Seit Dienstag müssen sich die früheren Chefs von PIM Gold vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen schweren Betrug vor. Bei Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahren Haft.
Die Anklageschrift ist fast 400 Seiten dick: Seit Dienstag müssen sich Mesut P., Geschäftsführer von PIM Gold, und sein Geschäftspartner Julius L. vor dem Landgericht Darmstadt wegen schweren Betruges verantworten. Der Finanzdienstleister aus dem hessischen Heusenstamm und dessen Vertriebsarm Premium Gold Deutschland (PGD) sollen „gemeinschaftlich und gewerbsmäßig“ Goldkäufer betrogen haben, so wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor. Über den Prozessauftakt berichtet aktuell das „Handelsblatt“.
Allein zwischen 2016 und 2019 sollen die PIM-Führungskräfte über 7.600 Gold-Sparverträge vertrieben haben. Und das wirft auch auf die Vermittlerbranche kein gutes Licht, denn den Weg zu Kundinnen und Kunden fanden die Verträge über Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO. Hier bleibt abzuwarten, ob Geschädigte auch erfolgreich Vermittler haftbar machen können: zum Beispiel, wenn sie unzureichend über Risiken des Geschäftsmodells aufgeklärt haben. Allein in der Vertriebsfirma PGD seien 300 Vermittler organisiert gewesen, die sich hauptsächlich auf die Goldsparpläne konzentriert hätten, wie das „Handelsblatt“ bereits in einem früheren Artikel ausführte.
Goldsparplan sollte ordentlich Rendite bringen
Geworben hat PIM Gold mit einem Investment, das als vergleichsweise krisenfest gilt: Gold. Genauer gesagt mit monatlichen Investitionen in Sparpläne, die Gold als wesentliche Komponente beinhalteten. Die Krux dabei: Die Kunden gaben zwar den Kauf des Edelmetalls in Auftrag. Aber sie erhielten das Edelmetall nicht, sondern überließen es PIM, weil die Firma versprach, das Gold zu investieren und damit weitere Rendite zu erwirtschaften.
Speziell mit Altgold und türkischem Hochzeitsschmuck wollte PIM Rendite erwirtschaften. Noch im Jahr 2013 hatte der Finanzdienstleister elf Prozent Rendite versprochen. So wurde den Anlegern eine Rückkaufoption zum festen Goldpreis sowie ein sogenanntes Bonusgold zugesichert: eben ein Gewinnanteil an den Geschäften, mit denen die Hessen einen extra Ertrag erwirtschaften wollten.
Dass dieses Geschäftsmodell funktionieren konnte, daran zweifelt auch der Insolvenzverwalter. Denn nicht nur die Rendite-Versprechen an Kundinnen und Kunden waren exorbitant. Auch der Vertrieb verdiente ordentlich mit: Wer die Verträge vermittelte, erhielt laut „Handelsblatt“ 2013 noch 11,5 Prozent Provision, die im Laufe der Jahre auf acht bis zwölf Prozent der Anleger-Gelder sank.
Der Insolvenzverwalter geht folglich davon aus, „„dass eine dauerhafte Rentabilität des Geschäftsmodells von vornherein nicht vorhanden gewesen sein dürfte“. Denn nur, wenn immer mehr Kundinnen und Kunden angeworben wurden, um frisches Geld in die Maschinerie zu pumpen, konnte das Modell wohl funktionieren: ein klassisches Schneeballsystem. Er geht laut dem Medienbericht davon aus, dass lediglich ca. 20 Prozent der Anleger-Gelder zu retten seien.
Irgendwann wurden die Probleme zu groß
Auch die Staatsanwaltschaft nehme zwar nicht an, dass PIM mit kriminellen Absichten gegründet wurde: Doch irgendwann habe man betrügerisch handeln müssen, weil die Probleme immer größer wurden. Bereits 2015 soll die Bilanz frisiert worden sein. Ein Jahr später schon konnten die Goldkäufe nicht mehr -wie zugesagt- einzelnen Kundinnen und Kunden zugewiesen werden. Und immer weniger Geld floss an die Anleger zurück: 2017 seien noch rund 40 Prozent der Gelder für „Goldrückkäufe“ investiert wurden, 2018 und 2019 nur noch elf Prozent.
Und vieles spricht dafür, dass auch das neu eingesammelte Geld nicht mehr für den Kauf neuen Goldes verwendet wurde - sondern zum Beispiel dazu diente, Neukunden anzuwerben und Provisionen auszuschütten. Weil auch viele Gelder in der Türkei versickerten, müssen sich die beiden Angeklagten nun auch wegen Geldwäsche verantworten.