Bestandsübertragung: ein ungeliebtes Kind der Versicherer?

Quelle: Mediamodifier/Pixabay

Wie sieht in Zukunft das Verhältnis zwischen Maklern und Versicherungsgesellschaften aus? In einer 7-teiligen Kolumnenserie bewegt sich Versicherungsboten-Kolumnist Dr. Philipp Kanschik an der Schnittstelle zwischen den manchmal sehr ähnlichen, manchmal aber auch sehr gegensätzlichen Welten der Makler und Versicherer.

Kernthema der Serie ist es, gemeinsam mit dem Leser einen Perspektivwechsel zu vollziehen und sich besser in die jeweils andere Seite hineinzuversetzen. Die vierte Folge beschäftigt sich mit dem Phänomen der Bestandsübertragung.

Philipp Kanschik

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Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Wann immer ein Maklerwechsel stattfindet, müssen die Verträge des Kunden von einem Makler auf den anderen übertragen werden. Dies geschieht durch Anfrage beim betroffenen Versicherer. Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Übertragung. Bei „feindlichen“ Bestandsübertragungen wirbt ein Makler einem anderen Makler oder Agenten einen Kunden ab. Bei „freundlichen“ Bestandsübertragungen übergibt ein Makler einem anderen Makler seinen Bestand. Typischerweise geschieht die Bestandsübertragung in diesem Fall per Bestandsverkauf oder mit Hilfe einer anderen Nachfolgelösung.

Das Thema Bestandsübertragung ist im operativen Alltag zwischen Maklern und Versicherern ein sehr wichtiges und – wie wir sehen werden – manchmal auch konfliktträchtiges.

Das bedeuten Bestandsübertragungen für Makler

Im Sachgeschäft sind Bestandsübertragungen für Makler mit Neukundengeschäft gleichzusetzen. Neu übertragene Bestände steigern unmittelbar und dauerhaft den Umsatz des Maklers, ganz genauso wie neu abgeschlossene Verträge. Aus ökonomischer Sicht entsprechend wichtig ist das Thema für den Makler. Er hat ein großes Interesse daran, von jedem Kunden so viele Verträge wie möglich erfolgreich zu übertragen.

Auch im Sinne einer ganzheitlichen Betreuung spielt die Übertragung eine wichtige Rolle. Ein Makler kann nur dann sinnvoll einen Kunden beraten (und für ihn haften), wenn er tatsächlich für alle Verträge des Kunden als Makler hinterlegt ist. Ansonsten erhält er z.B. keine Updates zum jeweiligen Vertrag.

Für viele Makler ist es eine große Herausforderung, alle Verträge eines Kunden zu übertragen. Letztlich ist das für die Maklerschaft eine mittlere Katastrophe, weil es weniger Umsatz, schlechteren Service für den Kunden und im schlimmsten Fall gar Haftungsprobleme bedeutet.

Das bedeuten Bestandsübertragungen für die Versicherer

Bestandsübertragungen sind ein ungeliebtes Kind der Gesellschaften. Es gilt das Prinzip „Linke Tasche, rechte Tasche“. Für den Umsatz des Versicherers ist erstmal völlig egal, ob Makler A, Makler B oder Makler C als Vermittler eingetragen ist – denn dieser hängt an den Prämien des Kunden. In vielen Fällen macht die Bestandsübertragung sogar bestehenden Umsatz weniger profitabel, falls zum Beispiel der neue Makler höhere Courtagesätze als der vorherige Makler erhält.

Hoher Aufwand, negative Effekte auf die Profitabilität: kein Wunder, dass Bestandsübertragungen bei den Gesellschaften sehr stiefmütterlich behandelt werden. Das übergeordnete Interesse der Versicherungsgesellschaften gilt dem Neugeschäft, wie wir in dieser Serie bereits festgestellt haben.

Entsprechend finden sich in dem Bereich der Bestandsübertragung unterbesetzte Teams und kaum Automatisierung. So ist es bei den meisten Versicherern, man glaubt es kaum, nach wie vor ein händischer Prozess einen Vertrag von einem Makler auf den anderen umzuschlüsseln. Dies verursacht letztlich auch große Nachteile für die Versicherer: höhere Kosten durch geringere Effizienz, unzufriedene Mitarbeiter, unzufriedene Makler.

Fazit:

Wir haben in der letzten Folge gesehen, dass Versicherer grundsätzlich ein größeres Interesse an Bestandsumdeckungen haben als Makler. Beim Thema Bestandsübertragung ist die Situation genau umgekehrt: für Makler hat die Bestandsübertragung eine enorme Relevanz, gleichzeitig ist das Thema für den Versicherer nicht in derselben Form dringlich.

Eine Vernachlässigung der Bestandsübertragungsprozesse kann für den Versicherer jedoch gefährlich werden. Welcher Makler möchte Neugeschäft oder gar eine Umdeckung mit einem Vertriebspartner machen, der ihm bei jeder Bestandsübertragung Kopfschmerzen bereitet? Es ist daher für Gesellschaften ein gutes Investment ihre besten Partner beim Thema der Bestandsübertragung stärker zu unterstützen – und in vielen Fällen längst die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit beim Neugeschäft.