Honorarberatung zu fördern - das ist seit mittlerweile drei Legislaturperioden erklärtes Ziel der Bundesregierung. Ohne „durchschlagenden Erfolg“ wie eine Studie nun feststellte. Und das, obwohl inzwischen keine Wettbewerbshindernisse mehr vorliegen würden.
Mit Honoraren sollen Fehlanreize bei der Versicherungsberatung und -vermittlung vermieden werden. So sehen es Gesetzgeber und Verbraucherschützer und protegieren seit Jahren entsprechende Modelle.
Doch wie reagiert der Markt darauf? Welches Angebot an Nettotarifen (die gegen Honorar vermittelt werden) besteht überhaupt oder ist in Planung? Und wie steht es um die neu hinzugekommene Möglichkeit, dass Versicherungsberater Bruttotarife gegen Durchleitung der darin enthaltenen Zuwendungen an den Kunden vermitteln?
Diesen und ähnlichen Fragen gingen Prof. Dr. Matthias Beenken (FH Dortmund) und Prof. Dr. Heinrich Schradin (Universität Köln) in einer gemeinsamen Studie nach, für die Antworten von 33 Versicherern ausgewertet wurden.
Nettotarife oder Durchleitung: Wie sich das Angebot entwickelt hat
Die Erhebung kommt zu dem Ergebnis, dass 17 Versicherer Nettotarife für die Honorarvermittlung an. Zudem bieten acht Versicherer die Durchleitung von Zuwendungen bei Vermittlung von Bruttotarifen durch Versicherungsberater nach § 48c GewO an. Zwei Versicherungsunternehmen bieten unterschiedliche Regelungen an, in der Lebensversicherung Nettotarife und in der Krankenversicherung die Durchleitung, heißt es in der Studie. Gegenüber den Vorgänger-Erhebungen ist das eine deutliche Zunahme, schreiben die Studienautoren. Im Gegensatz zu früher hätten sich nun auch große, marktanteilsstarke Versicherer dem Honorarmarkt geöffnet.
Nettotarife: Neugeschäftsanteil verschwindend gering
Doch obwohl sich seitens der Anbieter mehr getan hat, bleibt der Neugeschäftsanteil von Nettotarifen verschwindend gering. In der Lebensversicherungs-Sparte ist der Anteil mit rund sechs Promille noch am größten. Kranken- und Schadenversicherung stehen noch schlechter da.
Daran wird sich sobald auch nichts ändern. Denn die Versicherer planen, in der LV-Sparte das Angebot weiter auszubauen. „Die Abschlussprovision reizt dazu an, durch Honorargestaltungen Arbitrage zu betreiben und Kunden zu gewinnen, die sich eine Ersparnis gegenüber der proportional zur Beitragssumme berechneten Provision versprechen“, lautet eine mögliche Begründung dafür. Einen vergleichbaren Anreiz, Honorare in der Schadenversicherung einzuführen bieten sich hingegen nicht. Im Gegenteil: viele Versicherungsnehmer müssten mit einer Kostensteigerung rechnen, wenn aufwandsgerechte Honorare berechnet würden, so die Studie.
Honorarberatung und -vermittlung: Wer darf was? (Grafik)
Nur eine Minderheit der befragten Unternehmen sieht Verbraucherschutz und Transparenz als Argument für Honorarberatung an. Vier von zehn Unternehmen befürworten eine Honorarordnung, um eine Übervorteilung von Kunden zu vermeiden, die die Besonderheiten einer Honorarvereinbarung nicht durchschauen, heißt es in der Studie. Mischmodelle aus Provisions- und Honorarvermittlung stoßen bei den Versicherern zu ungefähr gleichen Teilen auf Zustimmung oder Ablehnung.
Makler als Rechtsdienstleister
Im Privatkundengeschäft könnte eine Rechtsberatungserlaubnis für Makler die Vergütungsgestaltung (siehe Grafik) durch ein kombiniertes Angebot von Honorarberatung sowie Honorar- oder Courtagevermittlung erheblich flexibilisieren, meinen die Studienautoren. Doch für diese Idee gibt es von Versicherern wenig Unterstützung. Außer von jenen Assekuranzen, die Nettotarife anbieten.
Die fehlende Verfügbarkeit von Nettotarifen wurde in der Vergangenheit als Hindernis für eine erfolgreiche Verbreitung von Honorarvermittlung gesehen. Dieses Argument hat den Studienergebnissen zufolge keine Berechtigung mehr. Insbesondere in der Lebensversicherung würde es ein „hinreichend großes Angebot an Versicherern, die entweder Nettotarife oder die Durchleitung bei Vermittlung eines Bruttotarifs anbieten“ geben. Auch in den Sparten Kranken- und Sachversicherung ist das Angebot leicht gestiegen, so dass „sich auch hier zunehmend eine Wahlmöglichkeit zwischen Nettotarif oder Durchleitung etabliert“, stellt die Studie fest. Das Fazit der Untersuchung: Entscheidende Hindernisse für den freien Wettbewerb zwischen der Provisions- und Honorarvermittlung würden nicht mehr bestehen.
Was offen bleibt
Offen bleibt aber, ob das Nischendasein von Nettotarifen auf die fehlende Kundennachfrage oder auf mangelndes Interesse der Vermittler zurückzuführen ist.
Zudem fordern die Studienautoren, dass der Begriff ‚Nettotarif‘ endlich eine gesetzliche Klarstellung erfahren möge. Nach Ansicht der Studienautoren kann nur dann von Nettotarif die Rede sein, wenn weder Provisions- oder Courtagekosten noch mit diesen im Zusammenhang stehende Kosten enthalten sind.
Eine Forderung, die nach drei Legislaturperioden erfolglos versuchter Honorarberatungs-Förderung keineswegs übertrieben ist.