PKV-Beitragsanpassung: Welche Infos der Versicherer mitteilen muss

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Ein privater Krankenversicherer muss gegenüber den Kundinnen und Kunden ausreichend per Mitteilung kommunizieren, weshalb er eine Prämienanpassung vornimmt: sonst wird sie nicht wirksam. Was dies bedeutet, erläutert Rechtsanwalt Stephan Michaelis anhand eines aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofs. Wer darauf hofft, künftig auch genaueren Einblick in die Prämienkalkulation des Versicherers zu erhalten, wird aber enttäuscht.

Prämienanpassungen in der privaten Krankenvollversicherung sind immer wieder ein Streitthema. Manche Versicherer heben die Prämien in ihren Tarifen zu stark und nicht immer transparent an, so ein Vorwurf, der schon vielfach die Gerichte beschäftigte. Dabei setzten enttäuschte Versicherungsnehmerinnen und -nehmer und deren Anwälte zuletzt auf den „Begründungsjoker“: Demnach müssen sie per Mitteilung ausreichend informiert werden, weshalb die Beiträge im Tarif steigen.

Weil die Axa nicht ausreichend informiert hat, wurde sie bereits zur Rückzahlung von Beiträgen verurteilt: Viele andere Versicherungen griffen auf ähnliche Formulierungen in ihren Anschreiben zurück. Auf ein neueres Urteil des Bundesgerichtshof zu diesem Streitthema macht aktuell Stephan Michaelis von der Hamburger Kanzlei Michaelis aufmerksam (Urteil vom 14.04.2021, Az.: IV ZR 36/20).

“Treuhänderstreit“ enttäuschte viele Verbraucher

Der Umweg, höhere Prämien über eine mangelhafte Belehrung anzufechten, resultiert auch aus einer Niederlage - zumindest aus Sicht vieler Verbraucherinnen und Verbraucher. Seit 1994 schreibt der Gesetzgeber vor, dass unabhängige Aktuare den Versicherern auf die Finger schauen müssen, ob das Plus bei den Beiträgen auch gerechtfertigt ist. Bereits in einem früheren Urteil hat der 4. Zivilsenat des BGH entschieden, dass ein Zivilgericht eine Prämienerhöhung nicht deshalb für unwirksam erklären kann, weil an der Unabhängigkeit des prüfenden Treuhänders ernsthafte Zweifel bestehen.

Eine bittere Niederlage: Eigentlich sollen unabhängige Treuhänder die Versicherten vor unverhältnismäßigen und willkürlichen Prämiensprüngen schützen, da die Betroffenen selbst keinen konkreten Einblick in die Tarifkalkulation erhalten. Aber ganze 16 Aktuare sind bundesweit als Watchdogs eingesetzt. Sie erhalten teils ihr gesamtes Gehalt von ein oder zwei Gesellschaften, wie Verbraucheranwälte kritisieren: oft mehrere hunderttausend Euro. Ein Grund, weshalb eine Befangenheit der Treuhänder vermutet werden kann.

Doch diese Situation führt eben nicht dazu, dass auch das Beitragsplus für unwirksam erklärt wird, wenn sich Versicherte dagegen wehren wollen. Begründet wurde dies damit, dass eine gesonderte Überprüfung der Unabhängigkeit des Treuhänders nicht mehr durch die Gerichte stattfinden soll, wenn es um einen Rechtsstreit eines Versicherungsnehmers über eine Prämienanpassung geht. Es sei stattdessen ausreichend, dass der zustimmende Treuhänder nach den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) ordnungsgemäß bestellt worden sei. Das führt zu der abstrusen Situation, dass überhaupt nicht klar ist, wer überhaupt den Treuhändern auf die Finger schaut. Wie der Versicherungsbote bereits berichtete, halten sich weder Zivilgerichte noch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dafür zuständig.

Der „Begründungsjoker“

Allerdings gibt es eine weitere Möglichkeit, die Beitragsanpassung anzufechten. Eine solche Anpassung muss gegenüber den Versicherten begründet werden. Nicht irgendwie, sondern hierfür seien „maßgebliche Gründe“ anzugeben, so geht aus § 203 Abs.5 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) hervor. Der Versicherungsnehmer soll schließlich verstehen, weshalb seine Prämie angepasst werden muss.

Hier hatte der Bundesgerichtshof mit zwei Urteilen im Dezember 2020 zu entscheiden, was genau diese „maßgeblichen Gründe“ sind, die dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen. „Für die wirksame Prämienerhöhung muss die Begründung die Angabe der Rechnungsgrundlage enthalten, die die Veränderung der Prämien veranlasst hat. Gemeint sind mit dieser Rechnungsgrundlage etwa die Versicherungsleistung (§ 155 Abs. 3 VAG) oder die Sterbewahrscheinlichkeit. Beide Faktoren unterliegen einer jährlichen Überprüfung“, berichtet Michaelis hierzu.

Zur Erinnerung: Aktuell dürfen die Privatversicherer die Prämien nur anheben, wenn sogenannte auslösende Faktoren vorliegen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Leistungsausgaben um zehn Prozent höher sind als ursprünglich kalkuliert und wenn sich die Lebenserwartung der Versicherten derart erhöht, dass die Anbieter höhere Gesundheitskosten haben. Verändern sich diese Faktoren, muss der Versicherer die Prämien im Tarif neu kalkulieren.

Was die Begründung der Prämienanpassung enthalten muss

Was aber muss der Versicherer gegenüber den Kundinnen und Kunden kommunizieren, damit eine Prämienanpassung wirksam begründet wird? Er muss angeben, bei welcher der Rechnungsgrundlagen (Versicherungsleistung oder Sterbewahrscheinlichkeit oder beide) eine nicht nur vorübergehende Veränderung eingetreten ist, die den festgelegten Schwellenwert überschritten hat. Es reicht hingegen nicht aus, wenn der Versicherer nur wiedergibt, welche Gesetze es erlauben, den Beitrag raufzusetzen.

Diesbezüglich zitiert Stephan Michaelis aus einem Schreiben, das der Bundesgerichtshof mit einem neueren Urteil vom 14.04.2021 verhandelt hat. Und feststellte: Die Formulierung reicht nicht aus, um dem Kunden bzw. der Kundin die Rechnungsgrundlage ausreichend zu kommunizieren. Konkret heißt es in dem Schreiben:

…„Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung?

Mit Ihrer privaten Kranken-/Pflegeversicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung. In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen – und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert.

Ihr privater Krankenversicherungsschutz berücksichtigt darüber hinaus den medizinischen Fortschritt bei Diagnostik, Therapiemethoden und Medikamenten. Mit dem medizinischen Fortschritt wächst also der Umfang Ihres Versicherungsschutzes.

Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und Geschlecht.

Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet.

Neben den Leistungsausgaben beeinflussen weitere Faktoren den Beitrag:
Steigende Lebenserwartung…
Kapitalmarktsituation…
Entwicklung des Versichertenbestandes…“

Aus diesem Schreiben könne der Versicherungsnehmer nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage die konkrete Beitragserhöhung auslöste, urteilte der Bundesgerichtshof. Die obig genannte Formulierung würde lediglich darstellen, dass eine jährliche Durchführung der Prämienüberprüfung stattfand. Dem Versicherungsnehmer würde hierdurch aber nicht das konkrete Ergebnis der Überprüfung mitgeteilt.

Was muss die Mitteilung nach Ansicht des BGH nicht enthalten?

Doch wenn Kundinnen und Kunden nun auf genauere Einblicke hoffen, weshalb und in welchem Umfang sich der Beitrag erhöhen muss, werden sie enttäuscht. Denn keineswegs müssen sich die Versicherer zu genau in die Karten schauen lassen. Und so berichtet auch Michaelis, dass einige Angaben eben nicht in der Mitteilung enthalten sein müssen:

“Die Begründung muss keine Angabe darüber enthalten, welche sonstigen Faktoren die Prämienhöhe beeinflusst haben. Darüber hinaus muss der Versicherer auch nicht mitteilen, in welcher Höhe sich der prämienanpassungsauslösende Faktor verändert hat“, schreibt Michaelis. Auch wenn sich der Rechnungszins verändert habe und wesentlich die Prämie beeinflusste, müsse der Versicherer nicht darüber informieren. Der Rechnungszins ist unter anderem wichtig für die Alterungsrückstellungen: Erwirtschaftet ein Versicherer auf die eingesammelten Beiträge weniger Zinsen, muss der Beitrag im Zweifel raufgesetzt werden, um die Rückstellungen zu bilden.

Warum aber kann ein Versicherer auf diese Angaben verzichten, wenn mehr Transparenz doch wünschenswert wäre? "Die Begründung hierfür ist, dass aus der Gesetzbegründung geschlossen wird, dass der Gesetzgeber im Rahmen der VVG-Reform keine grundsätzliche Neuregelung für das Wirksamwerden einer Prämienanpassung beabsichtigt hat. Der Gesetzgeber wollte vielmehr die Mitteilungspflicht nur geringfügig erweitern. Zweck der Begründung soll lediglich sein, dass dem Versicherungsnehmer deutlich gemacht wird, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers der Grund für die Prämienerhöhung war, sondern eine bestimmte Veränderung der Umstände die Erhöhung herbeiführte", schreibt Michaelis.

Hier werde den Versicherern noch viel Freiraum gelassen, was sie kommunizieren müssen und was nicht. Zum Ärger der Versicherungsnehmer: Insbesondere müsse der Versicherer keine Plausibilitätskontrolle seiner Berechnungen ermöglichen. Das mache eine Kontrolle durch den Verbraucher selten möglich.