Entgeltumwandlung 2022 - Das Elend mit der Beitragsgarantie

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Um das Thema Werterhalt auf den Punkt zu bringen, folgendes Beispiel: Ein Arbeitnehmer wandelt im Laufe seines Erwerbslebens eine Gesamtsumme von 100.000 EUR in eine Direktversicherung mit einem 80%-Tarif um. Und wie es das Schicksal so will, steht zum Rentenbeginn auch nur die Garantie von 80.000 EUR zur Verfügung. Die Kernfrage lautet daher: Kann es als gerecht und fair angesehen werden, dass der Arbeitnehmer 20.000 EUR seines sicher hart erarbeiteten und bereits verdienten Entgelts unwiederbringlich abschreiben muss, zumal er nach §1a BetrAVG einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung hat? Die Versicherer sind mehrheitlich der Meinung: Ja!

Hier zum Beispiel Aussagen der Alten Leipziger aus einer Vermittlerinformation von 12/2020:


Die Canada Life äußert sich auf ihrer Webseite so:

Argumentiert wird dabei häufig mit der Rechtsprechung des BAG zum Thema Überstunden, nach der unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 20% der Mehrarbeit mit dem laufenden Gehalt abgegolten werden dürfen.
Fraglich ist, ob diese Argumentation wirklich stichhaltig ist, und wenn ja, welche Voraussetzungen die Entgeltumwandlungsvereinbarung erfüllen muss, damit sie hinreichend transparent ist. In jedem Fall ist die Auffassung der Versicherer nicht unumstritten und eine klärende Rechtsprechung (noch) nicht vorhanden.

Das Risiko

Fest steht, dass es den Versicherern zukünftig unmöglich ist, den vollständigen Beitragserhalt in den Tarifen darzustellen. Doch diese Unmöglichkeit kann dem Arbeitgeber nicht als Entlastung dienen, denn dieser haftet am Ende für die ordnungsgemäße und vollständige Durchführung der bAV.
Das Risiko für den Arbeitgeber besteht also für den Fall, dass der Standpunkt der Versicherer vor Gericht nicht standhält, darin, dass die fehlenden 20% im Leistungsfall vom Arbeitgeber aufgebracht werden müssen. In einem mittelständischen Betrieb entsteht also schnell ein Nachfinanzierungsrisiko in Millionenhöhe. Perfide aus der Sicht des Arbeitnehmers ist, dass der Durchführungsweg Direktversicherung bis auf sehr seltene Ausnahmen nicht über den PSVaG für den Fall gesichert sind, dass der Arbeitgeber unter dem Druck der Nachfinanzierungen Insolvenz anmelden muss.

Der Arbeitgeber wird insbesondere dann keine Möglichkeiten haben, den Versicherer in die Haftung zu nehmen, wenn die Vermittlung über einen Versicherungsmakler erfolgt. Eine Garantieerklärung der Versicherer, wie sie in einer vergleichbaren Situation zum Thema Zillmerung in der BAV vor gut 15 Jahren einmal erteilt wurden, ist wegen des sehr hohen finanziellen Risikos im Hinblick auf Solvency II so gut wie unwahrscheinlich.

Auswirkungen für die Vermittler

Kaum ein Vermittler kann die weitreichenden arbeitsrechtlichen Risiken vollständig überblicken, geschweige denn Garantien für die zukünftige Rechtsprechung abgeben. Genauso wenig besteht eine Möglichkeit andere Tarife im Bereich anzubieten als die, die in Deutschland von den Versicherern nun einmal angeboten werden.

So verbleibt nur die Pflicht, die Beteiligten in der BAV in der Beratung über dieses Risiko aufzuklären und dies in der Dokumentation verständlich festzuhalten. Andernfalls entsteht dem Vermittler ein Haftungsrisiko, dass je nach Umfang der Beratungen auch die Summe seiner Pflichtversicherung übersteigen dürfte. Damit das möglich ist, muss der Vermittler in die Lage versetzt sein, diese Situation fachlich zumindest im Grundsatz zu durchdringen. Das hierzu erforderliche BAV-Fachwissen in der Breite vorhanden ist, kann man -ohne böse Absicht- durchaus bezweifeln. Die unbedarfte und leichtfertige Vermittlung von Direktversicherungen per Entgeltumwandlung ist jedenfalls zunehmend ein finanzielles Risiko für die Vermittler. Neben einer wünschenswerten Klarstellung der Lage durch Gerichte oder den Gesetzgeber ist daher eine umfassende Qualifizierungsoffensive der Vermittler im Bereich bAV nötig.