Der Koalitionsvertrag steht: SPD, Grüne und FDP haben heute jenes Dokument vorgestellt, mit dem Deutschland fit gemacht werden soll für die Zukunft. Was planen die Koalitionäre mit Blick auf die Rente und Altersvorsorge? Der Nachholfaktor soll schon ab 2022 wieder in Kraft gesetzt werden, das dürfte die ausstehende Rentenerhöhung deutlich ausbremsen. Ein öffentlich-rechtlicher Fonds nach Opt-out-Modell kommt für die private Altersvorsorge.
Heute um 15:00 haben SPD, Grüne und FDP geliefert: und ihren Koalitionsvertrag öffentlich vorgestellt. Dem Versicherungsboten liegt das Dokument vor. 177 Seiten ist das Dokument dick, das die zukünftige Regierungsarbeit begleiten soll. Was ist mit Blick auf die Rente und die Altersvorsorge geplant? Erste Fakten hat die Redaktion zusammengetragen: und stellt sie vor. Wobei festzuhalten ist, das viele Aussagen im Vertrag noch recht vage bleiben.
Was planen SPD, FDP und Grüne mit Blick auf die Rente?
Im Koalitionsvertrag bekennen sich die angehenden Koalitionäre mit Blick auf die Rente zur doppelten Haltelinie, die auch schon von der scheidenden Regierung verfolgt wurde. Das heißt, das Rentenniveau soll nicht unter 48 Prozent sinken, der Beitragssatz zur Rentenversicherung nicht über 20 Prozent steigen.
Im Papier heißt es hierzu: “Eine gute und verlässliche Rente nach vielen Jahren Arbeit ist für die Beschäftigten wichtig. Es geht darum, sich mit eigener Arbeit eine gute eigenständige Absicherung im Alter zu schaffen. Wir werden daher die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent (Definition vor der kürzlich durchgeführten Statistikrevision) dauerhaft sichern. In dieser Legislaturperiode steigt der Beitragssatz nicht über 20 Prozent.“ Auch soll das Renteneintrittsalter nicht erhöht werden.
Zusätzlich kommt die von der FDP geforderte Aktienrente: Auch wenn sie im Koalitionsvertrag nicht explizit so genannt wird. Demnach soll ein zusätzlicher Kapitalstock die gesetzliche Rente ergänzen, der seine Reserven am Kapitalmarkt in Aktien und Fonds investieren kann. Professionell verwaltet werden soll der Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle. „Der kapitalgedeckte Teil der gesetzlichen Rente muss für das Kollektiv der Beitragszahler dauerhaft eigentumsgeschützt sein“, heißt es. Auch soll der Rentenversicherung zusätzlich erlaubt werden, ihre Reserven am Kapitalmarkt anzulegen.
Renteneintritt soll flexibler werden
Obwohl man nicht am Renteneintrittsalter rütteln will, soll der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibler werden: und Zuverdienst-Möglichkeiten attraktiver. Hierzu bleibt der Koalitionsvertrag recht unbestimmt, zunächst solle ein Dialog mit Arbeitgebern und Gewerkschaften angeschoben werden. Einzig konkrete Maßnahme: Die Möglichkeiten, sich bei vorzeitigem Renteneintritt etwas hinzuzuverdienen, sollen entfristet werden. Aktuell drohen hier noch Kürzungen der Rente, wenn zu viel hinzuverdient wird.
Zu einem flexibleren Renteneintritt führt das Koalitionspapier aus: "Die Flexi-Rente wollen wir durch bessere Beratung in ihrer Bekanntheit verbreitern und die Regelung zum Hinzuverdienst bei vorzeitigem Rentenbezug entfristen. Gemeinsam mit den Sozialpartnern werden wir in einen gesellschaftlichen Dialogprozess darüber eintreten, wie Wünsche nach einem längeren Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können und dabei insbesondere einen flexiblen Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild und die Situation besonders belasteter Berufsgruppen in die Diskussion mit einbeziehen".
Nachholfaktor wieder in Kraft
Eine Überraschung: Der sogenannte Nachholfaktor wird wieder in Kraft gesetzt. Dies soll bereits ab 2022 geschehen. Davon dürfte auch die kommende Rentenerhöhung im Juli betroffen sein und würde entsprechend geringer ausfallen. Ursprünglich waren Rentenerhöhungen von 5,2 Prozent in West und 5,9 Prozent in Ost geplant. Erst gestern hatten 30 Wirtschaftsexperten die Wiedereinführung des Nachholfaktors gefordert, um die Beiträge zur Rentenversicherung trotz alternder Bevölkerung stabil zu halten: auch zugunsten jüngerer Generationen. Nun werden die Renten nur um etwa halb so viel steigen.
Konkret heißt es im Koalitionspapier: „Wir werden den sogenannten Nachholfaktor in der Rentenberechnung rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren und im Rahmen der geltenden Haltelinien wirken lassen. So stellen wir sicher, dass sich Renten und Löhne im Zuge der Coronakrise insgesamt im Gleichklang entwickeln und stärken die Generationengerechtigkeit ebenso wie die Stabilität der Beiträge in dieser Legislaturperiode“.
Der Hintergrund: Die Entwicklung der Renten orientiert sich an jener der Löhne, wobei jedes Jahr deren Höhe nach einem festgelegten Verfahren neu errechnet wird. 2009 hat die Bundesregierung die Rentengarantie und den Nachholfaktor gesetzlich festgelegt. Die Rentengarantie sorgt dafür, dass bei sinkenden Löhnen in einer Krise nicht auch die Renten gekürzt werden müssen. Im Anschluss sorgt der Nachholfaktor dafür, dass bei wieder steigenden Löhnen die verhinderte Rentenkürzung rechnerisch ausgeglichen wird: also weniger stark steigt.
Doch diesen Nachholfaktor hatte die schwarz-rote Koalition 2018 ausgesetzt. Mit fatalen Folgen: Wegen des fehlenden Nachholfaktors steigen die Renten gerade nach Krisen deutlich, wenn die Löhne zunächst einbrachen: und sich dann wieder erholen. So wie nach der Corona-Krise. Rein theoretisch hätten laut Bundesregierung 2021 die Renten um 3,5 Prozent sinken müssen. Allein die Rentengarantie verhinderte dies, weil Renten laut Gesetz nicht gekürzt werden dürfen. Als sich dann die Löhne wieder erholten, schossen wegen des fehlenden Nachholfaktors auch die Rentenansprüche in die Höhe. Dies wird nun von den Koalitionären korrigiert.
Private Altersvorsorge: Kritik an Riester, aber Bestandsschutz für laufende Verträge
Reformen halten die angehenden Koalitionäre auch bei der privaten Altersvorsorge für notwendig. Und üben direkt Kritik an der Riester-Rente: diese werfe zu wenig Rendite ab. Ein Grund ist, dass die Riester-Garantien mit Anleihen und festverzinslichen Papieren abgesichert werden müssen, die aktuell wenig abwerfen. Ein öffentlicher Fonds soll nun die Riester-Rente ergänzen und ein entsprechendes Angebot zumindest geprüft werden. Auch wenn hierzu keine weiteren Details genannt werden: Dies könnte auf einen Staatsfonds ähnlich wie in Schweden oder Norwegen hinauslaufen.
Konkret heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen. Es gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge. Den Sparerpauschbetrag wollen wir auf 1.000 Euro erhöhen“.
Bekenntnis zu privater und betrieblicher Altersvorsorge
Grundsätzlich aber bekennen sich SPD, Grüne und FDP zur zusätzlichen privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Diese seien "wichtig für ein gutes Leben im Alter", heißt es im Koalitionsvertrag. Und weiter: "Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen. Zusätzlich muss das mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits in der vorletzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Sozialpartnermodell nun umgesetzt werden."
Am Sozialpartnermodell wollen die drei Parteien folglich festhalten. Dabei handelt es sich - vereinfacht formuliert - um eine Betriebsrente mit reiner Beitragszusage ohne Haftung des Arbeitgebers. Sie sollte dazu beitragen, dass insbesondere kleine- und mittelständische Unternehmen (KMU) häufiger Betriebsrenten anbieten. Der Nachteil aus Sicht der Arbeitnehmer: Beim Sozialpartnermodell ist die Höhe der Rente nicht mehr garantiert, sondern hängt von der Entwicklung der Kapitalmärkte ab. Deshalb müssen die Tarifpartner zustimmen, wenn eine solche Betriebsrente vereinbart wird: folglich auch die Gewerkschaften. Doch das Modell hat Anlaufschwierigkeiten. In dreieinhalb Jahren konnte bisher keine solche etabliert werden.