Die Schreie nach Staatshilfen und einer Pflichtversicherung sind nach den jüngsten Hochwasserkatastrophen wieder besonders laut zu hören. Viele Bundesbürger würden einer Pflichtversicherung zustimmen. Aber einige Probleme sind schlicht hausgemacht und könnten behoben werden.
Sollen sich Hausbesitzer verpflichtend gegen Elementargefahren wie Hochwasser und Schneedruck versichern müssen? Diese Debatte erhält nach den verheerenden Hochwasserschäden im Juni neue Nahrung. Doch die Debatte um die Pflichtversicherung gibt es schon seit Jahren. Vor vier Jahren (2017) hatte die Verbraucherzentrale Sachsen dazu eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Demnach stimmten mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der Deutschen der Aussage zu: „Sollen private Hauseigentümer in der Wohngebäudeversicherung auch für Naturgefahren immer einen Versicherungsschutz einschließen und erhalten müssen?“. 12 Prozent stimmten mit „nein“, 21 Prozent enthielten sich.
Umfrage zeigt hohe Zustimmungsquote
In allen Bundesländern lag die Zustimmungsquote bei über 60 Prozent, berichtete die Verbraucherzentrale in einer Pressemeldung. Die meisten Ja-Stimmen habe es in Nordrhein-Westfalen (71,1 Prozent) und Sachsen/Thüringen gegeben (69,2 Prozent). "Für die Politik sollte dieses klare Ergebnis ein Beleg dafür sein, dass die Bürger bereit sind, im Interesse des Gemeinwohls einen Eingriff in ihre Privatautonomie zu akzeptieren", interpretierte Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, das Ergebnis.
Generell bietet eine private Wohngebäudeversicherung allein keinen Schutz für Naturgefahren wie Hochwasser. Hierfür muss eine extra Elementarschadenversicherung abgeschlossen werden, die häufig als Zusatzbaustein zu einer Wohngebäude-Police, aber auch separat angeboten wird. Haushalte können sich mit einer solchen Police gegen Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Erdsenkung oder Erdrutsch, Schneedruck, Lawinen und sogar einen Vulkanausbruch absichern lassen.
Ob ein Hausbesitzer eine Elementar-Police erhält und zu welchem Preis, richtet sich auch nach der Einordnung in das „ZÜRS Geo“-Zonierungssystem der Versicherer, das über 21 Millionen Adressen ausweist. Vier Gefährdungsklassen geben Auskunft darüber, wie groß das Hochwasser-Risiko einer Adresse ist, abhängig von Schadensereignissen.
Marktversagen der Versicherer oder Geiz-ist-Geil-Mentalität?
Der Petitionsausschuss des Bundestages warf den Privatversicherern schon Anfang 2015 „klassisches Marktversagen“ vor, weil sie für das existentielle Risiko, dass eine Familie ihr komplettes Hab und Gut verliert, keine ausreichende Elementar-Absicherung bieten können oder wollen. Die Versicherungswirtschaft warnt derweil regelmäßig davor, dass viele Immobilien nicht gegen Risiken wie Hochwasser und Überschwemmung abgesichert sind. Denn eine entsprechende Elementarschadenversicherung haben nur 45 Prozent der Gebäude. Dabei ist der Schutz von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden verteilt. In Baden-Württemberg sind 94 Prozent der Häuser gegen Elementarschäden versichert - in Bremen als Schlusslicht nur 22 Prozent. Gleichzeitig argumentiert der der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dass für 99 Prozent der Häuser in Deutschland ein Schutz möglich sei.
Doch speziell in den hohen Gefährdungsklassen 3 und 4 erhalten Hausbesitzer kaum eine Versicherung oder nur zu unerschwinglichen Preisen, klagt der Verbraucherschutz. Das betreffe vor allem jene Gebiete, die in den letzten Jahren von Hochwasser heimgesucht worden. Der GDV erklärt dazu: „Auch die verbleibenden, besonders gefährdeten Häuser können fast alle mit Selbstbehalten oder nach individuellen baulichen Schutzmaßnahmen versichert werden.“
Wohngebäudeversicherung: Elementarschadenversicherung? Ist mir zu teuer!
Die Frage des Preises muss definitiv gestellt werden. Ist ein Elementarschutz für ein Haus im Wert von 300.000 Euro einen jährlichen Beitrag von beispielsweise 1.000 Euro wert? Ist das zu viel? Bei einem Auto sind Beiträge von über 1.000 Euro für eine Vollkasko-Versicherung dagegen kein Problem. Sparen Verbraucher vielleicht auch am falschen Ende?
Fakt ist aber auch: Viele Bürger wissen nicht, dass ihr Haus versicherbar gewesen wäre. Denn sie verlassen sich auch auf die Aussagen ihres Vermittlers. Wenn dieser nun an eine Versicherung gebunden ist und dieses Unternehmen den Schutz nicht bieten kann, müsste der Vertreter den Kunden zu einem anderen Versicherer schicken. Das passiert in der Realität doch höchstselten.
An dieser Stelle könnte der GDV wiederum Abhilfe schaffen. Per Online-Datenbank könnten die Daten aller Wohngebäude- und Hausratversicherer zusammenfließen und für jede Adresse in Deutschland alle Versicherer aufführen, die einen Versicherungsschutz für Elementarschäden anbieten. Mit Hilfe dieser Datenbank könnte auch eine verbindliche Rechtsgrundlage geschaffen werden. Ob ein bezahlbarer Versicherungsschutz tatsächlich erhältlich ist oder gewesen wäre, könnten Verbraucher und Vermittler damit gleichermaßen schnell erfahren. Mit dieser Datenbank könnte übrigens auch über Staatshilfen entschieden wären. Denn aktuell fischen die Bund und Länder noch im Trüben, wenn es um die Versicherbarkeit geht. Wer, wie und was nachweisen muss, um die volle Hilfszahlungen zu bekommen, wenn diese an die Versicherbarkeit gekoppelt sind, ist völlig unklar.