Müssen Kunden Abstriche bei der Rendite machen, wenn vermehrt in grüne Technologie investiert wird?
Eine Vielzahl von wissenschaflichen Analysen hat die Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg untersucht, dabei wurden eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Datensätze angewandt. Als zusammenfassendes Ergebnis kann festgestellt werden, dass sauber defnierte ESG-Standards den wirtschaflichen Erfolg eines Unternehmens nicht behindern, sondern ihn eher positiv beeinfussen und die Finanzierungskosten senken. (Quelle: Gunnar Friede, Timo Busch & Alexander Bassen, "ESG and financial performance: aeregated evidence from more than 2000 empirical studies", "Journal of Sustainable Finance R Investment", 2015). Gerade in den aktuellen Marktverwerfungen konnte man sehen, dass sich eine nachhaltige Wirtschaftsweise in einer besseren Aktienkursperformance niedergeschlagen hat. So haben sich die ESG-Varianten von Aktienindizes von Anfang 2020 bis Ende Juni um bis zu vier Prozent besser entwickelt als die Basisindizes (Quelle: DWS, MSCI).
Ich nehme an, dass etliche Vorsorge-Einrichtungen, die sich nun verstärkt nachhaltig engagieren wollen, dennoch nicht auf klimaschädliche Investments verzichten und stattdessen dennoch weiterhin etwa in Kohle, die Abholzung von Regenwäldern etc. investieren. Gibt es Möglichkeiten für interessierte Kunden, dies zu überprüfen bzw. derartige Investments gar auszuschließen?
Da sprechen Sie eine wichtige Diskussion an. Nicht nur die Unternehmen müssen transparenter werden und zum Beispiel in Form von Nachhaltigkeitsberichten dokumentieren, wie stark sie zum Beispiel auf dem Weg zu einer klimaneutralen Produktion vorangekommen sind. Das gleiche gilt auch für Kapitalsammelstellen, die ihren Investoren darlegen sollten, ob und wie stark sie auf klimaschädliche Investments verzichten. Hier gibt es allerdings noch keine Branchenstandards und es hängt von der einzelnen Pensionseinrichtung ab, ob und in welcher Form sie diese Informationen vorhält.
Hat die Corona-Krise einen Anteil dazu geleistet, dass nachhaltige Investments an Bedeutung gewinnen? Oder spielt das eher keine Rolle?
Die Marktverwerfungen des vergangenen halben Jahres haben auf jeden Fall indirekt einen Beitrag geleistet. Durch die Corona-Krise wurde deutlich, wie verletzlich unser aktuelles Wirtschaftssystem ist und dass vieles akzeptiert wurde, ohne die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft einzuberechnen. Die jüngsten konjunkturellen Hilfspakete sind oft an Kriterien gekoppelt, die eine nachhaltige Wirtschafsweise fördern. Ökonomen fordern, den aktuellen Einschnitt durch die Corona-Krise zu einem Umbau der Wirtschaft zu nutzen. Den Efekt all dieser Entwicklungen sieht man auch an den starken Zuflüssen in ETFs mit ESG-Schwerpunkt. Schätzungsweise ein Drittel der europäischen Nettozuflüsse in ETFs von rund 40 Mrd. Euro per Mitte Juli 2020 sind in ESG-Varianten geflossen, das ist deutlich mehr als im vergangenen Jahr. Bei der DWS entfielen sogar mehr als 50 Prozent der Nettomittelzuflüsse im ersten Halbjahr 2020 auf ESG-Lösungen.
Wie schätzen Sie den Trend in den nächsten Jahren ein? Ist es vielleicht sogar denkbar, dass grüne Investments mal den Schwerpunkt bilden werden?
Wir erwarten, dass sich nachhaltige Anlagekriterien in den nächsten Jahren zu einem Standard entwickeln, der von den meisten Asset Managern in irgendeiner Form angewandt wird. Auf Betreiben der Asset Manager – und damit im Namen der Anleger – werden Unternehmen darlegen müssen, wie sie Anforderungen im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung umsetzen. Sicherlich wird es weiterhin breite Portfolios und Indizes geben, die alle Marktteilnehmer abdecken. Aber die Bedeutung von nachhaltigen oder klimabezogenen Investments wird mit Sicherheit noch deutlich steigen.
Die Fragen an Simon Klein stellte Mirko Wenig
Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin