Die AstraDirect hat sich vor wenigen Monaten in astra Versicherung umbenannt: nicht ohne Grund, denn der Versicherer ändert seine Vertriebsstrategie und ist jetzt als Omnikanal-Anbieter unterwegs, nicht mehr als Direktversicherer. Warum das notwendig wurde, was der Versicherer in Zukunft plant und welche Grenzen die Direktversicherung hat, darüber gibt Vorstandsmitglied Philipp Langendörfer im Interview Auskunft.
Versicherungsbote: Sie haben sich im Juli von AstraDirect zu astra Versicherung umbenannt. Weshalb dieser Schritt? Ist damit auch eine Änderung der Vertriebsstrategie geplant?
Philipp Langendörfer: Die Namensänderung zu astra Versicherung war für uns eine logische Konsequenz, um den Wandel vom Direktversicherer hin zum Omnichannel-Unternehmen nach außen noch sichtbarer zu machen. Wir kooperieren schon seit längerem mit Vertriebspartnern auf und über verschiedenste Kanäle. Das klassische Maklergeschäft entwickelt sich sehr erfreulich und Themen wie emdedded Insurance werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung für uns gewinnen. Da passt das „Direct“ im Namen der astra Versicherung einfach nicht mehr zu unserer Zukunftsvision.
…daran anknüpfend: Lange Zeit hieß es, der Direktversicherung gehöre die Zukunft: Policen, die ohne Umwege mit wenigen Klicks abschließbar sind. Nun sieht man, dass einige Anbieter vom Markt verschwinden oder eben ihren Vertrieb neu ausrichten. Wo stößt das Prinzip „reiner Onlineversicherer“ an seine Grenzen?
Aus meiner Sicht lassen sich hierfür drei Hauptgründe finden:
- Der reine D2C-Markt ist für die Versicherungsbranche immer noch relativ klein. Viele Kunden informieren sich zwar gerne online, schließen aber lieber offline Versicherungsverträge ab.
- Der Branche ist es noch nicht gelungen, die Produkte so einfach und transparent zu gestalten, dass sie wirklich onlinefähig sind.
- Der Klassiker: Versicherungen werden verkauft. Oft muss erst der Bedarf aufgezeigt werden. Dafür wird viel Empathie benötigt und hier ist der Mensch ganz klar im Vorteil.
Ich möchte es folgendermaßen zusammenfassen: Digitalen Versicherern, die es Kunden und Vertriebspartner ermöglichen, Policen mit wenigen Klicks abzuschließen, gehört die Zukunft.
Viele Policen der astra Versicherung bieten Schutz für Schüler und Studenten. Weshalb gerade diese Zielgruppe: Wie kam es zu dieser Spezialisierung?
Schon bei der Gründung der astra Versicherung vor fünf Jahren Stand der Fokus auf diese Zielgruppe fest. Unsere Muttergesellschaft, die astradirect Schließfächer GmbH, hat an mehr als 5400 Schulen knapp eine Million Schließfächer aufgestellt, die die Eltern für ihre Kinder mieten können. Die Schließfächer kann man, wie aus amerikanischen Filmen bekannt, zum Verwahren von Büchern, Tablets, Instrumenten etc. nutzen. Im Bestellprozess haben die Eltern die Wahl zwischen dem Hinterlegen einer Kaution für das Schließfach oder dem Abschluss eines Schutzbriefes. Die meisten Eltern entscheiden sich für den Schutzbrief, der im Prinzip eine All-Risk-Deckung für das Schließfach und den Inhalt ist. Es lag also auf der Hand, mit der astra Versicherung im ersten Schritt weitere Produkte für diese Zielgruppe zu entwickeln. Mit der Digitalisierung der Schulen und der Lagerung von teilweise teuren Tablets während der Pausen, dem Sportunterricht oder nach dem Unterricht, haben wir damit auch genau den Zahn der Zeit getroffen.
…und wie finden Sie als Versicherer, der bisher überwiegend online aktiv war, zu der Zielgruppe? Gehen Sie auch in Schulen oder werben Sie überwiegend im Netz? Wie werben Sie?
Ein Großteil der Zielgruppe wird über den Online-Abschluss der Schließfächer auf unsere Produkte aufmerksam. Zusätzlich verfügt unsere Muttergesellschaft über einen eigenen Außendienst, der die Leitung der Schulen auch auf unsere Versicherungsprodukte aufmerksam macht. Wir haben aber auch selbst einiges für die Zukunft vor: Wir planen für Q1 2022 einen großen Relaunch unserer Webseite www.astra-versicherung.de, um durch geeignete SEO-Maßnahmen für alle Schülerinnen und Schüler noch besser auffindbar zu sein und werden auch im Bereich SEA einiges investieren. Da wir ein junger Versicherer sind, versuchen wir alle Trends zu beobachten und dort präsent zu sein, wo sich unsere Zielgruppe aufhält. Daher werden wir bald einen TikTok-Channel starten. Natürlich setzen wir auch weiterhin auf Offline-Werbemaßnahmen, wie z.B. Werbung in kostenfreien Blöcken und Schulplanern für Schüler.
"Wir kooperieren bereits mit Vermittlern"
„Einfach gut versichert“ ist Ihr Slogan. Es fällt auf, dass Sie die Vertragsbedingungen bei der jeweiligen Versicherung online zum Einsehen und Download zur Verfügung stellen, wo viele andere Versicherer diese noch „verstecken“. Müssen Versicherungen einfacher werden? Wird das den Markt verändern?
Die Werte Einfachheit, Transparenz und Glaubwürdigkeit sind bei der astra Versicherung in der Unternehmens-DNA fest verankert. Wir wollen mit unseren Kunden auf Augenhöhe kommunizieren und leicht verständliche Produkte anbieten. Ja, Versicherungen müssen einfacher werden und hier wollen auch wir noch deutlich besser werden. Wir sind überzeugt: Je einfacher das Produkt, desto besser ist das Kundenerlebnis.
Sie bieten eine Schüler-Unfallversicherung an. Sind Schüler in der Schule nicht bereits durch die gesetzliche Unfallversicherung umfangreich abgesichert? Sollten sie nicht auch in der Freizeit geschützt sein?
Absolut. Wir sehen unser jetziges Unfall-Produkt als eine erste Evolutionsstufe, die die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ergänzt. Bspw. sind über die astra Versicherung unter anderem auch Umwege auf dem Schulweg und kosmetische Operationen abgesichert. Aktuell arbeiten wir bereits an der zweiten Evolutionsstufe, die eine weltweite 24/7 Deckung enthalten und insgesamt deutlich leistungsstärker sein wird.
Ihre Verträge sind schnell online abschließbar. Kooperieren Sie bereits mit „persönlichen“ Versicherungsvermittlern? Können auch Maklerinnen und Makler künftig mit Ihnen zusammenarbeiten?
Ja, wir kooperieren bereits mit Vermittlern und haben dieses Jahr schon viele tolle Makler direkt angebunden. Bei Direktanbindungen gehen wir recht selektiv vor, die Fokussierung des Maklers muss zu uns und unserer Zielgruppe passen. Ist das der Fall, steht einer direkten Zusammenarbeit nichts im Wege. Über Maklerpools wollen wir unsere Produkte für alle Makler verfügbar machen. Im letzten Quartal konnten wir die Zusammenarbeit mit zwei Pools finalisieren, mit weiteren führen wir aktuell Gespräche, die teilweise weit fortgeschritten sind.
Aktuell ist Ihre Produktpalette noch vergleichsweise überschaubar, auch wenn Sie in den Sparten Sach-, Unfall-, Auslandskranken- und Zahnzusatzversicherung aktiv sind. Wollen Sie Ihr Angebot an Versicherungsarten ausbauen und neue Zielgruppen ins Auge fassen? Was ist für die Zukunft geplant?
Die langfristige Strategie der astra Versicherung ist dreigeteilt:
- Verbesserung der Cross-Selling-Quote, speziell bei unseren Schutzbrief-Kunden
- Verlängerung der Customer-Journey durch passende Produktbündel zum Schulabgang bzw. zum Start ins Leben
- Ausweitung der Zielgruppe auf die Familie
Dahinter steckt natürlich jede Menge Arbeit und die Entwicklung einer Vielzahl neuer Produkte. Kurzfristig werden wir in die Steigerung der Markenbekanntheit investieren.
Sie sind ein recht junger Vorstand, wenn man das so sagen darf. Speziell den Versicherungsvertrieb plagt ein Nachwuchsproblem: Das Durchschnittsalter der Vermittelnden liegt jenseits der 50, viele werden ihren Beruf in den nächsten Jahren aufgeben. Was läuft hier schief? Haben Sie Ideen, wie man verstärkt Nachwuchs für die Branche gewinnen kann?
Läuft hier denn wirklich etwas schief? Brauchen wir in Zukunft überhaupt noch so viele Vermittler? Ich sage nein. Durch die digitale Transformation wird ein Vermittler in Zukunft deutlich mehr Kunden auf dem selbem Qualitätsstandard betreuen können. Die Versicherungsprodukte werden einfacher und Kunden werden zukünftig mehr Prozessschritte selbst erledigen. Denn wie ich bereits erwähnt hatte, gehört digitalen Versicherern die Zukunft, die es Kunden und Vertriebspartner ermöglichen, Policen mit wenigen Klicks unkompliziert abzuschließen.
Die Fragen stellte Mirko Wenig