Das juristische Ringen um die Zahlungspflicht aus Betriebsunterbrechungs- und -schließungsversicherungen in Großbritannien hat am Freitag ein Ende gefunden. Die Berufungen der Versicherer wurden einstimmig zurückgewiesen.
114 Seiten, die Versicherte in Großbritannien positiv stimmen dürften: Am Freitag veröffentlichte der Oberste Gerichtshof sein Urteil im Berufungsverfahren gegen die Ergebnisse des Musterprozesses im September 2020. Damals waren sowohl Versicherer als auch britische Finanzaufsicht (FCA) und Interessenverbände der Versicherten gegen das erste Urteil im Musterprozess in Berufung gegangen.
Nun gab der Oberste Gerichtshof der Berufung der FCA im Wesentlichen statt. Das bedeutet, dass die fraglichen Klauseln die durch Covid-19 verursachten Betriebsunterbrechungen abdecken, teilte die FCA mit.
Ähnlich wie in Deutschland, gab es auch im Vereinigten Königreich Streit darüber, welche Art der behördlichen Intervention erforderlich sei, um Klauseln auszulösen. So bestritten sowohl in UK als auch hierzulande Versicherer, dass eine wirksame Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung vorliegen würde. Hierzu stellte das Oberste Gericht nun fest, dass von einer Behörde auferlegte Beschränkungen normalerweise als obligatorische Maßnahmen zu verstehen seien. Zudem könne „die Anweisung einer Behörde auch eine ‚auferlegte Beschränkung‘ darstellen, wenn nach den Bestimmungen und dem Kontext der Anweisung die Einhaltung dieser Anweisung erforderlich ist und vernünftigerweise als erforderlich angesehen wird, ohne dass auf die vorgesehenen gesetzlichen Befugnisse zurückgegriffen werden muss. Allerdings beurteilte das Gericht nicht, ob wirklich jede Ankündigung und Vorschrift seitens der Regierung eine „auferlegte Beschränkung“ darstellte. Gleichzeitig wies das Oberste Gericht aber auch darauf hin, dass die Anweisungen vom 18., 20. und 24.03.2020 der britischen Regierung „deutlich stärker“ waren als die allgemeineren Anweisungen der Regierung, wie zum Beispiel zu Hause zu bleiben, unnötige Reisen zu unterlassen, soziale Kontakte zu reduzieren und nach Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten.
Ein weiteres Argument der Versicherer fasste der Gerichtshof unter Punkt „Nutzungsunfähigkeit“ und „Verhinderung des Zugangs“ zusammen. Vergleichbar ist dieses Argument mit der auch in Deutschland vertretenen Auffassung, dass keine Entschädigung gezahlt wird, wenn der Betrieb zumindest teilweise weiterarbeiten konnte. Wenn also beispielsweise Restaurants einen Außerhausverkauf betrieben. Auch bei diesem Punkt wandte sich das Gericht gegen die Argumentation der Versicherer und stellte fest, dass die Bedeutung von „Unterbrechung“ auch Störungen umfasst, die keine vollständige oder sogar nur geringfügige Einschränkungen der Geschäftsaktivitäten zur Folge haben.
In diesem Punkt legte der Oberste Gerichtshof die betreffenden Klauseln weiter aus, als die Vorinstanz im September. Folge: Es könnten mehr Versicherungsnehmer Anspruch auf Entschädigung haben, als ursprünglich angenommen. Die FCA-Anwälte Herbert Smith Freehills LLP rieten auf ihrer Webseite, dass Betroffene ihre Unterlagen hinsichtlich dieser Klausel prüfen sollten.
Die FCA begrüßte ausdrücklich die nun vorhandene Rechtssicherheit, die viele Hindernisse für die Ansprüche von Versicherungsnehmern beseitige. Sheldon Mills, Executive Director und zuständig für Verbraucher und Wettbewerb bei der FCA, sagte, dass man mit Versicherern zusammenarbeite, um sicherzustellen, dass jetzt schnell gehandelt wird. Wo immer möglich, sollen die Versicherer Zwischenzahlungen leisten.