Bei der verheerenden Juli-Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen versagten auch die behördlichen Warnsysteme: Das könnte dazu beigetragen haben, dass viele Menschen nicht rechtzeitig Schutz suchen. Die Debeka will nun ihre Kundinnen und Kunden in der Wohngebäudeversicherung mit einem eigenen Warnsystem ausstatten. Es soll auch helfen, Schäden abzuwickeln.
Mehr als 180 Menschen verloren allein in Deutschland ihr Leben, als Mitte Juli eine Hochwasserkatastrophe weite Teile West- und Mitteleuropas heimsuchten, die deutschen Versicherer müssen mehr als sieben Milliarden Euro an Schäden begleichen. Schnell gerieten auch die lokalen Frühwarn-Systeme in die Kritik, mit denen die Bürger und Einsatzkräfte gewarnt werden sollten. Teils wurden die Menschen überhaupt nicht gewarnt und von den Fluten überrascht, obwohl bereits Tage zuvor abzusehen war, dass sie eine tödliche Gefahr sein können. Das liegt auch am bürokratischen Hickhack zwischen Bund, Ländern und regionalen Behörden: Die Wochenzeitung „Zeit“ beobachtete ein „Zuständigkeitswirrwarr“. Oft blieben die Warnungen zwischen den Behörden hängen, so eine Erkenntnis aus den Vorgängen.
Die Debeka hat nun auf die Diskussion der letzten Wochen reagiert: Und will selbst eine Lösung anbieten. Zum 1. Oktober 2021 führt der Versicherungsverein ein neues Warnsystem für jene Kundinnen und Kunden ein, die eine Wohngebäude-Police bei den Koblenzern abgeschlossen haben. „Wird in einem bestimmten Gebiet ein Unwetter vorhergesagt, bekommen die betroffenen Versicherten gezielt eine SMS mit einer entsprechenden Information auf ihr Handy“, schreibt die Debeka in einem Pressetext. Das könne beispielsweise eine Warnung vor einem Sturm mit Spitzen ab 100 km/h, Gewitter mit Starkregen oder Hagel sein. Der Service sei von den Versicherten kostenlos nutzbar.
Das Warnsystem soll aber nicht nur präventiv wirken, sondern auch die Schadensmeldung unterstützen, wie der Versicherer weiter berichtet. Sei nach der Unwetterwarnung ein Schaden eingetreten, könnten die Versicherten anschließend über einen Link, der in einer zweiten SMS an Betroffene mitgeschickt werde, den Schaden umgehend an die Debeka melden. Um den Service nutzen zu können, müssen Kunden aktiv ihre Zustimmung erteilen, schreibt der Versicherer. Datengrundlage sei neben der Postleitzahl die Geokoordinate des Nutzers, um den genauen Ortsbezug abbilden zu können. Wurde dort tatsächlich ein Unwetter beobachtet, wendet sich der Versicherer noch einmal an die Kunden und erkundigt sich über mögliche Schäden. Das soll die Abwicklung erleichtern
Auch andere Warnsysteme rüsten nach
Die Kritik nach den Juli-Fluten veranlasst aber auch die Betreiber der bisherigen Warnsysteme, nachzubessern und zusätzliche Funktionen zu ergänzen. So die Warnapp Katwarn, bereitgestellt durch das Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (Fokus). Bereits seit zehn Jahren im Einsatz, erhalten Besitzer dieser App Warnhinweise und Handlungsanweisungen auf ihr Handy. Das Problem: Auch diese Informationen werden von den Behörden und Sicherheitsdiensten eingespielt. Beim ersten bundesweiten Warntag im September 2019, eine Art Testlauf des Katastrophenschutzes, kamen die Meldungen teils deutlich später aufs Handy, als notwendig gewesen wäre.
Ein Update soll nun die Funktion „kritischer Alarm“ besonders hervorheben. Immer dann, wenn zeitnah Gefahr für Leib und Leben durch Unwetter drohe, wird eine Warnmeldung ausgespielt: der Ton erklingt auch dann, wenn das Smartphone auf „lautlos“ geschaltet ist oder gerade Telefonate geführt werden. Zusätzlich werde eine Warnnachricht ausgesendet. "Der kritische Alarm soll nur zum Einsatz kommen, wenn eine sofortige Reaktion der Betroffenen nötig ist“, sagt Katwarn-Leiter Daniel Faust gegenüber heise.de.
Zusätzlich beschloss der Bundestag im September eine Gesetzesänderung, um ein zentrales Warnsystem zu etablieren. Damit soll das Warnsystem Cell Broadcast bundesweit etabliert werden. Das System erlaubt es, Warnmeldungen ähnlich einer SMS über Funkzellen zu versenden, ohne dass hierfür die individuelle Adresse des Nutzers notwendig wäre: Die Smartphones müssen nur in die Mobilfunkzellen eingeloggt sein. Deutsche Netzbetreiber sind verpflichtet, die notwendige Technik hierfür bereitzustellen.