Warum fällt die Einschätzung der eigenen Risiken den meisten Menschen schwer? Wirtschaftspsychologin Claudia Bassarak von Finanztest erklärt das in einem Interview. Die Verbraucherschützer haben einen ‚Versicherungs-Check‘ erarbeitet. Wie dabei vorgegangen wurde.
Menschen überschätzen die Bedrohung durch seltene Ereignisse wie Terroranschläge im Vergleich zur tatsächlichen Häufigkeit, sagt Claudia Bassarak, Wirtschaftspsychologin und Projektleiterin bei der Stiftung Warentest. Die Bedrohung durch häufigere Ereignisse wie einen Herzinfarkt würde hingegen im Verhältnis zu ihrem Vorkommen unterschätzt, so Bassarak weiter. Der Grund: Dramatische Ereignisse wie Terroranschläge können sich Menschen leichter vorstellen.
„In der Fachsprache heißt das: Sie sind mental verfügbar. Ein Grund hierfür ist, dass in den Medien besonders emotional oder häufig darüber berichtet wird. Über Herzinfarkte jedoch weniger“, führt die Wirtschaftspsychologin aus. Auf versicherungsrelevante Themen übertragen, würde das bedeuteten, dass beispielsweise die Häufigkeit von Leitungswasserschäden oder Rechtsstreitigkeiten unterschätzt, die tödlicher Verkehrsunfälle oder Computerkriminalität dagegen überschätzt werde, so Bassarak.
Doch für die Risikoeinschätzung sollte neben der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das mögliche Schadensausmaß einbezogen werden. „Auch Schäden, die sehr unwahrscheinlich sind, die aber bei Eintritt solche gravierenden Folgen hätten, dass man sie finanziell überhaupt nicht stemmen könnte, sollten versichert werden. Bei Berufsunfähigkeit, Pflege und Altersvorsorge ist im doppelten Sinne Handlung geboten: Die sogenannten Eintrittswahrscheinlichkeiten sind hier mitunter sehr hoch und zusätzlich ist der finanzielle Bedarf mitunter erheblich“, sagt Claudia Bassarak im Interview.
Das Interview ist Teil des ‚Versicherungs-Checks‘, den Stiftung Warentest in der März-Ausgabe ihrer Zeitschrift veröffentlicht. Der ‚große Versicherungs-Check‘ ist aber auch online verfügbar und gliedert sich in neun Kapitel:
- Welche Versicherungen Sie brauchen
- Tabelle: Ihr persönlicher Versicherungscheck
- Junge Menschen: Erste wichtige Versicherungen
- Mitten im Leben: Wer Berufsunfähigkeitsschutz braucht
- Mit Kindern: Welchen Schutz Familien brauchen
- Im Rentenalter: Wichtige Versicherungen
- Interview: Über Alltagsrisiken und Wahrscheinlichkeiten
- Versicherung abschließen und kündigen
- Beim Versicherungsombudsmann beschweren
Fazit
Dabei zeigt eine Grafik das Lebensphasenmodell mit dem jeweils passenden Versicherungsschutz. In fast jedem Kapitel finden sich nützliche Tabellen und Übersichten - etwa, unter welchen Voraussetzungen weiterhin Mitversicherung besteht, wenn junge Menschen einen eigenen Haushalt gründen, wann ein eigener Vertrag lohnt oder welche Arten von Kündigungen es gibt.
Mein Fazit:
Natürlich kann der ‚Versicherungs-Check‘ keine Beratung ersetzen - das will er auch nicht. Und sicher kann man auch Punkte herausgreifen, die man mit einem dicken Fragezeichen versehen möchte. Zum Beispiel wenn es heißt, dass für diejenigen, die keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können, eine Unfallversicherung sinnvoll wäre. Man kann sich auch wünschen, dass Finanztest innerhalb des Checks deutlicher auf die Unterschiede zwischen Versicherungsvermittlern eingeht.
Nichtsdestotrotz bietet der Versicherungscheck aber viele Anknüpfungspunkte, um mit Interessenten und Kunden ins Gespräch zu kommen. Vermittler, die Finanztest nicht zur Ansprache nutzen wollen, könnten überlegen, ob sich die ein oder andere Übersicht eignen könnte, um mit eigenen Worten ‚nachgebaut‘ zu werden.
Wie in der Vergangenheit, empfiehlt Finanztest auch hier wieder frühstmögliche Absicherung der Arbeitskraft - und hebt sich damit wohltuend von anderen Verbraucherschützern ab, die sich darauf versteift haben, Altersvorsorge ohne Versicherungswirtschaft einzufordern.