In einem Interview mit dem "Manager Magazin" fordern BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein und Gerhard Schick, Geschäftsführer der "Bürgerbewegung Finanzwende", das Aus für die Riester-Rente und als Ersatz ein öffentliches Produkt. Die gesetzliche Rentenversicherung halten sie in Sachen Altersvorsorge den privaten Anbietern überlegen: Sie wollen die Versicherer aus der Privatvorsorge drängen.
Im Mai 2021 fand sich eine sogenannte Verbraucherallianz zusammen, deren Ziel schon deutlich aus dem Kampagnentitel hervorgeht: „Stoppt die Riester-Rente!“. Neben dem Dachverband der Verbraucherzentralen (vzbv) haben sich auch der Bund der Versicherten (BdV) und die Bürgerbewegung Finanzwende dieser Forderung angeschlossen. Der Riester-Rente soll der Garaus gemacht werden, weil sie angeblich „zu teuer, zu renditeschwach und ineffizient“ sei.
In einem gemeinsamen Interview mit dem „Manager Magazin“ haben nun Axel Kleinlein, Vorstandssprecher beim BdV, sowie Gerhard Schick, früherer finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und Geschäftsführer der „Bürgerbewegung Finanzwende“, noch einmal Position bezogen, weshalb sie sich die Riester-Rente wegwünschen. Und zugleich ihre bevorzugten Alternativen vorgestellt. Diese dürften in der Versicherungsbranche eher wenig Wohlgefallen finden. Denn Kleinlein und Schick fordern einen Neustart in der Altersvorsorge - komplett ohne Versicherer.
“Riester-Rente ist müffelnder Ladenhüter“
Im Interview werden die beiden Anti-Riester-Aktivisten zunächst mit der Tatsache konfrontiert, dass sich das Neugeschäft mit Riester-Verträgen 2021 überraschend gut entwickelt hat. 310.000 Verträge seien im Jubiläumsjahr neu verkauft worden. Doch davon lässt sich Kleinlein nicht beeindrucken. „Die Riester-Rente ist schon seit Jahren ein müffelnder Ladenhüter“, positioniert sich Kleinlein. Daran könne auch eine leichte Steigerung der Verkaufszahlen nichts ändern. Und er stichelt gegen ein weiteres, von ihm oft kritisiertes Produkt: „Sogar die Kapitallebensversicherung, ein uraltes Auslaufmodell aus dem letzten Jahrhundert verkauft sich seit Jahren besser als die Riester-Rente“. Im Interview behauptet er, dass auch viele Verträge wieder gekündigt würden, da sie unter hohem Druck verkauft worden seien.
Ähnlich äußert sich Schick: Er führt den Erfolg auf die Vertriebskraft der Branche zurück, nicht auf die Qualität des Produktes. „Versicherungen werden verkauft — und nicht gekauft“, sagt er. Auch verneint, dass es ein Comeback der Riester-Rente gebe: Dies sei eine schöne Erzählung, die an der Realität vieler Menschen vorbeigehe. „Die Menschen in diesem Land haben eine bessere Altersvorsorge verdient“, positioniert er sich. Schick hält die Riester-Rente für nicht reformierbar. „Alle Versuche sind gescheitert, die vielfach hohen Kosten bleiben“. 20 Jahre Riester bedeuten aus seiner Sicht „20 Jahre mit vielen ineffizienten und teuren Produkten“.
Beide fordern einen kompletten Neustart in der privaten Altersvorsorge: ohne Riester. „Die Fehler sind seit 10 Jahren ausgiebig analysiert und diskutiert: Zu hohe Kosten, ein überflüssiger Verrentungszwang und intransparente Verträge“, sagt Kleinlein. Die Ampel-Koalition müsse bei Riester die Reißleine ziehen.
Alternative: ein öffentlich organisiertes Angebot
Als Alternative zu Riester schlagen die Kampagnen-Macher ein öffentlich organisiertes Angebot vor, das bei der Deutschen Rentenversicherung angesiedelt sein soll. Mit anderen Worten: das ohne die Privatversicherer funktioniert. Axel Kleinlein bezeichnet die gesetzliche Rente als „echtes Erfolgsmodell“, das den Angeboten der Versicherer klar überlegen sei. „Neben Altersrenten leistet die DRV ja auch noch Erwerbsminderungsrenten, Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung und noch mehr. Zeigen Sie mir ein privates Versicherungsprodukt mit vergleichbaren Leistungen“, so Kleinlein. Was er nicht erwähnt: Zu ihrer Finanzierung müssen Beschäftigte und Arbeitgeber aktuell auch 18,6 Prozent des Bruttolohnes abtreten - der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt betrug 2021 weitere 97,6 Milliarden Euro.
Die deutsche Rentenversicherung müsse nicht Produktgeber oder Fondsmanager sein, argumentiert Kleinlein. Öffentlich organisiert heiße, dass jemand „Sparerinnen und Sparern gegenüber verantwortlich ist - und nicht gegenüber Aktionären“. Gerhard Schick ergänzt, dass auch über eine Ausschreibung Fachleute gewonnen werden können, die den Kapitalbestand verwalten. „In jedem Fall müssen da Profis ran“ - das Beispiel zeige, dass dies gehe.
Gesetzliche Rente - "Renditeturbo"
Auch der Interviewer konfrontiert die beiden mit den aktuellen Problemen des Umlageverfahrens: dem demographischen Problem sowie den hohen Steuerzuschüssen. Mit dem Umlageverfahren habe die Reform der privaten Rente nichts zu tun, hält Schick dagegen. Wichtig sei zudem, dass der Staat keinen Zugriff auf das Geld habe. Der Staat solle den Rahmen schaffen, um die -bisher- hohen Kosten in der privaten Altersvorsorge in den Griff zu bekommen. „Bisher fließen bei manchen Angeboten fast ein Viertel der eingezahlten Gelder in die Kosten. Das können wir uns nicht länger leisten“, sagt der Ökonom.
Kleinlein nutzt die Einwände für einen Rundumschlag gegen die Branche. Die Versicherer hätten die Verrentung nicht im Griff, würden deshalb mit absurd hohen Lebenserwartungen die Renten kleinrechnen. Der BdV hatte bereits 2020 moniert, dass manche Versicherer mit Lebenserwartungen von bis zu 150 Jahren kalkulieren. Und gerade junge Leute hätten mit der Riester- und Rürup-Rente kaum die Chance, „in Form einer Rente das rauszubekommen, was in den Vertrag einfließt. Da ist also selbst eine Rendite von Null Prozent kaum zu erwarten. Die gesetzliche Rente ist demgegenüber ein Renditeturbo!“, sagt er mit Blick darauf, dass für die Rentenkasse eine Rendite von zwei Prozent angenommen wird. Wenn es um Rendite gehe, seien die Lebensversicherer hier chancenlos.
Als Vorbild nennen die beiden Interviewpartner Schweden: Dort zahlt jeder verpflichtend 2,5 Prozent des Rentenbeitrags in einen staatlich organisierten Vorsorgefonds ein. Vorbildlich seien hier „die stärkere Ausrichtung auf Aktien und vor allem die geringen Kosten“, sagt Schick. Kleinlein ergänzt, dass eine „diffuse Angst der Deutschen vor Wertpapieren und Kapitalanlagen“ ein ähnliches Modell in Deutschland mit verhindert habe: eine Angst, die auch lange Zeit von der Versicherungsindustrie geschürt worden sei.