Eine Allianz-Sprecherin positioniert sich zu den Vorwürfen gegenüber dem Versicherungsboten, dass die Anzahl der Kohleindustrie-Holdings inzwischen niedriger sei, da die Urgewalt-Studie sich auf einen Zeitraum bezog (2019-November 2021), in dem die hauseigenen Ausschlusskriterien für Kohle-Investments noch nicht beschlossen und angeschoben wurden. Sie schreibt:
„Wichtig ist angesichts der steigenden Strompreise und Inflation eine sozial verantwortungsvolle Energiepolitik, die Empfehlungen der Klimaforschung folgt. Die Allianz unterstützt diesen Wandel über die Umsetzung des 1,5°-Klimaziels im Kerngeschäft. Im Kundenportfolio in der Schaden- und Unfallversicherung und der Anlage der Versichertengelder reduzieren wir die Treibhausgasemissionen in 5-Jahres-Schritten bis spätestens 2050 auf Netto-Null. Kohlebasierte Risiken in diesen Portfolien laufen schrittweise bis 2040 vollständig aus. Wir senken den Schwellenwert des Jahresumsatzes aus dem Abbau von Kohle bzw. dem Anteil der Stromerzeugung aus Kohle von aktuell 30 Prozent auf 25 Prozent zum 31. Dezember 2022; ab Ende 2025 auf 15 Prozent; ab Ende 2029 wird er auf fünf Prozent gesenkt (Ausnahme Asien mit zehn Prozent)“, so die Allianz-Sprecherin.
Dieser Ansatz folge den Empfehlungen der internationalen Klimaforschung (IPCC-Bericht) und habe sich über die Net-Zero-Allianzen als weltweiter Standard für die globale Finanzwirtschaft etabliert, argumentiert die Sprecherin weiter. „Unsere Asset Manager PIMCO und Allianz Global Investors handeln im Auftrag ihrer Kunden und verfolgen unterschiedliche Nachhaltigkeitsansätze. Für die von AllianzGI gemanagten Publikumsfonds gelten Ausschlusskriterien für Unternehmen mit Jahresumsatz aus dem Abbau von Kohle bzw. dem Anteil der Stromerzeugung aus Kohle von 30 Prozent. Für alle anderen Fonds – einschließlich Spezialfonds, institutionelle und Subadvisory-Mandate – wird AllianzGI auf eine Einwilligung der jeweiligen Kunden zur Anwendung der Kriterien hinwirken. Die Mehrheit der Kunden hat dem mittlerweile zugestimmt“.
Underwriting und Kredite: weitere 1,5 Billionen US-Dollar für die Kohle
Auch Kredite und Underwriting sehen die Umweltschützer kritisch: Sie erlauben es den Kohlefirmen, zu expandieren und zum Beispiel neue Kohlekraftwerke zu bauen. Underwriting nimmt mittlerweile den Löwenanteil bei der Finanzierung der globalen Kohleindustrie ein. Bei Underwriting unterstützen die Banken ihre Firmenkunden dabei, neues Kapital an den Finanzmärkten aufzunehmen, indem sie in ihrem Namen neue Anleihen oder Aktien auflegen und verkaufen. Zwischen Januar 2019 und November 2021 wurden Underwriting-Mandate in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar an die globale Kohleindustrie vergeben. Mit Krediten summierte sich der Betrag auf 1,5 Billionen US-Dollar.
Die Underwriting-Spitzenreiter kommen derzeit aus China (Industrial Commercial Bank of China, China International Trust and Investment Corporation und Shanghai Pudong Development Bank): kein Wunder, werden dort doch soeben rund 200 neue Kohlekraftwerke gebaut. Entsprechend hoch ist auch der Finanzierungsbedarf. Die einzige nicht-chinesische Bank unter den führenden 12 Underwritern für die Kohleindustrie ist JPMorgan Chase aus den USA – sowohl Mitglied in der Net Zero Banking Alliance und zudem auf Platz 7 der weltweit größten Kreditgeber der Kohleindustrie.
Allgemein entwickelt sich Asien zu einem Zentrum neuer Kohle-Bauvorhaben. Nach einem Bericht des Think Thanks Carbon Trecker planen die Länder China (187,1 GW), Indien (59,8 GW), Vietnam (23,8 GW) Indonesien (23,6 GW) und Japan (8,5 GW) den Bau von mehr als 600 neuen Kohlekraftwerken mit einer Gesamtkapazität von mehr als 300 Gigawatt. Das entspricht 80 Prozent der weltweiten Bauvorhaben. Das Underwriting hat sich hierbei mittlerweile zur Hauptfinanzierungsquelle für die globale Kohleindustrie entwickelt. "Unsinnigerweise wird es derzeit allerdings von den Verpflichtungen innerhalb der Net Zero Banking Alliance nicht berücksichtigt", kritisiert Urgewald.
Zehn deutsche Finanzinstitute gaben im Untersuchungszeitraum zusammen 8,9 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten an die globale Kohleindustrie. Davon entfielen allein 68 Prozent auf die zwei größten deutschen Institute: 3,4 Milliarden US-Dollar auf die Deutsche Bank und 2,7 Milliarden US-Dollar auf die Commerzbank – beide ebenfalls Mitglieder der Net Zero Banking Alliance.