Eine Altersvorsorge, die zwischen Tarifpartnern ausgehandelt wird und auf Garantien verzichtet: Das Sozialpartnermodell sollte zur einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung beitragen, kommt aber schwer in Gang. Wo es hakt und wie der Stand der Umsetzung ist, darüber sprach Versicherungsbote mit Normann Pankratz, Mitglied der Vorstände der Debeka. Der Versicherer ist an Das Rentenwerk beteiligt, das entsprechende Renten anbieten will.
Versicherungsbote: Bereits im Januar 2018 ist die Betriebsrentenreform in Kraft getreten. Das Sozialpartnermodell kommt schwer in Gang. Woran liegt es? Wo stottert der Motor?
Normann Pankratz: In der Tat ist die neue bAV II bisher in der Praxis leider kaum angekommen, und ein Knackpunkt ist sicher der Wegfall der Garantien, der etwas Überzeugungsarbeit erfordert. Doch um die Chancen des Kapitalmarkts effektiv nutzen können, ist die reine Beitragszusage die erfolgsversprechendere Lösung.
Hinzu kommt: Es ist geplant, die Garantien in den Durchführungswegen mit Versicherungen weiter zu senken. Das heißt im Umkehrschluss: Die Unternehmen müssen im alten Modell immer geringere Leistungen garantieren, wenn Sie so wollen: Fast nur noch die eingezahlten Beiträge. Von daher stellen sich die Sozialpartner zunehmend die Frage, ob sie nicht gleich auf das neue Modell setzen sollten.
…und wie ist der aktuelle Stand? Haben Sie noch Hoffnung, dass sich das Sozialpartnermodell auf breiter Front wird etablieren können?
Hoffen allein reicht natürlich nicht: Wir arbeiten zugleich intensiv daran, für das Modell zu werben. Aber es braucht einen langen Atem, einen längeren jedenfalls, als wir anfangs dachten. Inzwischen zeichnen sich zwar erste Abschlüsse ab, aber auch hier ist noch viel Entwicklungsarbeit gefordert.
Das Sozialpartnermodell würde mehr Investment in Aktien und Fonds ermöglichen: und könnte somit eine Antwort auf das anhaltende Niedrigzinsniveau sein. Mein Verdacht: Bei den Tarifpartnern und Betriebsräten, aber auch einzelnen Unternehmen, stößt das auf Skepsis. Verhindert auch die Aktienmuffeligkeit der Deutschen eine erfolgreiche Etablierung?
Sie liegen insofern sicher nicht falsch, als Garantien in den Augen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach wie vor einen hohen Stellenwert genießen. Wir setzen unsere Fähigkeiten aber dafür ein, dass die Sozialpartner-Rente auch ohne Garantie so sicher wie möglich ist – und bleibt. Daher haben wir moderne Sicherungsmechanismen entwickelt, die wir für unerlässlich halten – schließlich geht es um die Altersversorgung. Darüber sprechen wir mit allen Beteiligten und versuchen zudem insgesamt über das neue Modell aufzuklären.
…um den Tarifpartnern die Ängste zu nehmen: Warum kann sich das Sozialpartnermodell trotzdem lohnen, auch wenn es de facto keine Garantiezusagen gibt?
Angesichts der seit Jahren extrem niedrigen Zinsen gilt noch einmal mehr: Die Anlage etwa in Aktien und Unternehmensanleihen ermöglicht voraussichtlich deutlich bessere Renditen, selbst bei zwischenzeitlichen Turbulenzen an den Börsen. Gerade das Pandemie-Jahr 2020 hat gezeigt, dass unsere Sicherungsmechanismen gut funktionieren: Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat das Konzept des Rentenwerks in einem Gutachten untersucht und dessen Leistungsfähigkeit bestätigt. Demnach bewährte es sich selbst bei größeren Einbrüchen am Aktienmarkt, wie zu Beginn der Corona-Pandemie. Stabilisierend wirkten zudem der lange Zeitraum, die breite Streuung und das professionelle Management der Anlagen.
Insgesamt liegt die Rendite der neuen Betriebsrente mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit über den Erträgen einer herkömmlichen bAV, wie die Wissenschaftler des IVFP zuvor bereits errechnet hatten. Grundlage waren Simulationen mit 10.000 möglichen Pfaden. Demnach sind in mehr als 99 Prozent der Szenarien die Lösungen des Rentenwerks einer herkömmlichen Altersvorsorge mit Garantiezins überlegen.
Besonders kleine und mittlere Unternehmen sollen mit dem Sozialpartnermodell angesprochen werden. Sie können sich einem Tarif anschließen - sitzen aber selbst nicht mit am Verhandlungstisch. Ist das kein Widerspruch?
Nicht unbedingt: Über Verbände können sie sich ja indirekt beteiligen; einige haben zudem auch Haustarifverträge.
Erstmals kann mit dem Sozialpartnermodell eine bAV angeboten werden, für deren Leistungsniveau der Arbeitgeber nicht haftet. Müsste nicht bereits das ein Anreiz sein, dass Firmen sich um solche Angebote bemühen? Welche Haftungsfallen für Unternehmen lauern auch hier?
Die Arbeitgeber stehen nur dafür ein, die Beiträge zu zahlen. Somit ergibt sich im Vergleich zur klassischen bAV eine besonders klare und risikoarme Haftungslage. Insgesamt sind viele Unternehmen offen für das neue Modell. Es besteht eher das Risiko, dass die neue bAV zur Verhandlungsmasse in Tarifgesprächen wird, und das sollte eigentlich nicht passieren: Denn eine gute Altersversorgung mit erwartbar ordentlichen Renditen ist dafür viel zu wichtig, gerade für Geringverdiener.
Verzicht auf Garantien "sicher kein Nachteil"
Muss die neue Bundesregierung vielleicht auch mit Blick auf das Sozialpartnermodell weitere gesetzliche Reformen anstoßen, um es auf die Erfolgsspur zu schicken? Wo wünschen Sie sich Änderungen im Vergleich zum Status Quo?
Wir bemühen uns sehr darum, das Sozialpartnermodell in der gegenwärtigen Form zu verwirklichen. Sollte das auch künftig nicht gelingen, stellt sich die Frage nach etwaigen Änderungen sicher erneut.
Der bürokratische Aufwand scheint weiterhin hoch, auch wenn die Versicherer mit den Potentialen der Digitalisierung werben. Gerade für KMU ist das ein Hindernis. Kann und muss hier noch mehr getan werden, um den Verwaltungsaufwand zu senken? Oder provokativ gefragt: Warum gelingt das nicht?
Da bin ich in meiner Einschätzung nicht bei Ihnen. Das Rentenwerk hat von Beginn an aktiv den Dialog mit den Sozialpartnern gesucht. Ihre Erwartungen, Bedürfnisse und Einwände haben die Entwicklung unseres Angebots geprägt. Wir haben ein Portal entwickelt, das digitalen Zugriff ermöglicht: Dort lässt sich die Betriebsrente schlank und komfortabel verwalten; das Portal bietet volle Transparenz, einfaches Handling und schnelle Prozesse.
Welche Regeln bestehen, wenn ein Beschäftigter den Arbeitgeber wechselt? Können die bAV-Verträge aus dem Sozialpartnermodell problemlos übertragen und weiter bespart werden?
Ein Wechsel ist nur zwischen Sozialpartnermodellen möglich. Nutzt ein neuer Arbeitgeber beispielsweise eine Direktversicherung in der bAV I, verbleibt die Anwartschaft im ursprünglichen Sozialpartnermodell und wird im Leistungsfall an den/die Arbeitnehmer/in bzw. die Hinterbliebenen ausgezahlt.
…nun könnte man argumentieren, das Sozialpartnermodell weist den Weg in die Zukunft der betrieblichen Altersvorsorge, da in Niedrigzins-Zeiten Garantien kaum noch darstellbar sind. Stichwort: „Beitragserhalt verhindert Werterhalt“. Wie teuer sind Garantien? Müssen sich die Deutschen auch mit Blick auf die bAV davon verabschieden?
Der Verzicht auf Garantien ist aus unserer Sicht sicher kein Nachteil. Er bietet vielmehr die Freiheiten, die eine moderne Altersversorgung braucht. Wir wissen: Das kann Ängste auslösen, die halte ich jedoch für unbegründet. Zwar schwanken Märkte zwischenzeitlich – angesichts der oft jahrzehntelangen, kollektiven Geldanlagen spielt das, wie eben erwähnt, aber kaum eine Rolle. Herkömmliche Anlagen gleichen dagegen kaum mehr die Inflation aus, wenn überhaupt.
…unsere Zielgruppe sind Versicherungsmaklerinnen und -makler. Können auch sie eine aktive Rolle spielen, um das Sozialpartnermodell zu verbreiten? Zunächst sieht es ja so aus, als seien sie raus, wenn die Modalitäten zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt werden.
Es ist richtig, dass die Ausgestaltung der Modelle zwischen den Sozialpartnern verhandelt wird. Weil dazu aber auch Unternehmen mit Haustarifverträgen zählen, können Versicherungsvermittler/innen sehr wohl eine aktive Rolle einnehmen.
Eine Prognose: Wie verbreitet wird das Sozialpartnermodell in fünf oder zehn Jahren sein? Wann kommt der Durchbruch?
Sehen Sie es mir bitte nach: Eine exakte Prognose wage ich nicht. Ich kann nur sagen: Es wäre aus Sicht der Beschäftigten sehr zu wünschen, dass sich das Sozialpartnermodell dann etabliert hat.
Die Fragen stellte Mirko Wenig