Im Chempark, einem der größten Chemieparks in Europa, kam es am Dienstag zu einer Explosion. Solche Anlagen haben es schwer, passenden Versicherungsschutz zu bekommen.
Aus bisher unbekannter Ursache kam es Dienstagmorgen im Entsorgungszentrum Bürrig zu einer Explosion und einem anschließenden Brand. Bis zum Mittag konnten Werks- und Berufsfeuerwehr die Flammen unter Kontrolle bringen. Traurige Gewissheit nach den Löscharbeiten: Mindestens zwei Menschen starben, 31 Mitarbeitende wurden verletzt und fünf werden noch vermisst, teilte Chempark mit. „Meine Gedanken sind bei den Verletzten und Angehörigen. Die Suche nach den Vermissten läuft weiter auf Hochdruck. Leider schwindet die Hoffnung, sie lebend zu finden zusehends”, so Chempark-Leiter Lars Friedrich.
Einem Polizeisprecher zufolge, soll eine erste Begehung mit Sachverständigen und Verantwortlichen des Chemparks am Donnerstag beginnen. Erst danach kann auch geklärt werden, welche Inhaltsstoffe die Rauchwolke enthielt, die sich nach dem Unglück über mehrere Stadtteile ausdehnte. Bis dahin sollen Menschen in den betroffenen Gebieten keine Nahrungsmittel aus dem eigenen Garten verzehren und Plätze, an denen Rußpartikel niedergegangen sind, meiden.
Schwer versicherbar: Brandrisiko Abfallwirtschaft
Brandereignisse in der Abfall- und Entsorgungswirtschaft häufen sich, stellte der Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Loeben (Österreich) bereits 2018 fest. Diese Häufung wirkt sich auch auf den Versicherungsschutz aus. So heißt es in einer Ausarbeitung des Lehrstuhls: „Das aktuell größte Problem stellen jedoch Risiken im Bereich der Sachschäden dar, weil Versicherungen aufgrund der steigenden Schadenszahlen und Schadensaufwände ihre Bereitschaft abfallwirtschaftliche Betriebe zu versichern, reduzieren (u.a. Buser 2016, Ecker 2017). Diese Entwicklung führt letztlich dazu, dass der Versicherungsverlust einzelner sich als schwerwiegendes Risiko für die gesamte Branche erweisen kann und zukünftig adäquater Versicherungsschutz (wenn überhaupt) nur unter enorm steigenden Auflagen, höheren Prämien und Selbstbehalten erreicht werden kann.“
Diese Entwicklung beobachtet auch Elmar Sittner aus Leipzig. Er ist Risikomanager und Versicherungsberater; hat sich auf die Entsorgungs- und Recyclingbranche spezialisiert und blickt auf über 30 Berufsjahre in der Versicherungsbranche zurück. In einem sehr lesenswerten Interview mit EU-Recycling äußerte sich der Experte zu den Problemen der Abfallwirtschaft mit Versicherern.
„Es gibt nur noch sehr wenige Versicherer, die hier Versicherungsschutz bieten. Aus dem Ausland bekommt man im Moment kaum Entlastung“, so Sittner. Der Risikomanager und Versicherungsberater sagte auch, dass ein Feuerschaden in einem großen Müllheizkraftwerk durchaus 300 oder 400 Millionen Euro (inklusive Betriebsunterbrechung) kosten kann. Zudem gibt es kaum noch Versicherer, die auch bei relativ kleinen Anlagen dieser Betriebsart Zeichnungsquoten von mehr als 20 bis 30 Prozent eines Risikos zur Verfügung stellen, so Sittner. „An den Policen unserer Kunden sind im Minimum vier, manchmal auch fünf bis sechs Versicherer beteiligt“, so der Experte.
Doch selbst bei Konsortial-Lösungen ist Ärger nicht immer ausgeschlossen, wie ein Fall aus diesem Jahr zeigt, über den Sittner auf seiner Webseite ausführlich berichtet. Auch dort kam es zu einem großen Feuerschaden bei einem Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Axa und Gothaer, so schildert Sittner, setzten sich allerdings über verbindliche Schiedsgerichtsvereinbarungen in Form eines Sachverständigenverfahrens hinweg und fühlten sich auch nicht mehr an die Entscheidungen des führenden Versicherers (Allianz) gebunden.
Bleibt zu hoffen, dass sich ähnliches im aktuellen Fall nicht wiederholt.