Trotz Niedrigzins und schwierigem Marktumfeld konnte die Allianz Leben als Marktführer der Branche auch im Coronajahr 2020 gute Zahlen präsentieren. Das Produktportfolio stellt der Versicherer schon seit Jahren um: weg von Garantien, hin zu flexibleren Vorsorgelösungen. Über die Zukunft und den Status Quo des Altersvorsorge-Geschäfts sprach Versicherungsbote mit Thomas Wiesemann, Vorstand Vertrieb der Allianz Lebensversicherung.
Versicherungsbote: Die Corona-Pandemie bestimmt – trotz Lockerungen – noch immer das Geschehen. Wie wirkt sie sich bisher auf das Altersvorsorge-Geschäft der Allianz aus? Wo gibt es – trotz oder wegen der Pandemie – Erfolge? Und wo hakt es?
Planbarkeit und Verlässlichkeit sind entscheidend bei der Altersvorsorge. Doch die Gesamtverzinsung bei Allianz Leben wurde gesenkt. Wie passt das zusammen?
Komplett loskoppeln können wir uns von der Zinsentwicklung natürlich nicht. Aber die Gesamtverzinsung unserer auf dem Sicherungsvermögen basierenden Anlagekomponente liegt für 2021 bei drei Prozent, während 10jährige deutsche Staatsanleihen aktuell mit -0,35 Prozent rentieren. Das zeigt die Stärke der Lebensversicherung – die Risiken über die Zeit ausgleichen und auch in langfristige, nicht-börsengehandelte alternative Kapitalanlagen mit attraktiven Renditen investieren kann. Wir setzen uns damit letztlich immer mehr und immer deutlicher von anderen, vergleichbar sicheren Anlagen ab. Heute müssen die Menschen in Deutschland an vielen Stellen dafür zahlen, dass sie Geld sparen.
Ihr Haus hat sich 2020 dafür entschieden, auf „Sicherheit mit zeitgemäßen Garantien“ zu setzen. Ein erstes Fazit: Ist dieses Konzept so aufgegangen, wie Sie sich das erhofft haben?
Wer langfristig fürs Alter vorsorgt, der setzt auf bestimmte Sicherheiten, aber erhofft sich zugleich auch die Chance auf Rendite. Und unsere Kundinnen und Kunden wissen heute auch, dass die Kapitalanlage dazu möglichst flexibel sein muss, mit hohen Freiheitsgraden, weltweit und professionell gesteuert. Deswegen bauen sie bei der Vorsorge auf einen starken Anbieter wie der Allianz Lebensversicherung.
Wie sehr unsere Kundinnen und Kunden diese Strategie aktiv mittragen, das zeigt sich an der Entwicklung des derzeit stark nachgefragten Vorsorgekonzepts KomfortDynamik. Hier liegt zum Beispiel bei einem 30-jährigen Vertrag gegen laufenden Beitrag und einem Garantieniveau von 80 Prozent der Anteil chancenorientierter Anlagen bei ca. zwei Drittel mit einem hohen Anteil von Aktien und Investments in Infrastruktur und erneuerbare Energien. Gleichzeitig profitieren die Kunden von der stabilisierenden Wirkung des starken Sicherungsvermögens von Allianz Leben. Der Absatz von KomfortDynamik hat im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr um zwei Drittel zugelegt.
„Riester-Vorsorge ist weltweit die erfolgreichste freiwillige staatlich geförderte Altersvorsorge“
Im Gegensatz zu anderen Anbietern wollen Sie auch 2022 noch Riester-Produkte im Neugeschäft anbieten. Wie es hieß: „eingeschränkt im Rahmen des Vorsorgekonzepts Perspektive“. Was bedeutet „eingeschränkt“ konkret?
Grundsätzlich empfehlen wir in der privaten Vorsorge kapitalmarktnahe Konzepte mit einem Garantieniveau von 80 Prozent als Ausgangspunkt für eine moderne Altersvorsorge. Bei Riester ist das nicht möglich, weil der Gesetzgeber zwar den Rechnungszins ab 2022 auf 0,25 Prozent absenkt, gleichzeitig aber eine Flexibilisierung der Garantien nicht ermöglicht. Dies hat zur Folge, dass wir ab dem Jahr 2022 die Riester-geförderte Vorsorge nicht mehr über alle Vorsorgekonzepte hinweg, sondern gezielt mit Fokus auf das sehr sicherheitsorientierte Vorsorgekonzept Perspektive anbieten.
Gibt es denn überhaupt noch eine große Nachfrage für Riester-Produkte jetzt, nachdem die eigentlich vorgesehene Riester-Reform vorerst vom Tisch ist? Und lohnt sich das Riester-Geschäft in Zeiten niedriger Zinsen noch für die Anbieter?
Nachgefragt werden flexible Vorsorgelösungen, die Chancenorientierung und Sicherheit in eine gute Balance bringen. Vor diesem Hintergrund ist das Neugeschäft bei Riester mit der fixen 100Prozent-Vorgabe zuletzt nicht mehr gestiegen. Der Absatz befindet sich aber weiterhin auf einem signifikanten Niveau. Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Riester-Vorsorge hinsichtlich der Verbreitung die weltweit erfolgreichste freiwillige staatlich geförderte Altersvorsorge mit aktuell über 16 Millionen abgeschlossenen Verträgen in Deutschland ist. Und Riester ist besonders wichtig für junge Leute und auch für Frauen: mehr als die Hälfte der Riester-Neukunden bei Allianz Leben ist unter 35, von allen Riester-Kunden sind 57 Prozent Frauen.
All dies zeigt, dass es sich lohnt, das Konzept jetzt weiter zu entwickeln, es zu vereinfachen und an die neuen Kapitalmarktrealitäten anzupassen.
Eine Reform der Riester-Rente sucht man in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl 2021 vergeblich. Ist es Zeit für einen Neustart in der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge? Wie kann diese aussehen?
Alle Anbieterverbände, die heute in der geförderten Vorsorge aktiv sind und über viele Jahre Erfahrungen gesammelt haben, haben einen gemeinsamen, umfangreichen Fünf-Punkte-Plan zur Reform der Riester-Förderung vorgelegt. Der Plan sieht eine weitgehende Vereinfachung vor, ermöglicht höhere Renditen und eine hohe Effizienz.
„Jetzt kommt es darauf an, dieses System weiterzuentwickeln“
Manche Vorschläge sehen ein Standard-Produkt vor, das ohne Abschlusskosten auskommt. Kann Altersvorsorge-Bedarf überhaupt mit Standard-Lösungen gedeckt werden?
Ich halte es für sinnvoll, über effiziente Angebote mit deutlich vereinfachter Förderung und zeitgemäßen Garantieniveaus nachzudenken. Hinsichtlich der Beratung sollte dabei der Wunsch der Kundinnen und Kunden entscheidend sein, das heißt: Angebote sollten digital genauso zugänglich sein wie über ganzheitliche persönliche Beratung und Betreuung. Denn den allermeisten Menschen ist persönliche Beratung in Finanzfragen nach wie vor sehr wichtig.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Chance, Reformen im deutschen Altersvorsorge-System anzuschieben. Was würden Sie ändern? …und was hat sich im deutschen Altersvorsorge-System bewährt?
Wir haben ein bewährtes System, das uns weltweit auszeichnet – ein System, das auf den drei Säulen gesetzliche Rente, betriebliche Versorgung und private Vorsorge basiert. Jetzt kommt es darauf an, dieses System weiterzuentwickeln und mit Blick auf die Herausforderungen Alterung der Gesellschaft und Nullzinsumfeld zu modernisieren und zu reformieren. Für die private Vorsorge sowie die bAV rücken dabei Vorsorgekonzepte, die Chancenorientierung mit zeitgemäßen Garantien verbinden, zunehmend in den Fokus.
Was kann Allianz als einer der größten Versicherer weltweit dafür tun, dass notwendige Änderungen angeschoben werden?
Wir haben es als größter Lebensversicherer in Deutschland immer als unsere Aufgabe gesehen, die Altersvorsorge zukunftsgerichtet zu gestalten und frühzeitig an strukturelle Veränderungen anzupassen. Wir haben bereits im Zeitraum 2007 bis 2016 Neue-Garantie-Produkte auf den Markt gebracht. Und dieses Jahr, mit der Flexibilisierung der Garantieniveaus, haben wir dafür gesorgt, dass auch im Null- und Negativzinsumfeld ausreichend Freiräume in der Kapitalanlage geschaffen werden und gleichzeitig die Stabilität und Kalkulierbarkeit der Altersvorsorge gewährleistet bleibt. Und wir verankern das wichtige Zukunftsthema Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge. Ganz aktuelles Beispiel ist die neue fondsbasierte Vorsorgelösung InvestFlex Green – für alle, die eine individuelle Balance aus Renditechancen und Sicherheit mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit verbinden wollen.
Die neue Bundesregierung wird höchstwahrscheinlich eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige umsetzen: das sollte bereits in dieser Legislaturperiode geschehen. Sehen Sie hier neue Chancen für die Versicherungsbranche?
Das hängt davon ab, welche Schwerpunkte die neue Bundesregierung setzen wird. Selbständige sind jedenfalls heute schon eine wichtige Zielgruppe, wenn wir etwa an die Basis-Rente denken, die in der Kapitalanlage sehr flexibel gestaltet werden kann.
Hinweis: Der Text erschien zuerst im Sonderheft Altersvorsorge.