Verheizen oder anreizen – das Unternehmensrisiko „Arbeitssucht“

Quelle: mohamed_hassan/Pixabay

Folgeerscheinungen von Arbeitssucht sind Erschöpfungsgefühle, depressive Verstimmungen, Konzentrationsschwäche und unbegründete Ängste. Neben den psychischen Symptomen treten auch körperliche Beschwerden wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Kopf- und Magenschmerzen auf und plagen die Betroffenen. Mentzel (1979, S. 124 (115-127)) Es sei zu vergleichen mit der Selbstzerstörung des eigenen Körpers. (Mentzel, 1979) Arbeitssucht sei eine dauerhaft fortschreitende Krankheit ähnlich dem Alkoholismus, welche zu oft übersehen wird, eine unterschätzte Gefahr für die eigene Gesundheit. 2020 forscht die American Heart Association an dem Thema Arbeitsstress und kommt zu der Erkenntnis, dass Arbeitsstress neben den Faktoren Rauchen, Fettleibigkeit, starkem Alkoholkonsum sowie körperlicher Inaktivität wie langes Sitzen einen Einfluss auf die Entstehung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit hat. (Heikkilä et. al., 2020)

Durch die regelmäßige Überforderung erhöht sich das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. (Rademacher, 2017) Häufig fallen die Betroffenen, nachdem sie sich vorab fast zu Tode geackert haben, krankheitsbedingt unter anderem durch Herz-Kreislauferkrankungen und Rückenleiden langfristig aus. (Meißner, 2006) Burnout sei zudem eine Folge der Arbeitssucht. (Hartung, 2019) Auffällig ist neben den genannten Folgen das Arbeiten trotz Krankheit, welches zu Erschöpfungszuständen führe. (Hagerbäumer, 2017) Durch chronischen Stress, welchen sich Arbeitssüchtige häufig selbst machen, nehmen psychische Beeinträchtigungen deutlich zu. (Hapke, Maske, Scheidt-Nave, Bode, Schlack und Busch, 2013) Im Rahmen der Studie zur Arbeitssucht von Daniela König sind bereits die Hälfte der Versicherungsvermittler arbeitssüchtig bzw. auf dem Weg dahin, es zu werden. Es haben 339 Versicherungsvermittler teilgenommen, die ältesten Teilnehmer sind über 70 Jahre. Entweder lieben sie ihren Job oder sie können einfach nicht aufhören, auch aus dem Grund der Existenzangst. Die wenigsten haben ausreichend für die Rente vorgesorgt oder sich keine Gedanken über die Nachfolgeregelung für ihren Bestand gemacht. Nun fühle sie sich verpflichtet, ihre Kunden weiter zu betreuen.

Nimmt die Arbeit einen herausragenden, lebenswichtigen Platz mit Suchtcharakter im Leben einer Person ein, so kann dies zu einem langfristigen Leidensweg inklusive schwerer gesundheitlicher Folgen führen. (María, Giménez, Moran und Olaz, 2019) Arbeitssucht kann sogar bis in den Tod führen.

Prävention und Therapieansätze

Jeder Selbstständige sollte sich Gedanken über seinen Arbeitsalltag machen und überlegen, ob er etwas ändern kann beziehungsweise muss. Unternehmen, welche Angestellte führen, tragen noch mehr Verantwortung. Schließlich hat jeder Mensch nur eine Gesundheit. Arbeitgeber können durch präventive Maßnahmen eine Menge zur Gesundheit ihrer Belegschaft beitragen. Die Sensibilisierung der Angestellten, Fach- und Führungskräfte durch Fachvorträge und Leitlinien für gesundes Arbeiten sind ein Teil davon. Hinweise auf eine Therapie durch die Anonymen Arbeitssüchtigen dürfen nicht fehlen. Der Teamgedanke kann zusätzlich verstärkt und Aufgaben entsprechend der Fähigkeiten und Fertigkeiten delegiert werden, sodass weder Unter- noch Überforderung entsteht, angemessene Ziele gehören dazu. Dies kann durch regelmäßige Mitarbeiter- und Entwicklungsgespräche sowie konstruktives Feedback erreicht werden. Insgesamt soll eine gesunde Einstellung zur Arbeit erzielt werden. Coachings durch erfahrene Psychologen können das Unternehmen dabei unterstützen. (Rademacher, 2017) Angebote für Betriebssport, Entspannungstrainings und Sabbatjahre, wie der IT-Dienstleister adesso SE es bereits lebt, sind eine sinnvolle Ergänzung. Auch Selbstständige sollten Prävention beherzigen und nicht rund um die Uhr erreichbar sein. Ein paar Stunden Ruhe darf sich jeder ohne schlechtes Gewissen gönnen. (Berger, 2000) Eine regelmäßige Evaluation ist förderlich, um nichts zu übersehen. Ebenso ist die genaue Beschreibung eines Tätigkeitsprofils ratsam. (Poppelreuter, 1997)

Ist ein Mitarbeiter bereits arbeitssüchtig, ist Selbsterkenntnis das Ziel. Um die Erkenntnis für Betroffene leichter zu machen, wird das gesamte Umfeld mit einbezogen. Im Rahmen einer Therapie wird eine Tätigkeitsanalyse erfasst, um die differenziertere Darstellung verschiedener Anforderungen zu erkennen. Dazu gehören quantitative, qualitative sowie physische Arbeitsanforderungen, verschiedene positionsabhängige Rollenanforderungen und als Resultat daraus die zwischenmenschlichen Anforderungen. Nachdem das Anforderungsprofil erstellt ist, wird die arbeitssüchtige Person damit konfrontiert. Ziel der Therapie ist die Neugestaltung von Coping-Mechanismen und Strategien bezogen auf externe berufliche Anforderungen und das eigene Anspruchsniveau. (Berger, 2000) Das Phänomen Arbeitssucht wird in Deutschland immer präsenter und nimmt drastische Züge im Bereich der Mitarbeitergesundheit an. Unternehmen haben dafür zu sorgen, dass keine unerreichbaren Ziele gestellt werden. Selbstständige sollten eigenständig auf ihre Gesundheit achten und sich Unterstützung durch das Umfeld holen. Durch die Früherkennung und rasche Behandlung durch eine Therapie kann gravierenden Gesundheitsschäden sowie betriebswirtschaftlichen Schäden vorgebeugt werden. Einkommenseinbußen durch langfristige Krankschreibungen oder sogar Erwerbsunfähigkeit können so vermieden werden.

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