Welche Relevanz hat die Kernnutzenstiftung und warum hat die Digitalisierung keine entscheidende Bedeutung für einen Lebensversicherer? Diese und mehr Fragen beantwortet Dr. Klaus Math, Vorstand bei der LV 1871, in dieser Folge des Digital Insurance Podcast. Im Gespräch mit Digital-Experte und Gastgeber Jonas Piela erzählt er aus der täglichen Praxis.
Die digitale Transformation ist eher eine Notwendigkeit, als eine große Profitchance. Davon ist Dr. Klaus Math überzeugt. Der Vorstand der LV 1871 begründet dies für den Versicherer mit der Ausrichtung als Unternehmen. Schließlich sind die Münchener ein Lebensversicherer mit nur wenigen Transaktionen. Daher seien digitale Prozesse zweitrangig. Stattdessen fokussiere man sich auf die Kernnutzenstiftung des Unternehmens. In diesem Versicherungsbereich spiele die Digitalisierung von Prozessen und Abläufen ohnehin nur eine geringfügige Rolle dabei, sich einen Wettbewerbsvorteil am Markt zu erringen.
Daher liege der Fokus nicht ausschließlich in der digitalen Transformation. Mithalten sei hier die Devise, doch digitale Vorreiter seien andere. Für den Versicherer ginge es stattdessen um Themen, wie die Finanzstärke des Unternehmens, Produktservice und einen günstigen Versicherungsschutz. Einen wichtigen Schritt hin zur Stabilität des Unternehmens sieht Math hierbei in der Unabhängigkeit von Kapitalmarktschwankungen. Zu diesem Entschluss sei der Versicherer bereits Anfang der 2000er Jahre gekommen. Die anhaltenden Verwerfungen am Markt, Finanzkrisen und der Rückgang der Zinsen haben den Eindruck verfestigt, dass diese Entwicklungen keine einmaligen Vorkommnisse seien, sondern von Dauer sein könnten.
Deshalb habe man den eigenen Bestand an biometrischen Versicherungen in diesem Zeitraum aufgestockt und liege hier bis heute über dem Marktdurchschnitt. Von dem hohen Druck die höchste Überschussbeteiligung erzielen zu müssen, hat man sich zugunsten der Kernnutzenstiftung befreit, meint Math.
Wichtig sei auch der frühe Einsatz von Daten gewesen, wenn es um die Analyse der Geschäftspartnerbeziehungen geht. Hier werde mit eigens programmierter Software gearbeitet, um Daten bis auf die Mikroebene hin gewinnen und einsetzen zu können: Wie hoch ist das Storno-Risiko eines Vertrags? Kann der Break-Even Point der Lebensversicherung noch erreicht werden? Ist der aktuelle Geschäftsjahrgang profitabel? Dieses Vorgehen sei notwendig, um den langfristigen Erfolg des Geschäfts gewährleisten zu können. “Heute würde man es Data Science nennen”, sagt Math. Ziemlich einzigartig sei damals auch die aus den Daten gezogenen Erkenntnisse in die Vertriebssteuerung gewesen. Ist eine Geschäftsbeziehung nicht ausreichend profitabel, habe das Konsequenzen - bis zum Abbruch der Verbindung. Auch das könne man als eine Form der Digitalisierung bezeichnen. Die Verknüpfung von IT-Ressourcen, Daten und dem Willen die nötigen Entscheidungen auf politischer Ebene durchzusetzen, sei daher von zentraler Bedeutung.
Über den Podcast:
Seit April 2020 veröffentlicht Jonas Piela regelmäßig Gespräche zur digitalen Transformation mit Vorständen und Managern der Versicherungswirtschaft. Sein Ziel ist, dass seine Zuhörer einem lockeren Gespräch unter Gleichgesinnten lauschen und so Ideen und Anregungen für die eigene Arbeit mitnehmen. Zu finden ist der Podcast unter anderem bei Google, Apple und Spotify sowie unter https://pielaco.com/podcast.