Im Streit um die Regeln zur Zinsanpassung bei langfristigen Sparverträgen (‚Prämiensparen flexibel‘) fällte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil. Demnach sind die verwendeten Klauseln unwirksam. Wie die Beteiligten den Richterspruch einschätzen und welche Fragen noch offen sind.
Die von der Verbraucherzentrale Sachsen angestrengte Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig wurde vom Bundesgerichtshof entschieden (Aktenzeichen XI ZR 234/20). Demnach sind die angegriffenen Klauseln zur Zinsanpassung unwirksam. In den Vertragsformularen heißt es u.a.:
„Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst.“
In den in die Sparverträge einbezogenen ‚Bedingungen für den Sparverkehr’ heißt es weiter:
„Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“
Diese Klausel verstößt nach Auffassung der BGH-Richter in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität der Verzinsung der Spareinlagen gegen § 308 Nr. 4 BGB.
Die klagende VZ Sachsen feierte das Urteil als ‚Paukenschlag für Verbraucherschutz‘. „Wir gehen davon aus, dass nicht nur die Sparkasse Leipzig nach der Definition des Zinssatzes die seit Jahren falsch berechneten Beträge schnellstmöglich freiwillig zahlt. Schließlich wäre es ein fatales Zeichen, wenn sich dem Gemeinwohl verpflichtete Institutionen nicht an geltende Rechtsprechung halten“, so Andreas Eichhorst, Vorstand der VZ Sachsen. Die Verbraucherschützer gehen davon aus, dass das Urteil auch auf andere Sparkassen übertragbar ist.
In einer Pressemeldung legen die Verbraucherschützer nach und schreiben: „Sollte das Geld nicht zügig fließen, drohen tausende Individualklagen und weitere Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – bei aussichtsloser Rechtslage der Sparkasse.“
Tatsächlich müssen die Betroffenen auf Freiwilligkeit der Geldhäuser hoffen: Denn trotz positiven Feststellungsurteil müssen die Geschädigten individuell ihre Schadenersatzansprüche gerichtlich geltend machen. Geduld ist aber noch aus einem anderen Grund gefragt. Denn in der eigentlichen Streitfrage - wie denn nun der sich während längerer Laufzeiten veränderliche Zinssatz zu berechnen ist - hat sich der BGH nur teilweise geäußert. So heißt es im Urteil, dass die Zinsanpassungen monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind. „Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es interessengerecht, einen Zinssatz für langfristige Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen heranzuziehen“, so das BGH-Urteil. Die Zinsanpassungen sind laut BGH in einem monatlichen Rhythmus vorzunehmen, weil der für langfristige Spareinlagen in Betracht kommende Referenzzinssatz in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird.
Sparkassen-Verband hat Zweifel an Verbraucherfreundlichkeit des Urteils
Dass die Entscheidung im Sinne der Verbraucher war, bezweifelt hingegen der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Die Klarstellung des BGH, dass der Abstand von einem solchen Referenzzinssatz relativ und nicht absolut berechnet werden muss, würde von der „bisher allseits verwendeten Zinsberechnung“ abweichen. „In anderen EU-Ländern wird eine solche Berechnungsmethode als nicht ausreichend verbraucherfreundlich ausdrücklich abgelehnt. Der jetzt vorgegebene relative Abstand zu einem Referenzzins ist – je nach Zinssituation – für Verbraucher vorteilhaft oder auch nachteilig gegenüber dem heute verwendeten absoluten Abstand. Wir sehen in dem Urteil deshalb nicht unbedingt eine Entscheidung im Interesse der Verbraucher“, so der Verband in einer Stellungnahme zum BGH-Urteil.
Die Entscheidung, welcher Referenzzinssatz geeignet ist, wird das Oberlandesgericht Dresden nun mit einem Gutachter nachholen müssen. Die VZ Sachsen geht davon aus, dass dieser Vorgang noch mindestens ein weiteres Jahr braucht.
Vor diesem Hintergrund war eine weitere (Teil-) Entscheidung des BGH wichtig. So stellten die Richter fest, dass die Ansprüche der Verbraucher auf weitere Zinsbeträge aus den Sparverträgen frühestens ab dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung fällig werden. „Die in einem Sparguthaben enthaltenen Zinsen unterliegen derselben Verjährung wie das angesparte Kapital. Das gilt auch für den Verbrauchern bislang nicht gutgeschriebene Zinsbeträge“, heißt es im BGH-Urteil.
Darüber hinaus wollte die VZ Sachsen festgestellt wissen,
- dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist
- und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.
Diese Feststellungsziele waren laut BGH im Musterfeststellungsverfahren allerdings unzulässig, weil sie nicht verallgemeinerungsfähig sind. Vielmehr würden sich die damit verbundenen Fragen nur individuell abhängig von der Person des Verbrauchers beantworten lassen. Will heißen: Ob mögliche Ansprüche von Verbrauchern bereits verwirkt sind, muss in Einzelverfahren geklärt werden.