Zugleich kämpfen einige Pensionskassen und -fonds mit massiven Problemen. Selbst die BaFin warnt, das Geschäftsmodell gerate in Zeiten niedriger Zinsen in Bedrängnis. Auch Lebensversicherer fordern bei geförderten Produkten das Ende der 100-Prozent-Beitragsgarantie. Was kann aus Ihrer Sicht getan werden, um das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge nicht zu gefährden?
Angelika Brandl: Hier ist ganz klar die Politik gefordert, die für das Altersversorgungssystem in Deutschland zentrale zweite Säule zu stärken. Für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer ist Rechtssicherheit, aber auch Generationengerechtigkeit von entscheidender Bedeutung. Aus Arbeitnehmersicht wurde bereits dadurch zusätzlich Vertrauen aufgebaut, dass nunmehr auch Pensionskassen von der Insolvenzsicherung durch den Pensionssicherungsverein (PSVaG) erfasst sind. Für Pensionsfonds gilt dies schon immer.
Aus Arbeitgebersicht gibt es bereits seit langem Forderungen – wie zum Beispiel eine Anpassung des längst nicht mehr zeitgemäßen Rechnungszinses von sechs Prozent zur Berechnung von steuerlichen Pensionsrückstellungen für Direktzusagen, der letztlich zu einer Besteuerung von Scheingewinnen führt. Außerdem sollten hohe Garantieversprechen und Rentenanpassungsanforderungen insgesamt flexibler gestaltet werden können. Weniger Garantien und mehr Flexibilität werden die bAV insgesamt stärken und Unternehmen weiterhin motivieren, auch über die gesetzliche Mindestanforderung des Anspruchs auf Entgeltumwandlung hinaus betriebliche Altersversorgung anzubieten. Darüber hinaus bestehen unverändert entscheidende Vorteile bei einer betrieblichen Altersversorgung gegenüber privaten Spar- oder Versicherungslösungen aufgrund des größeren Kollektivs – so zum Beispiel im Rahmen von günstigen Gruppenversicherungsverträgen und besseren Konditionen bei Verwaltungskosten und zielorientierter Kapitalanlage.
In diesem Jahr ist auch Bundestagswahl. Welche Punkte wären auf Ihrem „Wunschzettel“, um die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu stärken?
Angelika Brandl: Neben den gerade bereits genannten Forderungen an die Politik sollte gerade auch die Geringverdienerförderung nicht außer Acht gelassen werden. Hier wurde mit dem bAV-Förderbetrag gemäß § 100 EStG bereits ein entscheidender Grundstein gelegt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, noch bestehende Unklarheiten für die Arbeitgeber zu beseitigen. Das sind zum Beispiel die regelmäßige Überprüfung der maßgeblichen Einkommensgrenze bzw. deren Dynamisierung, eine Lösung für „Altfälle“, da eine Aufstockung von (gezillmerten) Altverträgen nicht immer möglich ist sowie die arbeitsrechtliche Sicherheit, dass eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung nur für Geringverdiener nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.
In welcher politischen Konstellation ist wohl damit zu rechnen, dass so etwas wie eine obligatorische Betriebsrente eingeführt wird?
Angelika Brandl: Die aktuelle Bundesregierung hat sich durch die Einführung des BRSG eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung erhofft. Leider wurde die Möglichkeit, per Tarifvertrag ein rein beitragsbasiertes Zielrentensystem zu vereinbaren, von den Sozialpartnern bislang kaum genutzt. Im Jahr 2023 ist die Wirksamkeit des BRSG durch das BMAS zu prüfen. Sollte der bisherige Gesetzesrahmen bis dahin nicht zu deutlich mehr Betriebsrenten führen, wird die Diskussion über die Einführung eines Obligatoriums neu entfacht. Wenn diese Diskussion nicht bereits früher aufkommt – die hessische schwarz-grüne Koalition hat bekanntlich vor einiger Zeit die sogenannte Deutschland-Rente propagiert – ist es nicht ausgeschlossen, dass solche Überlegungen auch in etwaigen Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Zu hoffen bleibt aber, dass zunächst die zuvor genannten Baustellen angegangen werden.
Hinweis: Der Text erschien zuerst in: Versicherungsbote Fachmagazin 01/2021.