Nach der verheerenden Flutkatastrophe meldet sich nun der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mit einem Positionspapier zu Wort. Der Verband schlägt Maßnahmen vor, wie mehr Hausbesitzer mit einer Elementarschaden-Police vorsorgen können. Dabei greifen die Verbraucherschützer nicht sofort die Idee einer Pflichtversicherung auf: erst soll evaluiert werden, ob die Allgefahrendeckung auch über den Markt geregelt werden kann. Das aber erfordert einen weitreichenden Eingriff ins Versicherungsvertragsgesetz.
Die verheerende Flutkatastrophe in West- und Mitteleuropa ist ein wenig aus den Schlagzeilen verschwunden: Doch die Menschen in den betroffenen Regionen werden noch lange unter den Folgen zu leiden haben. Viele verloren nicht nur Angehörige, sondern stehen auch vor den Ruinen ihrer Existenz, nachdem Häuser weggespült wurden oder unbewohnbar geworden sind. Das hat auch die Debatte um eine Pflichtversicherung für Elementarschäden neu entfacht, denn nur sie zahlt, wenn die Fluten das Gebäude beschädigen.
Mit einem Positionspapier hat sich nun der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in diese Debatte eingeklinkt: auch er sieht die Notwendigkeit, dass deutlich mehr Haus- und Wohnungsbesitzer einen solchen Elementarschutz benötigen. Nicht einmal jedes zweite Haus in den von den Fluten betroffenen Regionen war abgesichert. Dabei fordert der Dachverband der Verbraucherzentralen nicht sofort eine Versicherungspflicht: auch, weil man Eingriffe in die Grundrechte abwägen wolle.
Eingriff ins Versicherungsvertragsgesetz
Statt sofort eine Versicherungspflicht einzuführen, schlägt der vzbv ein stufenweises Verfahren vor. Begleitet von einer Informationskampagne soll zunächst das Leitbild einer Allgefahrenabsicherung (einschließlich sämtlicher Naturgefahren) für die Wohngebäudeversicherung im Versicherungsvertragsgesetz festgeschrieben werden. Soll heißen: Jede angebotene Wohngebäudeversicherung muss auch einen Elementarschutz in bestimmten Umfang beinhalten. Die Hausbesitzer haben aber die Option, diesen Baustein aktiv abzuwählen. „Der Risikoschutz müsste jedoch auf sämtliche Naturgefahren erweitert werden“, schreibt der Verband.
Wenn auch keine Elementarpflicht, so wäre dies doch ein Eingriff, wie die Versicherer ihre Wohngebäude-Policen zu gestalten haben. Und das erfordert auch, dass bestehende Verträge angepasst werden müssten: auch mit hohem bürokratischen Aufwand. „Versicherer sollten eine Umstellung der Altverträge auf die neuen Versicherungsbedingungen unterstützen müssen. Hierzu sollten sie Verbrauchern in verständlicher Art und Weise beide Produktvarianten unter Darstellung der jeweiligen Versicherungsprämien erläutern und ihnen eine angemessene Frist zur aktiven Entscheidung für eine Produktvariante eingeräumt werden müssen“, schreibt der vzbv. Werden die Verbraucher nicht aktiv und antworten, müsse eine Umstellung auf die Allgefahrenabdeckung erfolgen.
Ziel: bundesweit 80 Prozent Marktabdeckung
Ziel ist es, eine bundesweite Marktabdeckung mit Elementarschutz von 80 Prozent zu erreichen: aktuell liegt sie noch bei rund 46 Prozent. Ohne Eingriffe sei eine Besserung nicht in Sicht, gibt der vzbv zu bedenken: Es gebe also keine Hinweise, dass die Zahl der abgesicherten Häuser steigen wird. Auch deshalb wird ein weitreichender Eingriff ins Versicherungsvertragsgesetz vorgeschlagen. Begleitet werden solle die Reform durch eine umreichende Informationskampagne: Wober der Verband offen lässt, ob er hier den Staat, Bundesländer oder die Versicherer in der Pflicht sieht.
Zwei Jahre nach Einführung der Allgefahrenabdeckung solle dann evaluiert werden, ob diese Maßnahme ihre Wirkung entfaltet hat. „Sollte sich herausstellen, dass es für bestimmte Verbrauchergruppen [in der höchsten Hochwasser-Gefährdungszone ZÜRS4 oder nach Eintritt eines Schadens - Anm. Verfasser] mit erheblichem Aufwand verbunden ist, Versicherungsschutz zu erlangen, die Versicherungsprämien so abschreckend hoch sind, dass der Versicherungsschutz abgewählt wird oder die Verbreitung der Absicherung nicht mindestens 80 Prozent erreicht, wird die Einführung einer Versicherungspflicht notwendig“, schreibt der vzbv.
Zusätzlich fordert der Verband einen finanziellen Ausgleichsmechanismus, damit die Hausbesitzer in besonders bedrohten Gebieten nicht finanziell überfordert werden. Der Verband geht davon aus, dass Prämiensteigerungen bis zu 30 Prozent durch eine solche Pflicht möglich sind. „Dabei müssen die sozio-ökonomischen Belastungen untersucht und insbesondere Belastung der Mieter vermieden werden“, heißt es im Papier. Eine Option, die Prämien zu begrenzen, seien auch Selbstbehalte.
Versicherungswirtschaft lehnt Pflichtversicherung ab
Die Versicherungswirtschaft spricht sich gegen eine Pflichtversicherung für Elementarschäden aus. Die Begründung: Diese könnte Fehlanreize setzen, in besonders Hochwasser-gefährdeten Regionen zu bauen und auch den Hochwasserschutz zu vernachlässigen. Eine Versicherungspflicht gibt es aktuell beispielsweise in Frankreich und in vielen Kantonen der Schweiz. Gleichwohl hat Joachim Wenning, Chef des Naturkatastrophen-erfahrenen Rückversicherers Munich Re, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung bestätigt, dass die privaten Versicherer eine solche Pflicht grundsätzlich stemmen könnten. Auch viele Politiker sind aktuell offen für eine Elementarschaden-Pflichtversicherung.