Immer mehr Banken sehen sich mit niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt konfrontiert. Und suchen nach Auswegen, die mitunter zum Nachteil der Kundinnen und Kunden gestaltet sind. Neben Negativzinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten führen manche Geldhäuser nun einen Deckel für Sparbücher ein.
Noch immer ist das Sparbuch eine der beliebtesten Geldanlagen der Deutschen. Laut forsa-Umfrage setzt mehr als jeder zweite Deutsche auf diese Form der Geldanlage, auch wenn es hierfür quasi keine Zinsen mehr gibt und das Geld aufgrund der Inflation an Wert verliert. Selbst Bundesfinanzminister Olaf Scholz bekannte vor zwei Jahren in einem Interview, dass er lieber das Geld auf dem Sparbuch verwahrt als in Aktien investiert. Ähnlich populär ist es, das Geld auf Giro- oder Tagesgeldkonten zu parken.
Doch auch die Banken leiden unter den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt, im doppelten Sinne. Nicht nur wird es schwerer, mit vermeintlich sicheren und lang laufenden Anlagen überhaupt noch Zinsen mit dem Geld der Kundinnen und Kunden zu erwirtschaften. Sie müssen auch einen Einlagezins zahlen, wenn sie überschüssige Mittel bei der Europäischen Zentralbank (EZB) lagern. Minus 0,50 Prozent beträgt der EZB-Einlagenzins seit September 2019. Damit will die Zentralbank eigentlich erreichen, dass sie Kredite an Firmen vergeben, statt Geld zu bunkern. Das hat auch Auswirkungen auf die Sparerinnen und Sparer.
Immer mehr Banken mit „Strafzins“ auf Giro- und Tagesgeldkonto
Denn viele Banken und Sparkassen geben die Last niedriger Zinsen an ihre Kundinnen und Kunden weiter. Eine zunehmende Zahl führt ein sogenanntes Verwahrentgelt für Guthaben auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto ein: auch etwas polemisch Strafzins genannt. Gut 410 Institute kassieren mittlerweile Negativzinsen im Privatkundenbereich, bei Firmenkunden sind es knapp 460 Geldhäuser, so ergab eine frische Umfrage des Portals biallo.de, das hierfür 1.300 Banken und Sparkassen befragt hat. Allein seit Jahresanfang kamen 150 neue hinzu.
Der Trend zum Strafzins zeigt steil gen oben: Allein seit 2019 habe sich die Zahl der Banken, die ein solches Verwahrentgelt berechnen, mehr als verzehnfacht, berichtet das Finanzportal. In der Regel wird der Zins auf den Anteil berechnet, der über einem bestimmten Freibetrag liegt. Bei rund einem Drittel der Banken, die das Verwahrentgelt frisch einführten, liege die Grenze bei 25.000 Euro. Gut 60 Banken gewähren nur noch einen Freibetrag von 10.000 Euro oder weniger, 23 Geldhäuser langen bereits ab dem ersten Euro zu.
Selbst Direktbanken erheben mittlerweile ein Verwahrentgelt: zum Beispiel die Comdirekt derzeit 0,5 Prozent ab 100.000 Euro Einlage. Laut biallo verschicke das Institut aktuell sogar ein Schreiben, wonach der Freibetrag bei bestimmten Konten auf 50.000 Euro gesenkt werden solle.
Nun auch Sparbücher betroffen
Doch nun sind auch Sparbücher vermehrt von diesen Maßnahmen betroffen. Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ haben sowohl die Commerzbank als auch die Targobank einen Deckel für Neukundinnen und -kunden eingeführt. Wer bei der Commerzbank als Neukunde mehr als den Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro einzahlt, muss Strafzinsen von 0,5 Prozent zahlen. Ab 1. August solle der Freibetrag auf 50.000 Euro gesenkt werden.
Für andere Institute könnte das der Startschuss sein, nun ebenfalls Sparbücher mit Verwahrentgeltern zu belasten. So berichtet t-online.de, Dass auch die Sparkasse UnnaKamen in Westfalen-Lippe nun ebenfalls Sparbücher belastet. Die Grenze liegt hier bereits bei 25.000 Euro. Zwar gelte das zunächst für Neukunden: doch Sparerinnen und Sparer mit Bestandsverträgen würden ebenfalls angeschrieben, den Deckel zu akzeptieren.
Vorgehen der Geldhäuser umstritten
Bei allem Verständnis - das Vorgehen der Geldhäuser stößt auch auf Kritik. biallo.de verweist darauf, dass den Geldhäusern von der EZB ein Freibetrag in Höhe des Sechsfachen der gesetzlichen Mindestreserve eingeräumt wird. Das entspreche etwa einem Prozent der Kundeneinlagen, zu denen die täglich verfügbaren Einlagen zählen wie auch das Tagesgeld oder Festzinseinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren.
Um diesen Effekt zu verdeutlichen, verweist das Portal auf eine Beispielrechnung des Rechtsanwalts Claus Steiner. Wenn eine Bank Kundeneinlagen von 10 Milliarden Euro verwahre und davon zehn Prozent -eine Milliarde Euro- bei der EZB parke, müsse sie den Strafzins von 0,50 Prozent nur auf 400 Millionen Euro zahlen. Denn 600 Millionen Euro seien als das Sechsfache der gesetzlichen Mindestreserve vor dem Einlagenzins geschützt. "Die Bank muss also nur zwei Millionen Euro Negativzinsen an die EZB zahlen", sagt Steiner gegenüber dem Hamburger Abendblatt.
Hier besteht der Verdacht, dass die Banken den Negativzins als weitere Option entdeckt haben, mit Kundinnen und Kunden Geld zu verdienen. Im Rechenbeispiel ergebe sich aus dem EZB-Einlagenzins ein Aufwand von 20 Euro pro 100.000 Euro Kundeneinlage: Während die Bank zugleich einen dreistelligen Millionenbetrag an Zinserträgen allein aus der Kreditvergabe erzielen könne.
"Die meisten Geldhäuser verdienen nicht schlecht mit den neuen Verwahrentgelten. Ihre Erträge aus den Negativzinsen liegen meist viel höher als die an die EZB tatsächlich bezahlten Negativzinsen", sagt folglich auch Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg der "Süddeutschen". Er hat sogar Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Strafzinses auf Sparguthaben. Diese seien laut Vertragszweck auf Vermögensbildung ausgerichtet - was Strafzinsen ausschließe.