Allianz will Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit zwingen

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Die Allianz ist einer der größten deutschen Investoren: und sucht aktiv das Gespräch mit Unternehmen, um sie zum nachhaltigeren Wirtschaften zu zwingen. Das berichtet Andreas Lindner, Chefanleger der Allianz Leben und Allianz Kranken, in einem Interview mit „Reuters“. Die Pläne: ehrgeizig. Man wolle die Wirtschaft umbauen, nicht das eigene Portfolio.

Als größter Versicherer Europas ist die Allianz auch eine Macht in Sachen Investment. Und diesen Einfluss wollen die Münchener verstärkt nutzen, um die Firmen, in die man investiert, zum nachhaltigeren Wirtschaften zu zwingen. Das sagt zumindest Andreas Lindner, Chefanleger bei den Lebens- und Krankenversicherungs-Töchtern der Allianz.

"Wir wollen die Transformation zu einer CO2-armen Wirtschaft mit unserer Anlagepolitik aktiv vorantreiben", sagte Lindner der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Und weiter: „"Wir wissen, dass wir als großer institutionelle Anleger Einfluss darauf nehmen können, wie Unternehmen produzieren. Es geht uns weniger darum, unser Portfolio zu verändern - vielmehr sollen sich die Unternehmen verändern, in die wir investieren."

Lindner verantwortet bei der Allianz Leben rund 300 Milliarden Euro an Kapitalanlagen und damit mehr als ein Drittel der 800 Milliarden Euro, die der Konzern im Versicherungsgeschäft anlegt. Rechnet man auch das Asset Management hinzu, summiert sich das für Dritte verwaltete Vermögen der Allianz Gruppe nach eigenen Angaben gar auf 1.712 Milliarden Euro weltweit.

Zusammenschlüsse für mehr Nachhaltigkeit

Gerade im Versicherungsgeschäft stellt sich das Problem, dass die Versicherer nicht einfach ihre Geldanlagen in andere Unternehmen umschichten können: zumindest nicht ohne Verluste. Sind doch die Versicherer gezwungen, zum Beispiel Lebens- und Rentenversicherungen mit lang laufenden Anleihen und festverzinslichen Papieren abzusichern. Selbst bei gutem Willen wird dadurch erschwert, das Portfolio nach sogenannten ESG-Kriterien auszurichten: Kriterien der Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance).

Konzernchef Oliver Bäte hat mehrfach bereits bekundet, dass ihm wichtig sei, die Allianz grüner und nachhaltiger zu machen. Man wolle „nicht nachlassen, bis wir effektive, institutionalisierte Langzeitlösungen gefunden haben, die die Welt zu einem besseren Ort machen“, lässt sich Bäte auf der Webseite der Allianz zitieren. Hierfür setzt sich der Konzern Zwischenziele: Bis 2025 sollen zum Beispiel die Treibhausgasemissionen im Portfolio um ein Viertel sinken, so hatte Investment-Vorstand Günther Thallinger zu Beginn des Jahres bekanntgegeben. Bis 2050 soll das ganze Portfolio klimaneutral sein.

Doch die eigenen Möglichkeiten überschätzt man nicht. „Auch ein Konzern von der Größe der Allianz kann allein nur begrenzt etwas bewirken, für die globale Transformation braucht man Partnerschaften“, sagte Line Hestvik, bei der Allianz für die Nachhaltigkeitsstrategie verantwortlich, vor wenigen Tagen dem „Handelsblatt“. Deshalb setzt man auf Partnerschaften. Der Versicherer ist Mitglied der Net Zero Asset Owners Alliance der Vereinten Nationen (UN), einem Zusammenschluss mehrerer Investoren mit insgesamt mehr als fünf Billionen Euro Kapitalanlagen. Auch sie haben sich das Ziel gesetzt, mehr Druck auf Firmen auszuüben, um ESG-Kriterien stärker zu gewichten.

Vor wenigen Wochen schloss sich die Allianz zudem der Net Zero Insurance Alliance an: ein Zusammenschluss von Branchengrößen, die sich ebenfalls zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet haben. Darunter die Axa, Munich Re, Generali und Swiss Re. Auch hier geht es darum, den Austausch mit Unternehmen zu suchen, die man versichert und in die man investiert.

Die Allianz selbst hat im Jahr 2020 mit 68 Aktien- und Anleihe-Emittenten über ESG-Themen gesprochen, wie „Reuters“ auf Basis des Nachhaltigkeitsberichts des Versicherers meldet. Allerdings seien die Gespräche bei nur drei Konzernen auf fruchtbaren Boden gefallen, bei acht sei man auf taube Ohren gestoßen. Mit den übrigen wolle man weitere Gespräche führen. "Das ist ein sehr zeitintensiver Prozess - oft geht er über mehrere Jahre. Aber man muss den Unternehmen diese Zeit geben", sagt Andreas Lindner gegenüber Reuters. "Erst wenn wir das Gefühl haben, dass ein Unternehmen den Dialog nicht ernsthaft betreibt, dann desinvestieren wir - was bislang nur ganz selten der Fall war."

Verdacht des Greenwashings

Bei einigen Investments lasse sich die Allianz nicht auf Diskussionen ein, berichtet Lindner weiter: etwa bei geächteten Waffen und Kohle. Ansonsten entwickle der Versicherer eigene Scoring-Modelle: Wer zu den schlechtesten zehn Prozent gehöre, "den schauen wir uns genau an". Einen strengen Schlussstrich ziehen die Münchener hingegen nicht. Sie bleiben auch weiterhin in energieintensiven und klimaschädlichen Branchen, wie das "Handelsblatt" weiß, etwa in der Stahlindustrie und in der Luftfahrt. Statt eines endgültigen Cut suche man das Gespräch mit den Anbietern.

Doch genau diese weichen Kriterien erregen auch Kritik: "Die angeblichen Klimaretter" war zum Beispiel ein Artikel der WirtschaftsWoche zur letztjährigen Hauptversammlung überschrieben. Dort wird aufgeführt, weshalb das Vorgehen des blauen Riesen nicht nur auf Wohlwollen stößt. Der Zeitraum bis zur Klimaneutralität im Jahr 2050 sei zu lang, so ein Kritikpunkt.

Ein weiterer: Die Allianz kommuniziere nicht, welche Schritte man genau angehe und wie hoch der Anteil grünen Investments sei: bleibe also intransparent. So versichere man zwar keine neuen Kohlekraftwerke mehr: investiere aber zum Beispiel in Exxon Mobil, einem der größten Investoren in fossile Energien. Die haben gerade begonnen, vor der Küste Guyanas in Südamerika ein neues Öl- und Gasfeld zu erschließen. Erwarteter Schadstoff-Ausstoß: 2,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid.