Wie steht es um die Finanzierbarkeit der Renten? Das Gutachten des Wirtschaftsbeirats wird scharf kritisiert. Gewerkschaften und Links-Partei beziehen besonders deutlich Stellung. Wie die Rückkehr zur Rente mit 65 nach Auffassung der Linken finanzierbar wäre.
Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) legte zu Wochenbeginn ein Gutachten vor, das dem deutschen Rentensystem attestiert, in einer Sackgasse zu stecken (Versicherungsbote berichtete).
Um aus dieser ‚Sackgasse‘ herauszukommen, sei es u.a. nötig, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Andernfalls müssten die Bundeszuschüsse noch weiter steigen - was wiederum die Tragfähigkeit des Sozialsystems untergraben würde, so die Gutachter.
„Ausgemachter Blödsinn“
Allerdings findet das Gutachten nicht überall auf Beifall. Als besonders heftiger Kritiker erweist sich Matthias W. Birkwald, Rentenexperte der Linke. „Die Mär von einer nicht mehr finanzierbaren gesetzlichen Rente, die Professor Axel Börsch-Supan als Autor des Gutachtens für das Bundeswirtschaftsministerium seit Jahren faktenfrei in die Welt posaunt, ist ausgemachter Blödsinn. Der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung liegt mit 18,6 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 1993“, so Birkwald. Das Drohszenario einer langfristig nicht mehr finanzierbaren Rente hält er für „komplett unseriös“. Um diese Auffassung zu belegen, verweist der Politiker auf den aktuellen EU-Altersreport. Daraus würde hervorgehen, dass die Rentenausgaben in Deutschland bis 2045 moderat von zehn auf zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, und bis 2070 konstant bleiben. Das sei EU-Durchschnitt und verkraftbar, so Birkwald, der auch auf die Nachbarn in Österreich verwies, die heute schon 13 Prozent ihres BIP für „eine gute Rente“ ausgeben.
„Die Rente erst ab 68 hieße für viele ‚Arbeiten bis zum Umfallen‘, denn jeder fünfte Mensch stirbt hierzulande vor seinem 69. Geburtstag. Bei den Niedrigverdienenden sieht es noch schlimmer aus“, begründete Birkwald die ablehnende Haltung seiner Partei gegenüber einer Anhebung des Rentenalters. Rückendeckung gab es dafür auch vom Fraktionsvize Dietmar Bartsch: „Die Rentenalter-rauf-Union will Menschen ihre hart erarbeitete Rente vorenthalten. Das ist staatlicher Rentenklau.“
Die Linke will stattdessen eine Rückkehr zur Rente ab 65 (Versicherungsbote berichtete). Diese wäre mit einer Beitragssatzerhöhung von 0,5 Prozentpunkten finanzierbar, ist sich Birkwald mit Verweis auf die Deutsche Rentenversicherung sicher. „Der steuerfinanzierte Bundeszuschuss würde um gut eine Milliarde Euro steigen. Dazu müsste nur die für das kommende Jahr geplante Erhöhung des Verteidigungshaushalts um 2,4 Milliarden Euro gestrichen werden.“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) keilte gegen das Gutachten des Beirats. Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, sagte gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, dass es sich bei dem Gutachten um politische Propaganda handeln würde. Der Beirat wolle „Renten drastisch kürzen, Sozialstaat abbauen und Alterssicherung privatisieren; all das, um Arbeitgeber massiv zu entlasten“.
Immerhin: Einen positiven Aspekt konnten auch die Linken dem Gutachten abgewinnen: Das vom wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagene ‚Degressiv-Modell‘, mit dem sehr hohe Rentenansprüche abgeflacht werden würden, sei eine gute Idee.