Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und Talanx haben ein erstes Sozialpartnermodell erfolgreich verhandelt. Dessen Grundlage ist eine betriebliche Altersversorgung mit reiner Beitragszusage. Aus Sicht der Aktuare muss dieses Modell recht bald zahlreiche Nachahmer finden.
Denn die Lage ist ernst, warnt Friedemann Lucius, Vorstandsvorsitzender des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS). „Die historisch niedrigen Zinsen treiben den Finanzbedarf für die bestehenden Altzusagen mit ihren hohen Leistungsversprechen auf bislang nicht geahnte Höchststände. Dies führt zu einer erheblichen Mittelverlagerung zu Lasten der jüngeren Generationen.“
Den Appell von Dr. Lucius, dass politische Entscheidungsträger, Arbeitgeber und Gewerkschaften, die bAV-Systeme zukunftsgerecht auszubalancieren sollen, um eine dauerhafte Benachteiligung der jüngeren Generationen zu vermeiden, lässt sich als deutliches Votum für das Sozialpartnermodell verstehen. Kommt es zu keiner wesentlichen Veränderung, würden „die Versorgungslücken uneinholbar groß“, so Dr. Lucius, der auch ein „hohes gesellschaftliches Konfliktpotenzial“ befürchtet: „Von dem Versorgungsniveau der heutigen Rentnergenerationen werden die Jüngeren nur träumen können: Einerseits wird ihre Versorgungslücke immer größer, andrerseits treiben die niedrigen Zinsen den Aufwand für die eigene Vorsorge immer weiter in die Höhe. Gleichzeitig reduzieren viele Arbeitgeber die zusätzlichen betrieblichen Versorgungsleistungen, nicht selten, weil sie die Mittel für die Erfüllung bestehender Altzusagen benötigen.“
Das von Lucius beschriebene Problem lässt sich am Beispiel des Autoherstellers Opel sehr gut vor Augen führen: Allein um die Garantieverzinsung für die Pensionsverpflichtungen aufzubringen, soll ein dreistelliger Millionenbetrag notwendig sein - jedes Jahr. Die durchschnittliche Verzinsung liegt wohl bei fünf Prozent; oft ist eine „Dynamisierung der Besitzstände“ vereinbart, die für ein jährliches Anwachsen der Beiträge sorgt. Und die werden komplett vom Arbeitgeber finanziert.
„Beitragserhalt verhindert Werterhalt“
Doch solche starren Modelle passen laut Lucius nicht zur gegenwärtigen Niedrigzins-Phase. „Mit der Garantie des Beitragserhalts wird das nicht gelingen; denn dann muss aufgrund der Niedrigzinsen der gesamte Beitrag sicher und ohne nennenswertes Überschusspotenzial angelegt werden, sodass am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich nur eine Leistung in Höhe der eingezahlten Beiträge herauskommt.“ Durch die Geldentwertung liegt diese Leistung betragsmäßig aber deutlich unter dem Wert der eingezahlten Beiträge. „Insofern verhindert der Beitragserhalt in Zeiten wie diesen den Werterhalt der eingezahlten Beiträge“, so Dr. Lucius.
Die reine Beitragszusage biete mehr Möglichkeiten zur Kapitalanlage. Die Personalabteilung von Opel sieht das ähnlich und präferiert ein eher kapitalmarktorientiertes System. Dagegen wehrt sich wiederum der Betriebsrat, der befürchtet, dass der Kapitalbetrag bei Renteneintritt dann mitunter deutlich geringer ausfallen könnte.
Auch dieses Argument kennt Lucius. Doch Schwankungsrisiken im Zusammenhang mit Aktien und anderen Sachwertanlagen hält er aufgrund der in Deutschland vorherrschenden Risikoaversion für „dramatisch überbewertet“. Über lange Zeiträume in einem Versorgungskollektiv und mit einem professionellen Risikomanagement seien diese Risiken „sehr gut beherrschbar“.
Der IVS-Vorsitzende plädiert deshalb dafür, von der ‚Garantiefixierung‘ abzulassen, risikoreicher anzulegen und mehr Flexibilität im Arbeits- und Aufsichtsrecht einzuführen.