Wirecard-Aktionäre können vorerst nicht mit Schadenersatz von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) rechnen. Das geht aus Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main hervor.
Die Rolle der deutschen Finanzaufsicht im Wirecard-Skandal beschäftigt weiterhin die Justiz. In vier Entscheidungen der für Amtshaftungen zuständigen 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main konnte die BaFin einen Erfolg für sich verbuchen - die Klagen wurden abgewiesen (Az.: 2-04 O 65/21, 2-04 O 531/20, 2-04 O 561/20, 2-04 O 563/20).
Die Richter führten aus, dass keine Schadensersatzsprüche von Anlegern gegen die BaFin im Wirecard-Skandal bestehen würden. Ihr Argument: Die BaFin nehme ihre Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahr, nicht aber im Interesse einzelner Anleger. „Eine etwaige Verletzung von Amtspflichten der BaFin kann deswegen nicht zu einer Ersatzpflicht gegenüber einem geschädigten Anleger führen. Es besteht kein sogenannter Drittschutz“, erklärte der Vorsitzende.
Damit wischten die Frankfurter Richter die Argumentation der Klageseite hinweg. Die Kläger vertraten die Ansicht, dass die BaFin Unternehmensabschlüsse und -berichte der Wirecard AG fehlerhaft und unzureichend überprüfte und dadurch ihre Pflichten verletzte. Zudem hätte es die Aufsicht unterlassen, entgegen ihrer Pflicht aus § 6 Abs. 2 S. 3 WpHG, die Anleger öffentlich zu warnen. Die Kläger forderten deshalb von der BaFin Schadensersatz in unterschiedlicher Höhe von rund dreitausend Euro bis rund sechzigtausend Euro.
Ein Rechtsgutachten von Herrn Prof. Dr. Matthias Lehmann (Uni Bonn), welches von der Rechtsanwaltskanzlei Leipold in Auftrag gegeben wurde, die etliche Wirecard-Anleger vertritt, erkannte im Gegensatz zum Landgericht Frankfurt eine Haftung der BaFin.
Urteile noch nicht rechtskräftig
Die schriftlichen Begründungen zu den vier am 19.01.2022 verkündeten Urteilen liegen noch nicht vor. Mit seinen Entscheidungen folgte das LG Frankfurt einem älteren Urteil des Landgerichts (Az.: 2-08 O 98/21): Bereits im November wies die 8. Zivilkammer des Gerichts die Klage eines Wirecard-Anlegers gegen die BaFin ab. Gegen dieses Urteil wurde allerdings Berufung eingelegt. Auch die Urteile vom 19.01.2021 können noch angefochten werden.
Ursprünglich war vorgesehen, dass das Landgericht Frankfurt am Main am 19.01.2021 in über 60 (!) weiteren Verfahren von Wirecard-Anlegern gegen die BaFin verhandelt. Wie das Landgericht weiter mitteilt, stellte die Kanzlei, die diese Anleger vertritt, einen Antrag auf Terminverlegung, dem nicht stattgegeben wurde. Die Anleger-Anwälte stellten daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen die Richter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, die für Amtshaftungen zuständig ist.