Lebensversicherer ächzen unter dem Niedrigzins. Aber krankt das Geschäft auch an Corona? Ein erster Markausblick gibt sich „verhalten“ optimistisch.
Lebensversicherer ächzen unter dem Niedrigzins. So wird der Höchstrechnungszins ab 2022 den historischen Tiefstand von 0,25 Prozent erreichen – unter den marktüblichen Bedingungen ist dann nicht einmal mehr ein Erhalt der eingezahlten Beiträge für den Kunden möglich (Versicherungsbote berichtete). Das wüste Niedrigzinsumfeld zwingt die Versicherer zum Entwicklen neuer Produkte ohne Zinsgarantien (Versicherungsbote berichtete). Dieses Problem freilich ist schon länger bekannt.
Ein aktueller Marktausblick aus dem Hause Assekurata aber fragt auch nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Branche. Hierfür wurden aktuelle Kennzahlen aus dem Jahr eins von Corona – 2020 – ausgewertet, um Aussagen für die weitere Entwicklung der Lebensversicherung in 2021 zu treffen. Und der Ausblick lässt zumindest mit Blick auf die Pandemie hoffen: Wenngleich sich bestehende Probleme des Niedrigzins noch verschärfen könnten, kamen die Lebensversicherer bisher gut durch die Krise.
Prämieneinnahmen halten das hohe Vorjahresniveau
Das zeigt sich zunächst mit Blick auf Wachstum und Stornoquoten. In 2020 gab es zwar kein wirkliches Wachstum bei den Prämieneinnahmen, im Gegenteil: Die Prämien gingen um geringe 0,1 Prozent zurück. Denn in 2019 verbuchte die Branche noch 99,5 Mrd. Euro an Bruttobeiträgen und hatte dann in 2020 insgesamt 99,4 Mrd. Euro in den Büchern stehen. Allerdings gab es zwischen 2018 und 2019 das enorme Prämienwachstum von 10,1 Prozent. Die Branche hat mit Blick auf die gebuchten Bruttoprämien also keinen Grund zur Klage. Vielmehr darf das Halten des hohen Prämienniveaus durchaus als Erfolg gefeiert werden.
Der Erfolg verdankt sich in 2020 auch steigenden Einnahmen für Verträge gegen Einmalbetrag. Denn Einmalbeiträge wuchsen in 2020 von 36,8 Mrd. Euro auf 37,3 Mrd. Euro. Laufende Bruttobeiträge hingegen gingen leicht zurück – von 62,6 Mrd. Euro in 2019 auf 62,1 Mrd. Euro in 2020.
Stornoquote fast unverändert
Ein leichtes Minus gab es auch bei der Zahl der Verträge – hielt die Branche in 2019 noch 87,1 Mio. Verträge, schrumpfte die Zahl um geringe 1,3 Prozent und liegt in 2020 bei 86,0 Mio. Verträgen. Die Stornoquote in 2020 ist zwar angestiegen, aber auch hier nur leicht: von 4,5 Prozent auf 4,7 Prozent der laufenden Beiträge. Eine befürchtete Kündigungswelle in der Lebensversicherung durch Corona blieb also bisher aus: Die Bestände haben sich – so die Experten von Assekurata – als „erstaunlich robust“ erwiesen.
Größte Corona-Auswirkungen in der Kapitalanlage
Mehr zu schaffen als Stornoquoten und Bestand machen den Versicherern da schon die Verwerfungen an den Börsen. So stürzte der Deutschen Aktienindex (DAX) aufgrund der Pandemie im Frühjahr 2020 um 5.000 Punkte ab und landete bei einem Mehrjahrestief von 8.256 Punkten (Versicherungsbote berichtete). Und sogar der Jahresmittelwert des Null-Kupon-Euro-Zinsswapsatzes, der wichtig ist zur Berechnung des Referenzzinses für die Zinzzusatzreserve (ZZR), rankte kurzzeitig bei -0,16 Prozent.
Die gröbsten Verwerfungen waren aber nur vorübergehend. Deutschlands wichtigster Index holte zügig den verlorenen Boden wieder auf und liegt – mit Stand vom 2. Juli 2021 – bei über 15.600 Punkten. Auch der Jahresmittelwert des Null-Kupon-Euro-Zinsswapsatzes liegt aktuell im positiven Bereich.
Jedoch sinkt und sinkt der Referenzzins – von 3,15 Prozent in 2014 über 2,09 Prozent in 2018 auf 1,73 Prozent in 2020. Demnach sind derzeit Bestände mit einem Rechnungszins ab 1,75 Prozent aufwärts von der Zinszusatzreserve betroffen und müssen auf den Referenzzins nachreserviert werden.
Corona-Effekte haben die Zinsen weiter nach unten gedrückt
Die Experten von Assekurata gehen davon aus, dass Corona-Effekte die Zinsen weiter nach unten gedrückt haben und der kurzfristige Zinsanstieg nur eine Momentaufnahme ist. Lebensversicherer legen noch immer den größten Teil ihrer Gelder in festverzinslichen Anlagen an – auch, weil gesetzliche Vorgaben dies noch immer fordern:
- 83,2 Prozent hat die Branche in festverzinslichen Anlagen liegen – auch, weil der Gesetzgeber noch immer Sicherheit auf Kosten der Rendite fordert.
- Nur 1,9 Prozent der Branchengelder liegen in Aktien.
- 6,8 Prozent der Branchengelder werden in Immobilien investiert.
- Hinzu zum Deckungsstock- Portfolio kommen 3,0 Prozent alternative Investments, 2,9 Prozent Beteiligungen und 2,1 Prozent einer Sammelkategorie Sonstiges.
Neue Gefahren bei Unternehmensanleihen
Zu den niedrigen Zinsen für sichere Anlagen kommen neue Risiken hinzu, die direkt auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind. Das betrifft zum Beispiel Unternehmensanleihen. Eine Umfrage von Assekurata unter 26 Asset-Managern zeigt die große Bedeutung von Unternehmensanleihen fürs die Neuanlage. Allerdings stehen viele Unternehmen und Branchen unter Druck. Das birgt die Gefahr von Herabstufungen und Ausfällen.
Als geringer wird die Gefahr einer platzenden Immobilienblase angesehen – einzig Immobilienpreise für den Einzelhandel und für Büros könnten im Zuge der Corona-Krise sinken. Auch Immobilien sind als Anlageklasse für Lebensversicherer keineswegs irrelevant: Über sie streben die Unternehmen eine Diversifizierung der Portfolios an. Aber auch Anlagen in Infrastruktur oder Privat Debt (private Anleihen) sind hierbei von Bedeutung.
Manager fürchten neue Corona-Mutationen… und die Bundestagswahlen
Mehr als das Platzen der Immobilienblase fürchten die Manager neue Mutationen des Corona-Virus, die wieder zu Verwerfungen an den Märkten führen könnten. Aber auch politische Veränderungen im Zuge der Bundestagswahl, die zum Nachteil der Branche werden können, erfüllen die Versicherer mit Unruhe.
Ausblick: Verhalten positiv
Mit Blick auf das Bestandswachstum ist der Marktausblick der Experten von Assekurata „verhalten positiv“. Allerdings gestehen die Experten ein, dass ein Wachstum 2021 stark von wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen geprägt sein wird.
Positiv auf das Geschäft könnte sich eine konjunkturelle Erholung und eine Tendenz zur Konsumnachholung auswirken. Aber auch Schlusskauf-Effekte vor 2022 könnten den Umsatz nochmal ankurbeln. Denn da mit dem Absinken des Höchstrechnungszinses auf 0,25 Prozent nicht mal mehr die eingezahlten Beiträge garantiert werden können, rechnen die Experten mit einem weitgehenden Umbruch beim Produktangebot. Das könnte bis zum Jahreswechsel noch einmal einen Run auf Produkte der Klassik befördern.
Teile von Riester und bAV vor dem Aus
Ansonsten aber wird das Geschäft der Lebensversicherer weiterhin auch ein Kampf gegen den Niedrigzins sein und die Zinszusatzreserve wird weiterhin auch die Rohüberschüsse belasten (Versicherungsbote berichtete). Zumal negativ zu werten ist, dass mit dem Absinken des Höchstrechnungszins auf 0,25 Prozent auch Teile der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) und Riester vor dem Aus stehen.
Hintergrund: Der Assekurata-Marktausblick zur Lebensversicherung ist schon jährliche Tradition. Aktuell ist der Marktausblick 2021 der Rating-Experten erschienen. Eine Presseerklärung zur Studie ist auf der Webseite des Analysehauses erschienen. Hier ist auch der Kontakt angegeben, unter dem man die komplette Studie gegen eine Schutzgebühr bestellen kann.
Weitere Kennzahlen zur Lebensversicherung haben wir unter einer neuen Rubrik zusammengefasst.