Eigentlich muss jeder Bürger kostenlos einen Girokonto-Vergleich angeboten bekommen, der über Gebühren und andere Kontodaten informiert. Aber die Bundesregierung tut sich schwer damit, ein entsprechendes Projekt umzusetzen. Nun hat sich der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold bei der EU-Kommission beklagt: Es droht ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Denn auch ein Portal der "Stiftung Warentest" betrachtet er als ungenügend.
Eine EU-Richtlinie verpflichtet Deutschland, allen Bürgerinnen und Bürgern einen Vergleich von Girokonten zur Verfügung zu stellen: neutral und unabhängig von finanziellen Interessen. Doch bisher ist die Umsetzung ein Fiasko. Zunächst schrieb die Bundesregierung einen solchen Vergleich für private Anbieter aus: allein Check24 bewarb sich. Nachdem die Verbraucherzentralen eine Abmahnung schickten, weil der Vergleich angeblich keinen ausreichenden Marktüberblick biete, schaltete Check24 das Portal wieder ab. Nun soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einen solchen Vergleich bereitstellen.
Doch die Umsetzung verzögert sich: frühestens 2022 kann die BaFin den Vergleich online stellen. Und das könnte nun echten Ärger für die Bundesregierung mit sich bringen. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag berichtet, hat Sven Giegold, Parlamentarier der Grünen, eine Beschwerde an die EU-Kommission gerichtet, um die Behörden zur Eile zu zwingen. Es droht ein Strafverletzungsverfahren - und damit hohe Strafzahlungen. Als Deutschland zum Beispiel die Nitratwerte in der Landwirtschaft überschritt, wurden 850.000 Euro Strafe in Aussicht gestellt: pro Tag.
"Es fehlt eine glaubwürdige Strategie"
"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Deutschland zweieinhalb Jahre nach der Umsetzungsfrist noch immer keine richtlinienkonforme Vergleichswebseite eingerichtet hat. Es fehlt eine glaubwürdige Strategie, um diese Nichteinhaltung in naher Zukunft zu beheben“, zitiert die Süddeutsche aus der Beschwerde.
Damit droht die Einführung des Vergleichsportals zur Lachnummer zu werden. Bereits das ursprüngliche Vergleichsportal von Check24 startete mit reichlich Verspätung. 613 Kontomodelle konnten dort verglichen werden. Zu wenig aus Sicht der Verbraucherzentralen: Damit sei kein ausreichender Marktüberblick gegeben. Zudem seien die dort abgebildeten Daten teils schon veraltet. Aufgrund rechtlicher Unsicherheiten schalteten die Vergleicher das Portal am 18. Januar 2021 ab: wenige Monate, nachdem es online ging. Check24 hatte sich den Girokonto-Vergleich zuvor vom TÜV Saarland und dem Bundesfinanzministerium zertifizieren lassen: Provisionen erhielten die Münchener nicht.
Daraufhin beschloss die Bundesregierung, dass die BaFin einen solchen Kontovergleich bereitstellen soll. Doch das dauert. Die notwendigen Daten müssen eingeholt und bereitgestellt werden: von immerhin 1.717 deutschen Banken. Oft müssen Daten händisch eingepflegt und aktualisiert werden, weil Schnittstellen fehlen. Probleme, die Check24 auch hatte, wie eine Sprecherin dem Versicherungsbote berichtete. Auch die Bankbranche ist noch nicht ausreichend digitalisiert und vernetzt.
Stiftung Warentest bietet nicht genug
Als Zwischenlösung ist nun die „Stiftung Warentest“ eingesprungen: und stellt ihren eigentlich kostenpflichtigen Giro-Vergleich nun allen Interessierten zur Verfügung, ohne dass sie hierfür zahlen müssen. Doch wenn auch der Verbraucherschutz gegen Check24 vorging, zeigt sich das Problem nun an diesem Portal. Denn die Stiftung kann lediglich 300 Girokontenmodelle gegenüberstellen. Das ist weniger als die Hälfte von dem, was das abgemahnte Portal zuvor anbot. Giegold bemängelt: auch hier sei die Marktabdeckung nicht ausreichend, das Angebot eindeutig nicht richtlinienkonform.
Doch auch bei dem Vorhaben, die BaFin einzubinden, gibt es Widerstand. Wie das "Handelsblatt" berichtet, lehnt die Union den Vorschlag des SPD-geführten Finanzministeriums ab, die Bafin mit dem Aufbau des Vergleichsportals zu beauftragen. Die BaFin solle sich mehr darauf konzentrieren, das eigene Versagen im Wirecard-Skandal aufzuarbeiten und den erforderlichen Neuaufbau voranzutreiben, so das Argument. Auch das ist ein Grund, weshalb Giegold nun tätig wurde: Und so den Druck auf die Bundesregierung erhöht.