Gute Unternehmensführung, Governance, zählt zu den wichtigen Nachhaltigkeitsaspekten. Gut geführte Unternehmen weisen eine bessere Performance auf als konventionell wirtschaftende Gesellschaften. Das kann in einer nachhaltigen Anlagestrategie einen wesentlichen Mehrwert leisten, betont Dyrk Vieten, Sprecher der Geschäftsführung des unabhängigen Vermögensverwalters ficon Vermögensmanagement aus Düsseldorf in seinem Gastbeitrag für Versicherungsbote.
Das Thema der Nachhaltigkeit gewinnt in der Investmentwelt immer mehr an Bedeutung. Das zeigen aktuellen Daten des Forums nachhaltige Geldanlage (FNG). Stand Ende 2019 waren insgesamt 269,3 Milliarden Euro in Anlageprodukte investiert, die ESG-Kriterien explizit in den Anlagebedingungen festschreiben. Das sind 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Berücksichtigt man auch Kapitalanlagen, für die Nachhaltigkeitskriterien auf Unternehmensebene verankert sind, ergibt sich dem FNG zufolge per Ende 2019 eine Gesamtsumme von rund 1,64 Billionen Euro für diese Art von Investments in Deutschland. Experten sagen für 2021 einen Boom für nachhaltige Anlagen voraus.
Druck auf Berater nimmt zu
Im Fokus stehen bekanntlich die sogenannten ESG-Kriterien („Environmental“, „Social“, „Governance“, also „Umwelt“, „Soziales“ und „Gute Unternehmensführung“) und die „Sustainable Development Goals“ (SDG). Besonders häufig werden die Umweltschutzaspekte im Sinne der Nachhaltigkeit diskutiert, und auch soziale Komponenten spielen eine Rolle – für viele Berater und Anleger sind das die wesentlichen Bereiche, in denen sich Nachhaltigkeit besonders auswirken kann und soll.
Gute Governance verhindert Verstöße in den übrigen Bereichen
Genauso wichtig, wenngleich in der Diskussion nicht immer im Fokus, ist das Kriterium „Governance“, also die gute Unternehmensführung. Diese ist genauso wichtig Umwelt und Soziales, denn eine gute Governance verhindert auch Verstöße in den übrigen Bereichen: Die Praxis zeigt, dass fragwürdige Umwelt- und Sozialpraktiken zumeist aus einer problematischen Führungskultur resultieren. Das betont Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW – Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.: „Eine gute Governance verhindert auch Verstöße in den übrigen Bereichen. Daher verdient das ‚G‘ der ESG-Kriterien allerhöchste Beachtung.“
Investments dezidiert auf Governance-Aspekte lenken
„Gute Unternehmensführung“ als dritter Aspekt der Nachhaltigkeitskriterien umfasst zum Beispiel eine aktive Überwachung und Transparenz bei Verhalten und Vergütung des Managements im Sinne der Nachhaltigkeit, die Verankerung einer Nachhaltigkeitsstrategie und des Nachhaltigkeitsmanagements auf Führungs- und Aufsichtsebene oder auch transparente Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption und Bestechung. Auch der gute Umgang mit Aktionären ist Teil einer nachhaltigen Governance von Unternehmen.
Das wirkt sich auch auf die Ergebnisse dieser Unternehmen aus. Gut geführte Unternehmen weisen beispielsweise deutlich weniger Umwelt- und Sozialprobleme, aber eine bessere Performance auf als konventionell wirtschaftende Gesellschaften. Daher kann ein Governance-Fokus in einer nachhaltigen Anlagestrategie einen wesentlichen Mehrwert für den langfristigen Investmenterfolg leisten.
MSCI World Governance-Quality Index mit interessanten Ergebnissen
Der Wert guter Unternehmensführung für Unternehmen und Investoren lässt sich beispielsweise am MSCI World Governance-Quality Index ablesen. Der Index basiert auf dem MSCI World, der Large- und Mid-Cap-Aktien in 23 Industrieländern umfasst, und soll die Leistung einer Strategie widerspiegeln, die sowohl die finanziellen als auch die Corporate Governance-Aspekte von Qualitätsinvestitionen erfassen. Die finanziellen Aspekte des Qualitätsfaktors werden anhand derselben grundlegenden Daten erfasst, die im MSCI-Qualitätsindex verwendet werden. Der Standard der Unternehmensführung wird anhand von Maßnahmen wie Unabhängigkeit und Vielfalt des Verwaltungsrats, Eigentümer- und Kontrollstruktur des Unternehmens, Rechnungslegungspraktiken und Bestätigungsvermerken des Abschlussprüfers gemessen.
Stand Ende November hat der MSCI World Governance-Quality Index auf Fünf-Jahressicht rund 15,7 Prozent zugelegt, in der Zwölf-Monatsbetrachtung sogar mehr als 21,5 Prozent. Seit Jahresbeginn beläuft sich das Plus auf mehr als 17 Prozent, trotz aller Corona-bedingten Verwerfungen. Zum Vergleich: Der Leitindex MSCI World liegt seit Anfang Januar rund 11,7 Prozent im Plus und in der Fünf-Jahresperspektive rund 11,5 Prozent gewonnen.
Investments dezidiert auf Governance-Aspekte lenken
Der Fall Wirecard hat im Vergleich dazu die Risiken einer schlechten Governance deutlich gezeigt. Die Aktie des Zahlungsdienstleisters lag 2020 bei einem Spitzenwert von rund 150 Euro. Heute wird das Unternehmen im Rahmen einer Insolvenz abgewickelt, die Aktionäre haben sehr wahrscheinlich keine Ansprüche gegen die Insolvenzmasse. Das Management-Fehlverhalten hat zu einem der größten Börsen- und Bilanzskandale der Geschichte geführt und gigantische Vermögenswerte vernichtet.
Für Finanzberater und Vermittler kann sich also im Sinne der Zukunftsfähigkeit der Portfolios ihrer Mandanten lohnen, den Fokus bei nachhaltigen Investments dezidiert auf Governance-Aspekte zu lenken und Anlageprodukte zu ermitteln, die diesen Voraussetzungen gerecht werden. Sie haben damit die Chance, sich frühzeitig in einem stark wachsenden Segment zu positionieren und interessante, langfristige Renditeopportunitäten zu generieren – ganz davon abgesehen, dass sie politisch ohnehin dazu gedrängt werden, sich der Nachhaltigkeit zu widmen. Die gute Governance ist dabei ein ganz entscheidender Aspekt.