Einige Versicherer erhalten bis zu 3.500 Anrufe täglich. Doch die sind nicht gleichmäßig über den Tag verteilt. Die Einsatzplanung für Call-Center-Mitarbeiter wird zur Zwickmühle. Im Gastbeitrag schildert Jens Kühnapfel, CEO und Mitbegründer von virtualQ, wie Künstlicher Intelligenz dieses Problem lösen und zu mehr Kundenzufriedenheit führen kann.
Ob Mozarts ‚Kleine Nachtmusik‘ oder Smooth-Jazz-Arrangements von Richard Elliot; selbst bei eingefleischten Musikfreunden treffen solch kunstfertige Melodien auf äußerst geringes Verständnis, wenn sie aus dem Telefonhörer kommen, wo man eigentlich einen Sachbearbeiter erwartet hätte. „Bitte haben Sie etwas Geduld, Sie werden in wenigen Minuten mit einem unserer Mitarbeiter verbunden” – telefonische Ansagen wie diese kosten täglich Tausende von Anrufern Nerven. Einer Studie der Deutschen Telekom zufolge legen bereits 21 Prozent der Anrufer nach 60 Sekunden Wartezeit auf – wohl abhängig vom Musikgeschmack. Nach zwei Minuten bleiben nur noch 60 Prozent der Anrufer in der Leitung. Die, die bis zum Ende durchgehalten haben, sind entsprechend genervt und lassen ihren Frust häufig bei den Call-Center-Mitarbeitern ab. Verlierer sind Kunden und Versicherer gleichermaßen, denn die Kunden sind deren wichtigstes Asset.
Zwickmühle Einsatzplanung
Das Problem sind die Stoßzeiten, sogenannte Peaks, zu denen zahlreiche Anrufe eingehen; dann wiederum gibt es Zeiten, zu denen die Call Agents deutlich weniger ausgelastet sind. Andererseits: Werden so viele Mitarbeiter eingeplant, dass jeder Anruf zu Stoßzeiten direkt bearbeitet werden kann, ist deren Auslastung außerhalb von Peaks zu gering. So wird die Einsatzplanung zur Zwickmühle und das Dilemma ist in jedem Fall teuer: Es verursacht entweder hohe Personalkosten oder niedrige Werte bei der Kundenzufriedenheit mit resultierenden Kündigungen.
Dabei kann Software das Warten für den Kunden übernehmen; dieser kann auflegen und wird informiert, sobald ein freier Mitarbeiter zur Verfügung steht. Für die Interaktionen zwischen Anrufer und Contact-Center stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Der Kunde kann klassisch zurückgerufen werden oder nach einer Info via SMS selber zurückrufen. Aber auch über ein Web-Widget oder auch als Plugin für die Apps der Kunden steht die Anwendung zur Verfügung.
Gothaer Krankenversicherung: Bis zu 3.500 Anrufe täglich
Die Gothaer Krankenversicherung, deren telefonischer Kundenservice Fragen rund um Versicherungsleistungen im Gesundheitsbereich beantwortet, wendet diese Software bereits seit 2018 an. Dem Versicherer ist es somit möglich, die klassischen Anrufspitzen am Vormittag und nach der Mittagspause zu glätten.
Für die Krankenversicherung sind insgesamt 40 Mitarbeiter im telefonischen Kundenservice im Einsatz, wovon durchschnittlich 20-30 Mitarbeiter gleichzeitig am Telefon sind. Das Anrufaufkommen liegt bei 1.400 bis 1.500 Anrufen pro Tag, die durchschnittliche Dauer eines Telefonats (AHT, Average Handling Time) bei 4 Minuten; an Rekordtagen gehen sogar bis zu 3.500 Anrufe bei der Gothaer Krankenversicherung ein. Während das normale Anrufaufkommen gut zu bewältigen ist, lassen sich mehrere Warteminuten pro Anrufer während der Peaks kaum vermeiden. Zu den typischen Stoßzeiten kommen außerdem saisonale Spitzen als Herausforderungen bei der Einsatzplanung im Kundenservice hinzu; dazu zählen beispielsweise Grippewellen oder Urlaubsphasen. Insgesamt konnte die Gothaer so durch den Einsatz des virtuellen Warteservices bisher mehr als 80.000 Warteminuten einsparen. Die Kundenzufriedenheit, die nach jedem Telefonat mittels NPS-Verfahren (Net Promoter Score) abgefragt wird, stieg um acht Prozent.
Nachbearbeitungszeit und Beschwerdeaufkommen sinken
Zu den positiven Folgen der technologischen Lösung zählt auch die gesunkene Nachbearbeitungszeit pro Anruf. Eigene Auswertungen zeigen, dass sich die Dauer der Telefonate durch den Einsatz dieser Technologie um etwa fünf Prozent verringert. Hinter dieser Entwicklung werden zwei Hypothesen vermutet: Die Anrufer sind entspannter und zufriedener, wodurch es zu weniger Beschwerden kommt. Und nicht nur das macht die Gespräche effizienter, vermutlich gehen die Kunden auch besser vorbereitet in den Anruf, nachdem sie die Wartezeit produktiv nutzen und sich noch einmal sammeln konnten.
Auch Schweizer Versicherer zeigen Interesse: KI kommt stärker zum Einsatz, der Vertrieb profitiert
Die Technologie, kann weitaus mehr, als nur virtuell warten oder einen simplen Rückruf einstellen: Sie kann Anrufe mithilfe eines virtuellen Assistenten selbst beantworten; denn ein Teil der eingehenden Anrufe besteht aus einfachen Standardfragen, die die wertvolle Zeit der Kundenberater unnötig beanspruchen. Diese hätten stattdessen auch ein qualitativ hochwertiges Beratungsgespräch - vielleicht sogar mit Vertriebspotenzial - mit einem weiteren Anrufer durchführen können.
Solche Kundenanliegen lassen sich automatisiert unter anderem mit Hilfe der ‚Voice Automation‘ beantworten. Diese Technologie fühlt sich auch für Anrufer durchaus lebensnah und charmant an, was auch dieses Voice-Beispiel einer Reiseversicherung demonstriert:
Hörbeispiel Telefonansage Reiseversicherung
Das Ziel, eine künstliche Intelligenz zu kreieren, die wiederkehrende Fragen eigenständig beantworten kann und alle anderen Anfragen optimal für einen Ansprechpartner terminiert, wurde also erreicht. Sogar Vertriebslösungen, die speziell auf die Sales-KPIs der Versicherung zugeschnitten sind, sind machbar. Zu diesem Zweck treffen sich Entwickler ständig mit Versicherungsexperten, um herauszufinden, welche Anforderungen diese Häuser haben und wie man die Software noch genauer auf deren Ziele zuschneiden kann. Auch Märkte außerhalb Deutschlands kommen in Betracht, wie zum Beispiel die Schweiz. Viele Industrieführer wie Axa, die Mobiliar, Sanitas und andere engagieren sich über Open-Innovation-Plattformen wie Kickstart mit Startups, um neue Lösungen in Form von kommerziellen und Pilotprojekten zu schaffen und zu testen - um so das Ökosystem und die zukünftige Interaktionsweise der Kunden und sogar darüber hinaus mitzubestimmen. Bislang hat Kickstart bei der Entwicklung von über 170 Deals in Form von Proofs of Concept (PoCs) und kommerziellen Projekten zwischen Scaleups sowie staatlichen und privaten Partnern geholfen.
Über ‚virtualQ‘
Das Berliner Startup virtualQ ist der Marktführer für intelligente Warte- und Rückrufservices und hat sich mit seinen einzigartigen Lösungen auf die Optimierung der Customer Experience im Service Bereich spezialisiert. Das Unternehmen fungiert als Vorreiter, wenn es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Data Science im Service Sektor geht. Mit seinem Produktportfolio basierend aus intelligentem Warteschleifen Management (Warte- und Rückruf Management sowie Termin-Vergabe) und Sprach-Intelligenz (AI) schafft virtualQ eine kundenorientierte, digitale Service-Welt und kommt damit seiner Vision „a world without waiting” täglich einen Schritt näher.