Die Corona-Pandemie belastet nach wie vor Wirtschaft und das öffentliche Leben. Aktuell scheint es so, als würde die Versicherungsbranche sehr gut durch die Krise kommen. Viele Versicherer meldeten für das Jahr 2020 gute Zahlen, die Beitragseinnahmen kletterten sogar branchenweit um 1,2 Prozent auf gut 220 Milliarden Euro. Der Branchenverband GDV schaut „vorsichtig optimistisch“ auf das laufende Jahr.
Dennoch warnt Dirk Schmidt-Gallas, Senior Partner und Leiter der Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher & Partners, dass sich die Lage auch für die Branche verschlechtern könnte. Denn die optimistische Prognose „basierte auf der Annahme, dass die Corona-Maßnahmen im Frühjahr gelockert werden. Aktuell ist aber das Gegenteil der Fall,“ sagt Schmidt-Gallas. Stichwort Ausgangssperre: soeben hat die Bundesregierung die Corona-Maßnahmen verschärft. Und noch immer ist nicht daran zu denken, dass Gastronomen, Veranstalter und Kreative bald wie gewohnt ihrem Beruf nachgehen können. Viele Läden im Einzelhandel sind nach wie vor dicht.
Diese Situation dürfte auch die Versicherungsbranche belasten - sie gerate im Jahr 2021 zusätzlich unter Druck. „Wie schon 2020, werden hohe Schadenaufwendungen, insbesondere im Industrie- und Gewerbesektor, die Bilanzen belasten,“ so Schmidt-Gallas. „Dabei waren die Ergebnisse der Industrieversicherer auch schon vor Covid-19 defizitär.“ Hier weist der Experte darauf hin, dass schon in den letzten Jahren die Beitragseinnahmen weniger stark wuchsen: dem Plus von 1,9 Prozent in 2020 ging im Vorjahr eine Zunahme um rund sieben Prozent voraus.
Besonders die Lebensversicherer litten unter den Folgen der Corona-Krise, laut GDV sei die Zahl abgeschlossener Verträge um 12 Prozent gesunken. „Hinzu kommt, dass sich der Anlagenotstand der Lebensversicherer mit dem milliardenschweren Ankaufprogramm der EZB weiter verschärft hat,“ analysiert Schmidt-Gallas. Hinzu komme, dass der Höchstrechnungszins von 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent abgesenkt werde – somit würden Lebensversicherungen immer unattraktiver. Hierzu sei aber ergänzt, dass die meisten Versicherer ohnehin im Neugeschäft kaum noch „klassische“ Garantieprodukte anbieten: oder sogar komplett davon abgerückt sind.
Im aktuellen Marktumfeld rät Schmidt-Gallas, dass sich die Versicherer stärker auf ihr Alleinstellungsmerkmal konzentrieren: die Biometrie. Diese bietet gute Perspektiven: „Der Staat hinterlässt hier viele Absicherungslücken,“ so Schmidt-Gallas. Professionell investieren könnten auch andere, „aber die Expertise in der Absicherung biometrischer Risiken liegt bei den Versicherungen.“
Selten sei die Sensibilität bezüglich der eigenen Gesundheit so hoch gewesen wie aktuell. Die Sorge vor möglichen Langzeitfolgen von Covid-19 könnte das Interesse für biometrische Risiken erhöhen. „Richtig angegangen, sollten Versicherer in der Biometrie um 150 Prozent wachsen können,“ erklärt Schmidt-Gallas. Dafür seien aber zwei Schritte unerlässlich:
- Vertrieb stärken: „Der Vertrieb muss auf neue Beine gestellt werden,“ erläutert Schmidt-Gallas. Dabei sei es wichtig, dass die Versicherungsberater in Sachen Biometrie besser geschult werden – sowohl inhaltlich als auch vertrieblich. Da biometrische Versicherungsprodukte äußerst komplex sind, sei hier viel Guidance nötig. Hier bestehe Nachholbedarf.
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In Digitalisierung investieren: Außerdem seien Digitalisierungsstrategien und ihre konsequente Umsetzung wichtig: „Dabei geht es nicht darum, den Berater zu ersetzen, sondern ihn smart zu unterstützen,“ so Schmidt-Gallas. Gerade in unsicheren Zeiten seien die empathischen Fähigkeiten eines Beraters unersetzlich und bei der Absicherung komplexer biometrischer Risiken sogar essenziell. Trotzdem gelte: „Digitaler Support durch Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Big Data und Machine Learning kann die Beratungsleistung massiv steigern – und somit zu mehr Versicherungsabschlüssen führen.“