Neben der Corona-Pandemie bestimmen Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz die Schlagzeilen. Raphael Bruß und Michael Schwienhorst (Versicherung der Zukunft) untersuchten in Befragungen, was genau unter 'Nachhaltigkeit' verstanden wird. Heute Teil II ihrer fünfteiligen Beitragsreihe.
Um zu verstehen, wo sich nachhaltige Kunde tummeln, sollten wir uns mit der Internetnutzung – insbesondere des Smartphones - beschäftigen. 92 Prozent der deutschen Haushalte befriedigen regelmäßig ihre Informationsbedürfnisse im Internet. Die meisten Inhalte werden auf den relevanten sozialen Netzwerken konsumiert. Beispielsweise schafft es Instagram mit 65 Prozent wöchentlicher Nutzung bei den 14- bis 29-Jährigen auf die Poleposition der jüngsten Zielgruppe.
Nachhaltige Themen wie Politik, Geschlechtergerechtigkeit, Bildung, Gesundheit und Ernährung sind weit verbreitetet in den sozialen Netzwerken und für die genannte Altersgruppe von entscheidender Bedeutung. Schaut man sich auf Instagram-Kanäle für nachhaltige Themen wie „Fridays for Future Deutschland“ (500k), „Greenpeace Deutschland“ (360k) und „Ecosia“ (395k) um und vergleicht diese mit großen deutschen Versicherern wie „Allianz Deutschland“ (82,3k), „Ergo“ (4,4k), „HDI“ (1,7k) erkennen wir, dass Kanäle mit vermeintlich nachhaltigen Themen spannender sind als Versicherungen. Jetzt sagen bestimmt einige Personen, „der Vergleich hinkt doch“ oder „es werden Äpfel mit Birnen verglichen“ – das stimmt schon in gewisser Weise, aber wir sind der Meinung, dass „der Blick über den Tellerrand“ für die Zielgruppenansprache relevant sein kann. Um zu verstehen, welche Arten von nachhaltigen Personas es gibt, beschreiben wir in „Teil III: grüne Versicherungsprodukte – Nachhaltigkeit ist, wenn am Ende ein Baum gepflanzt wird!“ unserer Reihe.
Wie erhalten Versicherer die Aufmerksamkeit von den nachhaltig eingestellten Personen?
Die Antwort darauf hat Bill Gates bereits im Jahre 1996 gegeben: „Content is king“. Wer also das Interesse wecken möchte, sollte möglichst relevante Inhalte mit nachhaltigem Mehrwert generieren. Gleichzeitig sollte dieser Content Vertrauen in die Versicherungsmarke und -produkte schaffen. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass 78 Prozent unserer Befragten, die Unternehmen und Produkte unterstützen, welche auch mit den eigenen ökologischen und sozialen Wertevorstellungen in Einklang stehen. Somit wird auch von den Versicherungsgesellschaften eine Rolle in der Gesellschaft erwartet, die über das bloße Angebot von Produkten hinausgeht. Hier erscheint ein GDV-Standard für Versicherungsgesellschaften und/ oder Produktebene was Nachhaltigkeit umfasst, enorm hilfreich. Einfache, an den Kunden adressierte Indikatoren generieren „automatisch“ Nachhaltigkeitscontent, wenn diese bspw. auf der Homepage oder auf den Social Media-Kanälen veröffentlicht werden. Die vom GDV identifizierten Nachhaltigskeitsbereiche sind:
- Kapitalanlage
- Risiken
- Produkte und Schadenregulierung
- Transparenz, Forschung und Wissenstransfer.
Jetzt haben wir die Aufmerksamkeit der nachhaltigen Personen – und nun?
Nachhaltige Follower führen nicht zwangsläufig zu mehr nachhaltigen Versicherungsnehmern. Die Frage lautet also umgekehrt: Wann beschäftigen sich nachhaltige Menschen mit dem Thema Versicherungen? Wenig überraschend sind Versicherungen für die genannte Altersgruppe eher ein leidiges Thema: Die Mehrheit unserer Befragten gaben an, dass sie sich nur dann mit Versicherungen beschäftigen, wenn sie müssen. Für 90 Prozent der Befragten sind Pflichtversicherungen oder „der Rat der Eltern“ (72%) der Anlass (eine Mehrfachnennung war übrigens möglich). Ein Drittel der Befragten gaben anschließend preis, via Suchmaschinen direkt nach dem Versicherungsprodukt zu suchen. Der Suchmaschinenoptimierer ihres Vertrauens ist nun gefordert.
Bedeutet so viel: Die Versicherungsgesellschaften, Vermittler und Makler, die für die relevanten Suchbegriffe einfach zu finden sind und gleichzeitig durch nachhaltigen Content das Interesse gewinnen, haben wahrscheinlich auch einen nachhaltigen Kunden mehr. Diese einfachen Zusammenhänge scheinen allerdings überschaubar bekannt zu sein. Auf Bing, Ecosia und DuckDuckGo haben wir für die nachhaltigen Basisprodukte (Hausrat & Haftpflicht) im Testzeitraum durchschnittlich Position 3 inne gehabt …mit 9€ Tagesbudget.
Jetzt haben wir die Informationsquellen der nachhaltigen Kunden identifiziert, aber wie sieht es mit der Abschlussbereitschaft aus? Was sind die Abschlusskriterien für eine Versicherung eines nachhaltigen Kunden? Und wie sieht es mit der Zahlungsbereitschaft für mehr Nachhaltigkeit aus?
Beginnen wir mit dem wohl unwichtigsten Kriterium aus unserer Umfrage: Das Image des Versicherungsunternehmens hat laut den Befragten den geringsten Einfluss auf den Abschluss einer Versicherung. Heißt im Klartext: Die Versicherung kann noch so schlecht dastehen, sobald die nachfolgenden Kriterien passen, ist ein Versicherungsabschluss nicht unwahrscheinlich.
Im Mittelfeld landen Kriterien wie Verfügbarkeit (wie einfach ist der Abschluss einer Versicherung), der erwartete oder wahrgenommene Service rund um den Abschluss einer Versicherung (Beratungsleistung) sowie die erkennbaren Produkteigenschaften (Versicherungsschutz, Dauer der Versicherung).
Der Preis ist heiß - Mehr Nachhaltigkeit? Ja, aber bitte kostenlos!
Etwas provokativ formuliert, passt es jedoch auch für nachhaltig eingestellte Kunden ganz gut. Eines der wichtigsten Abschlusskriterien für eine Versicherung ist der Preis, auch für unsere befragten Personen. Mit diesem Ergebnis stehen wir nicht ganz alleine da. In diesem Jahr wurden dazu bereits zwei Studien veröffentlicht, die sich u. a. mit dem Thema Zahlungsbereitschaft für nachhaltigere Versicherungen beschäftigten.
Laut Heute & Morgen liegt die Wechselbereitschaft zu nachhaltigen Versicherungsanbieter bei 70 Prozent, wobei eine höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte nur bei 15 Prozent - und somit sehr niedrig - liegt. Das Marktforschungsunternehmen Rothmund Insights ist der Meinung, dass sich die Abschlusskriterien in Zukunft jedoch verschieben werden. Kunden werden zukünftig entsprechend ihres Konsumverhaltens auch mehr Bereitschaft zeigen, für eine nachhaltige Versicherung tiefer in die Tasche zu greifen. Umgekehrt können nachhaltige Versicherungsprodukte auch günstiger sein, als konventionelle. Wenn Sie sich fragen, wie das sein kann, verweisen wir auf Teil V: Gewinne der Versicherungsunternehmen – Ein Dilemma oder Teil der Lösung?
Kurz zusammengefasst kann man also sagen, die nachhaltig aktiven Personen sind in der Gegenwart preisbewusst, und bleiben dies auch in Zukunft. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch, dass viele Produkte in den Produkteigenschaften nur marginal zu unterscheiden sind bzw. der Preis tatsächlich der einzige Unterschiedsfaktor ist. (Wir möchten nichts vorwegnehmen, aber im Teil III: grüne Versicherungsprodukte – Nachhaltigkeit ist, wenn am Ende ein Baum gepflanzt wird! werden wir uns ausführlich mit den Produkteigenschaften von nachhaltigen Versicherungen befassen.)
Wenn also für den Kunden die Tarife und Bedingungen kaum zu unterscheiden sind und auch bei vielen Versicherungen im Preis identisch sind, was leitet den Kunden entsprechend dazu, eine für ihn passende Versicherung abzuschließen? Unsere Befragten sind klar der Meinung: Durch Vertrauen und Transparenz!
Zu diesem Ergebnis kommt auch die Umfrage von Sopra Steria, die herausgefunden hat, dass für fast die Hälfte der Befragten (48 %) das Thema Transparenz ein besonders wichtiges Abschlusskriterium von Versicherungsprodukten ist.
Jetzt wissen wir also, wo wir die nachhaltigen Kunden finden. Wir wissen, wo sie sich über Versicherungen informieren. Außerdem wissen wir auch, das Vertrauen und Transparenz die wichtigen Abschlusskriterien für diese Kunden sind.