen reicht das nicht annähernd aus.
TK will schon im kommenden Jahr Beiträge anheben
Der TK-Chef kündigt an, dass die Techniker ihre Zusatzbeiträge schon im kommenden Jahr erhöhen werde. Ob dies Anfang oder Mitte 2021 erfolge, sei aber noch offen. Nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums soll der durchschnittliche Zusatzbeitrag für 2021 um 0,2 Punkte auf 1,3 Prozent steigen. Diese Prognose wurde aber noch vor Eintritt der Coronakrise gestellt: verbindlich für die Kassen ist der durchschnittliche Zusatzbeitrag nicht: Die Anbieter dürfen ihn individuell festsetzen. Er wird zusätzlich zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent erhoben, Arbeitnehmer und -geber zahlen je die Hälfte.
Damit äußert sich Jens Baas ähnlich wie Martin Litsch, Vorstandschef des AOK-Bundesverbands. Auch Litsch hatte letzte Woche gewarnt, der Zusatzbeitrag werde sich verdoppeln, und kritisiert, die Krankenkassen würden überproportional an den Coronakosten beteiligt. Die Koalition wolle das Milliardenloch durch Corona "zu mehr als zwei Dritteln mit dem Geld der Beitragszahler stopfen, indem die Krankenkassen geschröpft werden und der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz erhöht wird“, sagte der AOK-Chef der "Augsburger Allgemeinen".
Plus im Frühjahr, sattes Minus in folgenden Quartalen
Die finanzielle Situation der Kassen ist aber im bisherigen Jahresverlauf widersprüchlich. Gegenüber der F.A.Z. sprach AOK-Chef Litsch von „Corona-bedingten heftigen Schwankungen im bisherigen Jahresverlauf“.
Im ersten Lockdown ab Mitte März konnten die Krankenkassen noch davon profitieren, dass teure Operationen und andere Behandlungen coronabedingt verschoben wurden: So haben sie das erste Halbjahr mit einem Plus von fast 1,3 Milliarden Euro abgeschlossen. Diese Ersparnisse wurden im Sommer wieder aufgezehrt, als viele OPs nachgeholt werden mussten, so berichtet die F.A.Z. In Summe zeigt sich so ein dickes Minus: In den ersten drei Quartalen 2020 ist ein Defizit von insgesamt 1,7 Milliarden Euro aufgelaufen. Allein im dritten Quartal betrug das Defizit satte drei Milliarden Euro.
Die Coronakrise ist aber nicht Grund allein, weshalb die Krankenkassen weniger Rücklagen haben. Die Versichertenentlastungsgesetz zwinkt die Anbieter, ihre Milliardenrücklagen schrittweise abzuschmelzen: Das geschieht durch Zusatzbeiträge, mit denen die Kassen ihre Kosten nicht voll decken können, erklärte Litsch der F.A.Z. Noch zum Ende des ersten Halbjahres saßen die Kassen auf Reserven von knapp 21 Milliarden Euro.
Auch die Gesetzreformen von Jens Spahn seien teuer, gibt Litsch zu bedenken - zu deren Finanzierung würden kurz vor der Bundestagswahl „die Rücklagen verfeuert“. Unter anderem will Spahn mehr Pfleger und Gesundheitspersonal in Kliniken durchsetzen. Zudem werden einmalig 8 Milliarden Euro aus den Reserven der Kassen abgeführt, um Finanzierungslöcher der kommenden Jahre zu stopfen.
Für 2022 erwartet Litsch einen Fehlbetrag von 22 Milliarden Euro. Wie viel die Coronakrise die Kassen insgesamt kosten wird, sei noch nicht abzusehen. Klar sei aber, "dass das dicke Ende für die gesetzliche Krankenversicherung erst noch kommt.“