Bei der Altersvorsorge besteht „akuter Handlungsbedarf“, wenn der Höchstrechnungszins gesenkt wird, findet Votum-Vorstand Martin Klein und erhoffte sich klare Ansagen auf der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht. Warum sich diese Hoffnung nicht erfüllte, schildert er im Kommentar.
Die diesjährige Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht zeigte erneut, dass berechtigte Zweifel daran bestehen, ob Finanzministerium und BaFin in der Lage sind, sich auf die wesentlichen Themen zu fokussieren.
So mussten die Teilnehmer zu Beginn einen Staatssekretär Dr. Jörg Kukies erleben, der seine Vorladung im Wirecard-Untersuchungsausschuss am Veranstaltungstag als ‚Ehre‘ empfand und seine Keynote dafür nutzte, erneut zu betonen, dass man den Provisionsdeckel in der Lebensversicherung weiter fest auf der Agenda habe.
Auch BaFin-Exekutivdirekter Dr. Frank Grund zeigte sich bei diesem Thema larmoyant und betonte mehrfach, dass der unter seiner Ägide entwickelte Gesetzesentwurf doch für die Aufsicht so hilfreich gewesen wäre.
Während sich also BMF und BaFin bei diesem Randthema gesprächig zeigten, wurden beide deutlich schmallippiger, als aus dem Podium das drängende Thema der notwendigen Reformen bei der Riester-Versicherung und der betrieblichen Altersvorsorge – hier in der BZML – angesprochen wurde. Aufgrund der angekündigten Absenkung des Höchstrechnungszinses zum Jahresbeginn 2022 auf 0,25 Prozent besteht hier akuter Handlungsbedarf, will man nicht wesentliche Teile der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge dem Abriss freigeben.
Die Leiterin der Abteilung Finanzmarktpolitik im BMF, Dr. Eva Wimmer, bemühte das Primat des Gesetzgebers. Sie räumte aber ein, dass aufgrund der fortgeschrittenen Legislaturperiode nicht mehr mit einem zählbaren Ergebnis zu rechnen sei.
Anders als beim Provisionsdeckel meinte auch Chefaufseher Grund, dass es der Aufsicht nicht zustünde, hier Empfehlungen zu erteilen.
Diese Auftritte sind auf ganzer Linie enttäuschend. Es hätte der Aufsicht – auch als Beleg ihrer immer wieder beschworenen Unabhängigkeit – gut zu Gesicht gestanden, rechtzeitig auf den Zusammenhang zwischen Höchstrechnungszins und nicht mehr zu haltenden gesetzlichen Garantien in der Lebensversicherung hinzuweisen. Ideal wäre es gewesen, wenn die BaFin ihre Expertise genutzt hätte, um einen Garantiemaßstab zu ermitteln, der dem Spannungsfeld zwischen Niedrigzins und Absicherungsinteressen der Sparer gerecht wird. Dies wäre der Sicherung der privaten Altersvorsorge dienlicher gewesen als ihre zurecht gescheiterten gesetzgeberischen Bemühungen für einen – verfassungsrechtlich bedenklichen – Provisionsdeckel.
Wenn also Staatssekretär Dr. Kukies seinen Ärger darüber zum Ausdruck brachte, dass die Vergütung über die Bedeutung der privaten Altersvorsorge als Ganzes gestellt werde, bestätigt sich einmal mehr: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte nicht vergessen, dass dabei drei Finger seiner Hand auf ihn selbst gerichtet sind.
BMF und BaFin haben es verpasst, die Riester-Versicherung und die BZML für die Zukunft fit zu machen. Beim SPD geführten Finanzministerium muss man hierfür ideologische Gründe vermuten. Die BaFin hat sich bei diesem existentiell wichtigen Thema mutlos in die Zuschauerrolle geflüchtet.
So bleibt es bei der Hoffnung, die auch GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen zum Ausdruck brachte, wenn schon eine große Reform nicht mehr möglich ist, sollte wenigstens die verbleibende Regierungszeit genutzt werden, um nur die Garantien anzupassen.
Die große Koalition muss zwingend handeln. Wenn nötig, muss es die Kanzlerin zur Chefsache mache. Nur so bleibt dem nächsten Gesetzgeber zumindest die Möglichkeit, diese wichtigen Bausteine noch zu gestalten, anstatt nur die Scherben aufzukehren.
Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass Finanzminister Olaf Scholz als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen möchte mit der Bürde, diese gerade für Geringverdiener und Familien mit Kindern segensreiche Möglichkeit der Altersvorsorge an die Wand gefahren zu haben. Noch ist es nicht zu spät.