In Zeiten der Coronakrise können auch Finanzdienstleister profitieren, sofern sie die richtigen Entscheidungen treffen. Wie das geschehen kann, erklärt Dieter Kiwus. Der 57-Jährige ist Trainer und Berater für Finanzdienstleister.
Es ist nun mittlerweile über ein Jahr vergangen, seit das COVID-19 Virus die Welt auf den Kopf gestellt hat. Seitdem sind Updates zu den Neuinfektionen, politische Debatten um Restriktionen und die Sehnsucht nach einem Ende des Corona-Wahnsinns unsere täglichen Begleiter.
Die sogenannte Neue Normalität, von der Politiker und Wissenschaftler zuletzt häufiger sprechen, ist längst gelebte Realität. Die Rahmenbedingungen für das menschliche Miteinander haben sich verändert und das hat nicht nur massiven Einfluss auf die Politik. Vor allem die Wirtschaft leidet unter der Corona-Krise.
Unternehmen sind seit Monaten im Homeoffice, Einschränkungen behindern das Tagesgeschäft, die Produktionsketten sowie Import und Export verlangsamen sich. Die Nachrichten über Insolvenzen und bedrohte Existenzen brechen nicht ab, von den dunklen Zukunftsprognosen ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass sich das Kauf- und Konsumverhalten der Menschen entsprechend wandelt. Jede noch so kleine Investition wird durchdacht, schließlich weiß ja niemand, wie lange das noch so weitergeht.
Wenn man all das auf sich wirken lässt, könnte der Eindruck entstehen, dass selbstständige Finanzdienstleister furchtbar harte Zeiten durchmachen. Die Wirtschaft schwächelt, potentielle Kunden sind verunsichert und die allgemeine Stimmung ist angespannt.
Doch trotz all dieser Faktoren gibt es da draußen Finanzdienstleister, die gerade Umsatzrekorde verzeichnen. Sind das alles blinde Hühner, die zufällig Körner gefunden haben? Wohl kaum.
Was eine Krise mit dem Geist anstellt
Um zu verstehen, was diese Gewinner in der Corona-Krise richtig machen, muss zunächst geklärt werden, was bei allen anderen falsch läuft. In meiner Arbeit als Berater für selbstständige Finanzdienstleister fällt mir dabei bei vielen Kollegen vor allem ein Muster auf: das Straußenprinzip.
Sie kennen sicherlich die Redewendung, wonach die majestätischen Vögel bei einem Anzeichen von Gefahr ihre Köpfe in den Sand stecken. Auch wenn sich Sträuße in der Realität gar nicht so verhalten, das metaphorische Bild passt an dieser Stelle. Die Augen werden vor einem Unheil verschlossen. Man tut so, als wäre alles beim Alten.
Genau dieses Straußenprinzip wird derzeit von vielen Vertrieblern und Beratern verfolgt. Sie nehmen das Coronavirus als Bedrohung wahr. Gedanken wie “In einer Krise lassen sich keine Geschäfte abwickeln” oder “Ich muss die Neukundengewinnung auf die Zeit nach Covid verlegen” sind typisch.
Dieses Mindset ist allerdings ein großes Problem. Denn wie schon eingangs erwähnt, sind die aktuellen Rahmenbedingungen keine kurzfristige Erscheinung. COVID-19 hat den Markt bereits grundlegend verändert und diese neuen Bedingungen werden uns auch noch eine ganze Weile begleiten. Wer jetzt also den Kopf in den Sand steckt, um auf bessere Zeiten zu hoffen, der wird vergeblich warten und sein Geschäft aufs Spiel setzen.
Erfolg ist eine Frage der Einstellung
Was also machen die Finanzdienstleister anders, die in den letzten Monaten die Umsätze ihres Lebens eingefahren haben? Ganz einfach: anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, halten sie Ausschau nach neuen Möglichkeiten.
Große Veränderungen bringen schließlich nicht nur Nachteile und Verluste mit sich. Einschneidende Umbrüche wie Finanzkrisen oder die aktuelle Rezession bergen auch viel Potential. Das wird allerdings nur sichtbar, wenn sich der eigene Blick auf günstige Gelegenheiten ausrichtet.
Betrachten wir hierfür einmal das Beispiel der Bankfilialen. Immer mehr Geldinstitute gehen dazu über, ihr Filialgeschäft zu reduzieren und immer mehr Serviceleistungen auf das Online Banking auszulagern. Laut Statista liegen wir mit 28.000 verbleibenden Kopf- und Zweigstellen derzeit auf einem Tiefpunkt. So wenig Filialen gab es in Deutschland zuletzt in den 50er Jahren. Eine Entwicklung, die in den letzten Monaten durch die Corona-Krise zusätzlich angetrieben wurde.
Selbstständige Finanzdienstleister haben an dieser Stelle genau zwei Optionen. Die erste wäre, gemäß dem Straußenprinzip die Lage schwarz zu malen und sich davon blockieren zu lassen. Die zweite Option ist hingegen, in dem Verschwinden der Bankfilialen eine riesige Chance zu sehen.
Denn umso weniger Banken ihren Kunden vor Ort zur Verfügung stehen, umso mehr Menschen fehlt es an einer Anlaufstelle, an der sie eine professionelle und persönliche Beratung zu Finanzthemen erhalten. Es gab im Bereich der Finanzen noch nie so viele schlecht betreute Kunden wie heute! Dieser Mangel bedeutet im Umkehrschluss, dass selbstständige Finanzberater alleine aufgrund des weniger gewordenen Angebots ihr Geschäft deutlich steigern können.
Ein weiteres Beispiel dafür, wie Dienstleister von dem Wandel durch COVID-19 profitieren konnten, ist der Bereich Anlageberatung. Durch die zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit und “Geldruckorgien” der EZB ist bei vielen Menschen das Interesse an alternativen Strategien zur Sicherung und Vermehrung ihres Geldes gestiegen. Das Ergebnis? Goldene Zeiten für all jene Selbständigen, die mit ihrem Expertenwissen zu Themen wie Aktien, der Vermittlung von Immobilien als Kapitalanlage oder Spezial-Investments weiterhelfen können.
Die Krise vorteilhaft nutzen
Sie werden vielleicht überrascht sein, aber es gibt unzählige Exempel wie das der Bankfilialen oder der Anlageberatung. Der springende Punkt ist also nicht das Vorhandensein von Chancen. Die gibt es auch in Krisenzeiten, sogar zuhauf. Entscheidend für den Erfolg ist vielmehr die richtige Einstellung. Die Corona-Pandemie beweist das sehr deutlich. Durch das Virus waren wir alle für eine kurze Zeit gleich. Einschränkungen, Sorgen, Auswirkungen - jeder war auf eine Art und Weise davon betroffen. Alle mussten sich mit den neuen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zurecht finden. Dennoch gab es einige, die darin Vorteile sahen und andere, die sich vor einem Scherbenhaufen wiederfanden.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich hat jeder ganz eigene Voraussetzungen und demnach auch individuelle Herausforderungen zu bewältigen. Aber die Möglichkeit, den Wandel als Chance zu sehen, die steht uns allen zu. Dafür braucht es nicht immer eine geniale Geschäftsidee. Oftmals reicht es schon vollkommen aus, zu hinterfragen. Wie kann ich das Geschehen zu meinem Vorteil nutzen?
Der Fokus auf die positiven Aspekte einer Krise hilft, sich schneller anzupassen und ins Handeln zu kommen. Genau das ist die kleine, aber feine Nuance, die manchen selbstständigen Finanzdienstleistern selbst in schwierigen Zeiten Rekordumsätze beschert. Das Erfolgsrezept ist einfach: proaktiv agieren, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Denn Potentiale gibt es immer. Sie müssen nur erkannt und genutzt werden.