Die App Clubhouse überzeugte binnen kürzester Zeit Millionen User. Doch aus Sicht des Datenschutzes sind damit enorme Schwierigkeiten verbunden. Welche das sind erklären Moritz Heilfort, Jungmakler Gewinner und Geschäftsführer von Paladinum und Andreas Sutter, Director protect bei disphere interactive, im Interview.
Clubhouse bietet sogenannte Rooms an, in den über bestimmten Themen diskutiert und gesprochen werden kann. Clubhouse arbeitet mit der künstlichen Verknappung, sodass vorerst nur IOS User oder User, die eingeladen werden, auf die App Zugriff erhalten. Jeder User hat zwei Invites und kann somit zwei weitere User einladen.
Versicherungsbote: Was zeichnet Clubhouse aus und wie hebt sich diese App von den Marktführern Facebook und Instagram ab?
Moritz Heilfort: Meines Erachtens nach zeichnet Clubhouse wenig aus. Höchstens, dass in der Hypephase auch prominente Sprecher und sonst eher nicht erreichbare Politiker zu hören und teilweise sogar in Gespräche zu bekommen waren. Mit Facebook und Instagram hat es nur die Zuordnung zum Social Media Bereich gemein.
Andreas Sutter: Der anfängliche Hype um die App lässt sich vermutlich mit der gestiegenen Sehnsucht der Menschen nach Kontakt in der Pandemie-Zeit begründen. Jüngsten Umfragen zufolge wird die App allerdings nur von den wenigsten regelmäßig benutzt. Das deutet darauf hin, dass diese Plattform nur sehr selektiv für bestimmte Veranstaltungen genutzt wird. Die tägliche Kommunikation findet vermutlich nach wie vor über die Kanäle Facebook, Twitter oder Instagram statt. Sobald auf diesen Kanälen ähnliche Optionen angeboten werden, könnte die Luft für Clubhouse dünn werden.
Was löst den Reiz bei Clubhouse aus, sodass dieser krasse Hype entstehen konnte?
Moritz Heilfort: In erster Linie die Angst, etwas relevantes zu verpassen. Der Sog, der durch einen cleveren Marketingschachzug entstanden ist, war sehr wirkmächtig. Außerdem war der Drang, endlich mal von Anfang an dabei zu sein, sehr ausgeprägt. Die Verknappung auf Apple Geräte war dann der letzte Tropfen.
Andreas Sutter: Der Reiz des gesprochenen Wortes ist in dem ganzen Zusammenhang wohl nicht zu unterschätzen, wenn Menschen nach Nähe suchen. Und ein besonderer Effekt in der Anfangszeit war sicher auch der Promi-Bonus.
Clubhouse verlangt die Telefonnummern und hofft auch auf viele weitere Kontakte auf dem Smartphone, wieso sind trotzdem so viele Menschen davon nicht abgeneigt?
Moritz Heilfort: Weil sie die Konsequenzen dazu gar nicht umreißen. Kontakte zu teilen, wirkt erst mal harmlos. Man ist daran ja auch irgendwie gewöhnt worden durch andere Apps. Allerdings begibt man sich so auch als Privatperson direkt in den Bereich der DSGVO. Als Gewerbetreibender habe ich an dieser Stelle sowieso ein Problem.
Andreas Sutter: Vielen Menschen ist oft gar nicht bewusst, wie Datenverarbeitung eigentlich funktioniert. Oft ist es unmöglich, einmal in die Welt gesetzte Daten nachzuverfolgen oder löschen zu lassen. Die Einfachheit einer App suggeriert einen einfachen Umgang mit Daten - die Wirklichkeit dahinter ist aber oft sehr kompliziert. Daher ist es auch erschreckend, mit welcher Naivität sich viele Geschäftsleute, Prominente und Politiker sich Clubhouse zugewandt haben.
Kurzfristiger Vorteil bevorzugt
Wieso erkennen Menschen Gefahren im Netz nicht so leicht wie zum Beispiel im Straßenverkehr?
Moritz Heilfort: Wir Menschen haben ein Problem mit Diskontierlichkeit. Unangenehme Dinge, die in der Zukunft oder im Dunkeln liegen, wirken nicht als Anreiz zum Handeln. Oder anders ausgedrückt: Abnehmen fällt uns deswegen so schwer, weil wir den Fortschritt nur so langsam sehen. Übertragen auf das Netz bedeutet das, dass den Menschen schon grundsätzlich bewusst ist, dass da Gefahren lauern. Allerdings wirken diese so weit weg, dass der kurzfristige Vorteil, wie eine kostenfreie Nutzung einer Social Media Plattform, interessanter ist.
Andreas Sutter: Die Gefahren im Internet im Umgang mit Daten sind für viele nicht gut erkennbar, weil viele Prozesse für die Betroffenen unerkannt und im Verborgenen stattfinden. Den meisten sind auch die technischen Möglichkeiten in der digitalen Sammlung und Auswertung von Daten nicht vollständig klar. Daher ist der Umgang mit den eigenen Daten sehr häufig einfach nur leichtsinnig. Das ist schon für die Privatpersonen sehr gefährlich, für den Unternehmer hingegen , also auch den Versicherungsmakler, sind die Risiken existenzbedrohend vor einer solchen Gefahrenlage verschließt man natürlich auch gerne einfach die Augen.
Welche Bedeutung hat die Eingabe der eigenen Telefonnummer und die Freigabe der Kontaktdaten aus dem Smartphone?
Moritz Heilfort: Was man mit seiner eigenen Nummer macht, liegt ja im eigenen Ermessen. Welchen Missbrauch man damit anstellen kann, lässt sich leicht recherchieren. Problematisch sind die Daten anderer. Die gehören einem schlicht nicht. Also kann man sie auch nicht ohne Weiteres weitergeben. Auch im privaten Bereich nicht.
Andreas Sutter: Werden Kontaktdaten aus dem Smartphone geteilt, dann handelt es sich dabei um eine Datenverarbeitung. Sofern dies nicht ausschließlich in dem rein privaten Kontext geschieht, gelten hier die Regeln der DSGVO. Demnach ist jede Datenverarbeitung verboten, es sei denn, es gibt eine rechtliche Grundlage dafür. Das kann in diesem Fall nur die Einwilligung der Betroffenen sein, die mit Sicherheit nicht vorliegt. Denn damit die betroffenen Personen eine Einwilligung erteilen können, müssen sie auch zunächst über alle Risiken der Datenweitergabe in ein Nicht-EU-Land ausgiebig informiert werden
Schützt mich die DSGVO und meine Daten nicht auch vor Clubhouse?
Moritz Heilfort: Die DSGVO schützt erst mal niemanden konkret. Sie bezeichnet vielmehr die Bedingungen, unter denen man als Unternehmen überhaupt personenbezogene Daten speichern darf. Bei Clubhouse handelt es sich allerdings um eine Anwendung aus den USA. Damit interessieren sich die Entwickler erst mal nicht für eine europäische Verordnung. Wollen die dann hierzulande tätig sein, müssten sie sich mit den Datenschutzthemen auseinandersetzen. Das tun sie aber nicht. Und an dieser Stelle kommen die User ins Spiel. Denen wird unterstellt, dass sie um die Problematik wissen und entsprechend handeln. Also eben KEINE Daten hochladen. Aber so sieht die Realität nicht aus.
Andreas Sutter: Durch die Datenschutzgrundverordnung ist grundsätzlich sichergestellt, dass alle Bürger der EU und alle, die in der EU leben, bestimmte Schutzrechte haben. Diese lassen sich jedoch im Falle von Clubhouse nicht durchsetzen, da ist der Anbieter rechtswidrig unterlässt, einen Vertreter in der EU zu benennen, der im Zweifel verklagt werden kann.
Wie kann ich mich davor schützen, dass meine Freunde durch die persönliche Einwilligung bei Clubhouse meine Daten weitergeben?
Moritz Heilfort: Nach meinem aktuellen Kenntnisstand ist dies nicht zu verhindern.
Andreas Sutter: Das lässt sich zwar nicht verhindern, aber wenn ich davon Kenntnis habe, bleibt mir natürlich die Möglichkeit der Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde oder der Klageweg, um Schadenersatz geltend zu machen.
Was passiert mit den Daten bei Clubhouse?
Was passiert mit meinen Daten, wenn sie doch bei Clubhouse hochgeladen wurden?
Moritz Heilfort: Die Daten werden in den USA gespeichert und verarbeitet. Keiner weiß genau, was damit passiert. In jedem Fall werden aber sogenannte Schattenprofile angelegt. Das merkt der Betroffene daran, dass, wenn er oder sie Clubhouse dann doch mal nutzt war mit zahlreichen Follow-Vorschlägen begrüßt wird.
Andreas Sutter: Das ist einer der Hauptkritikpunkte an der App: die Datenverarbeitung ist vollständig intransparent und vermutlich weitestgehend ungeschützt.
Wie werden meine Daten in die Staaten übertragen?
Moritz Heilfort: In dem Moment, wo ich die Nutzungsbedingungen anerkenne, werden die Daten elektronisch übertragen und gespeichert.
Andreas Sutter: Im Übrigen wird über die Datenübertragung an keiner Stelle ausreichend informiert. Auch dabei handelt es sich um einen Verstoß gegen die DSGVO.
Habe ich die Chance jemanden zur Verantwortung zu ziehen, wenn meine Daten unfreiwillig weitergeben wurde?
Moritz Heilfort: Grundsätzlich ja. Wenn man nachweisen kann, dass ohne Einverständnis Daten übertragen wurden und ein Schaden entstanden ist, kann man den Klageweg beschreiten. Ob der zum Erfolg führt kann hier nicht beantwortet werden.
Gibt es eine Möglichkeit, an Clubhouse teilzunehmen, ohne mich in die Gefahr zu begeben, fremde Daten weiterzugeben?
Moritz Heilfort: Es gibt bisher nur eine Möglichkeit: Mittels Telefon, das über keine fremden Daten verfügt und einer entsprechend sauberen Apple ID kann man die Anmeldung durchführen. Das Gerät muss man dann aber auch sauber halten, denn Clubhouse scannt immer wieder die Kontakte, um neue Invite-Vorschläge zu unterbreiten.
Andreas Sutter: Selbst wenn ich den Weg wähle ein sozusagen „sauberes“ Smartphone zu verwenden, auf dem keine Kontaktdaten gespeichert sind, besteht denn noch immer die Gefahr, dass Daten dritter Personen ungewollt und rechtswidrig in die USA übermittelt werden. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Gespräche dritter mit aufgezeichnet werden.