Als Reaktion auf das Gutachten kam Kritik aus fast allen politischen Richtungen. Kurz vor der anstehenden Bundestagswahl ist mit notwendigen Reformen bei der Rentenversicherung und damit verbundenen Einschnitten für aktuelle sowie künftige Rentner, kein Staat zu machen. Folglich hielten sich Regierungsparteien mit Vorschlägen zurück. Einige Oppositionsparteien lieferten wenigstens Ideen für die künftige Ausgestaltung.
Aus dem Hause des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kommt nun ebenfalls der Gedanke einer Mindestrente auf. Schließlich könnte sie zumindest die finanzielle Absicherung sicherstellen und zum sozialen Ausgleich beitragen. Denn die bisherigen Reformen wie etwa die Grundrente und die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente würden das Problem der Altersarmut nur unzureichend lösen. Denn viele Gruppen, die ein erhöhtes Risiko von Altersarmut haben, würden von diesen Regelungen gar nicht erreicht. Das betrifft beispielsweise zukünftige Rentner mit nur kurzen oder unterbrochenen Erwerbsbiografien. Auch Langzeitarbeitslose, langjährige Geringverdiener, Menschen mit schlechter Ausbildung oder etwa Erwerbsgeminderte seien stärker von Altersarmut gefährdet.
Zudem wäre die Mindestrente auch eine wichtige Voraussetzung, um andere Rentenreformen in Deutschland in der nächsten Legislaturperiode umzusetzen, wie eine Erhöhung des Rentenzugangsalters oder stärkere private Vorsorge. Das fordern die drei Experten Johannes Geyer, Peter Haan und Alexander Ludwig vom DIW, die überdies einen Blick in die Nachbarländer Österreich und die Niederlande empfehlen. Denn in beiden Ländern ist eine Mindestsicherung in das Rentensystem integriert.
Als Alternative für die Mindestrente sehen die Forscher eine deutlich überarbeitete Grundsicherung an. Doch diese müsste so umgestaltet werden, dass die Inanspruchnahme erhöht wird. Denn laut eines DIW-Berichts aus dem Jahr 2019 werden hohe Raten der Nichtinanspruchnahme für diesen Transfer von über 50 Prozent geschätzt. Dafür machte das DIW mehrere Gründe aus. Demnach seien Stigma, Komplexität oder Kosten der Beantragung die häufigsten Ursachen für die Nichtinanspruchnahme der Grundsicherung.
An dieser Stelle reiche eine reine Informationskampagnen allerdings nicht aus. Eine Alternative wäre die automatische Prüfung, ob die jeweilige Person einen Anspruch auf Grundsicherung habe. Anschließend könnten die Gelder direkt ausgezahlt werden. Mit dem Hintergrund, dass in einigen Jahren auch Ämter und Behörden durchdigitalisiert sein könnten, wäre das eine einfache Lösung für die Zukunft. Allerdings kann so nur eine Einkommensprüfung erfolgen. Eine Vermögensprüfung oder individuelle Bedarfsprüfung, welche bisher die Grundlage der Grundsicherung in Deutschland ist, könne so vorerst nicht umgesetzt werden. Im Optimalfall könnte die künftige Regierung vielleicht gleich beide Baustellen - also die Rentenversicherung und die Grundsicherung - angehen.