Allianz: Vorständin muss wegen Structured Alpha-Skandal wohl vorzeitig gehen

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In den USA wird die Allianz mit milliardenschweren Schadensersatz-Forderungen konfrontiert: Das könnte nun ein erstes Opfer kosten. Jaqueline Hunt, zuständige Vorständin für die Vermögensverwaltung, könnte ihren Posten voreilig räumen müssen.

In den USA haben mehrere Investoren die Allianz verklagt, weil eine Investment-Tochter in Corona-Zeiten mit unnötig riskanten Finanzwetten viel Geld verzockt haben soll: in Summe geht es um 6 Milliarden US-Dollar bzw. 5,12 Milliarden Euro. Das könnte nun den Kopf einer Vorständin kosten. Jaqueline Hunt, zuständige Vorständin für das Investment-Geschäft in den USA, soll ihren offiziell noch bis Ende 2022 laufenden Vertrag vorzeitig auflösen, so berichtet das Wallstreet Journal aus Konzernkreisen. Die Allianz erwäge, »die Nachfolgeplanungen für ihren Vorstand vorzuziehen«, teilten die Münchner mit.

Hunt agierte zunächst sehr erfolgreich

Das könnte ein Indiz sein, dass Hunt eine Mitschuld an den Verlusten eingeräumt wird. Seit 2016 ist die 53jährige Britin, die auch einen neuseeländischen Pass besitzt, Vorständin bei der Vermögensverwaltungs-Tochter Allianz Global Investors (AllianzGI). Und erhielt durchaus auch Anerkennung für ihre Arbeit:

Die ebenfalls kriselnde Firmentochter PIMCO, die vor einigen Jahren milliardenschwere Abflüsse zu verkraften hatte, brachte die gelernte Wirtschaftsprüferin wieder in die Spur. Weil der Vermögensverwalter lange Zeit auf Staatsanleihen setzte, in Zeiten niedriger Zinsen wenig rentabel, rannten ihm die Kunden weg. Der Konzern änderte seine Investment-Strategie, konnte sich unter Hunt stabilisieren. Das Ergebnis: 2020 hat PIMCO mit 1,3 Billionen Euro weltweit einen neuen Rekord beim verwalteten Vermögen erzielt.

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Auch sonst entwickelte sich das Investment-Geschäft unter Hunt -trotz Niedrigzins- positiv. Im Juli 2021 kündigte die Managerin gegenüber Bloomberg neue Zukäufe für die Allianz-Vermögensverwalter an: auch begünstigt durch Fusionen und Übernahmen im Zuge passiver Investments, die wegen niedriger Kosten den Druck auf aktiv verwaltete Asset Manager erhöhen. Bald könnten die Allianz-Töchter Pimco und AllianzGI zwei Billionen Euro für Fremdkunden verwalten, stellte sie in Aussicht. Doch die Erfolgsaussichten wurden getrübt durch Investment-Entscheidungen zu Beginn der Coronakrise. Entscheidungen, die viele Experten mittlerweile als Fehler betrachten.

Hohe Verluste zu Beginn der Coronakrise

Die Allianz hatte sogenannte Structured Alpha Fonds aufgesetzt und als vermeintlich sichere Geldanlage beworben. Teils wurden hiermit hohe Renditen versprochen. Je nachdem, für welches Investment sich entschied, wurden Erträge von 2,5 Prozent bis zu zehn Prozent in Aussicht gestellt. Investiert waren hierin unter anderem der Pensionsfonds für Lehrer im US-Bundesstaat Arkansas (ATRS) sowie der Pensionsfonds für die Mitarbeiter der New Yorker Verkehrsbetriebe.

Als es mit den Börsen zu Beginn der Coronakrise bergab ging, investierten die Allianz-Fonds bewusst riskanter, so der Vorwurf. Und man sei bewusst davon abgewichen, Hedgefonds mit Optionen gegen plötzliche Kursverluste abzusichern: entgegen der zugesagten vermeintlichen Sicherheit. Das Ergebnis waren im Frühjahr 2020 Verluste in Milliardenhöhe. Allein der Lehrer-Pensionsfonds ATRS behauptet, 774 Millionen Dollar durch die verfehlte Investment-Politik der Allianz verloren zu haben. Zwei Hedgefonds mussten vollständig geschlossen werden. Mehrere Verfahren sind vor US-Gerichten anhängig.

US-Ministerium schaltete sich ein

Schon im Sommer 2020 ermittelte die Finanzaufsichtsbehörde U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) gegen die Münchener. Das US-Finanzministerium schaltete sich im Mai ein und ermittelt ebenfalls wegen der Structured Alpha Fonds. Und auch die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist an der Sache dran. Das zeigt: Die Allianz muss tatsächlich damit rechnen, dass ihr schwere Fehler nachgewiesen werden. Konzernchef Oliver Bäte deutete an, dass der Konzern in den nächsten Monaten Rückstellungen für eventuelle Schadens-Forderungen bilden wolle. Der Konzern musste bereits eine Gewinnwarnung aussprechen.

So könnte unrühmlich enden, was als Erfolgsgeschichte begann. Laut "Wall Street Journal" habe Hunt bereits gehen wollen, bevor das US-Justizministerium im Mai in Sachen Structured Alpha Ermittlungen aufnahm. Ein Grund seien auch unterschiedliche Auffassungen in der Unternehmenskultur gewesen. Hunt gilt als eher ruhig und besonnen, während die Allianz auf schnelles Wachstum zielt. Neben der Vermögensverwaltung ist sie auch für das Leben-Geschäft in den USA verantwortlich. Bereits 2019 habe sie ihren Vertrag nur noch um drei statt der üblichen fünf Jahre verlängern lassen, berichtet das "Wall Street Journal".