Die BaFin hat die Kosten von Lebensversicherungen untersucht. Dabei kritisiert sie die -aus ihrer Sicht- zu hohen Abzüge zulasten der Kundinnen und Kunden. Teilweise müssten Effektivkosten von vier Prozent gezahlt werden. Die Studie bestätigt auch, das Kickbacks bei fondsgebundenen Lebensversicherungen branchenüblich sind. Bei einigen Verträgen hegt die BaFin Zweifel, ob die Produkte überhaupt hätten freigegeben werden dürfen.
“Wenn Lebensversicherungen zu viel kosten“ - die Überschrift eines Fachartikels, der auf der Webseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erschienen ist, spricht eine deutliche Sprache. Um sich einen branchenweiten Überblick zu verschaffen, hat die Behörde deutsche Lebensversicherer im vergangenen Jahr aufgefordert, Informationen zu den Effektivkosten bei Versicherungsanlageprodukten zu geben. Hier sieht die Behörde die Gefahr von Interessenkonflikten - und mangelnde Transparenz, speziell bei Kickback-Zahlungen.
Effektivkosten bilden stark vereinfacht ab, wie stark die jährliche Rendite der Anlageprodukte durch die anfallenden Kosten gemindert wird. Die Lebensversicherer sind verpflichtet, ihre Kundinnen und Kunden vor Vertragsabschluss über die Höhe der Effektivkosten zu informieren. Das schreibt die Informationspflichtenverordnung für Versicherungsverträge (VVG-InfoV) vor.
Abgefragt wurden unter anderem die Effektivkosten für für fondsgebundene und klassische Lebensversicherungen. Für die fondsgebundenen Lebensversicherungen gegen laufenden Beitrag mussten die Versicherer Zahlen für die drei Produkte vorlegen, die im ersten Halbjahr 2021 gemessen an der Beitragssumme den größten Anteil am Neugeschäft hatten. Für andere Kategorien wurde das im ersten Halbjahr meistverkaufte Produkt abgefragt. So wurden bei „klassischen“ Lebensversicherungen 75 Prozent des Neugeschäfts und bei Fonds-Policen 51 Prozent erfasst.
BaFin sieht Verbesserungsbedarf: Kosten bei Fondspolicen höher
Die Umfrage zeigt: Die Lebensversicherer berechnen teils unterschiedlich hohe Effektivkosten. Und doch sieht die Behörde Verbesserungsbedarf. Tendenziell lautet die Regel: Je kürzer die Vertragslaufzeit, desto stärker werden die Sparenden belastet. Und bei fondsgebundenen Tarifen liegen die Kosten oft signifikant höher als bei „klassischen“ Lebensversicherungen. Hier sei daran erinnert, dass fondsgebundene Verträge mittlerweile das Neugeschäft bestimmen und klassische Garantie-Produkte auf dem Rückzug sind.
Die BaFin schreibt: “Bei allen Eintrittsalter-Laufzeit-Kombinationen gibt es Lebensversicherer, bei denen die Effektivkosten der meistverkauften fondsgebundenen Produkte oberhalb von 4 Prozent liegen. Für die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer bedeutet das: Erst wenn die zugrundeliegenden Kapitalanlagen entsprechend hohe Renditen erreichen, würden sie einen Anlagegewinn erzielen“.
Wer einen Vertrag mit 37 Jahren abschließt und diesen 30 Jahre mit je 100 Euro monatlich gespart, muss bei den fondsgebundenen Verträgen im gewichteten Mittel 1,90 Prozent Effektivkosten zahlen. Bei einem Viertel der untersuchten Policen sind die Effektivkosten niedriger als 1,30 Prozent, bei der Hälfte niedriger als 1,64 Prozent und bei 75 Prozent niedriger als 2,35 Prozent.
Anders sieht es aus, wenn ein 55jähriger eine Fonds-Police mit zwölfjähriger Laufzeit abschließt. Die Effektivkosten liegen hier im gewichteten Mittel bei 2,66 Prozent. Bei einem Viertel der Verträge müssen die Sparenden weniger als 2,03 Prozent zahlen, bei 50 Prozent weniger als 2,62 Prozent und bei 75 Prozent weniger als 3,29 Prozent. Bedeutet auch, dass bei einem Viertel der Verträge die Kosten bei 3,29 Prozent aufwärts liegen.
Die BaFin hebt hervor, dass fondsgebundene Lebensversicherungen damit beworben werden, dass der Sparende an den Ertragschancen der Aktienmärkte partizipieren kann. „Die im Mittel zu beobachtenden Effektivkosten erscheinen bei den längeren Laufzeiten angesichts dieser Zielsetzung vertretbar. Die höheren Effektivkosten in der Spitze lassen aber ernsthaft daran zweifeln, dass die Produktfreigabeverfahren den Interessen, Bedürfnissen und Merkmalen des Zielmarktes ausreichend Rechnung getragen haben – so, wie es die Wohlverhaltensregeln vorgeben“, schreibt die Behörde. Mit anderen Worten: Man hegt Zweifel, ob diese Verträge überhaupt hätten zugelassen werden dürfen.
Fondspolicen: Black Box Kickbacks?
Starke Kritik übt die Aufsichtsbehörde an der Praxis, dass Lebensversicherer teils Kickbacks von den Fondsgesellschaften erhalten, in die sie investieren. Folglich eine extra Provision, dass sie in bestimmte Fonds das Geld der Kunden stecken und diese halten. Bisher war unklar, ob und in welchem Umfang diese Praxis marktüblich ist. Hierzu liefert die BaFin nun Zahlen:
“Bei etwa einem Drittel des Neugeschäfts der meistverkauften fondsgebundenen Produkte zahlen die Kapitalverwaltungsgesellschaften Rückvergütungen an den Lebensversicherer. Diese liegen im gewichteten Mittel pro Jahr bei knapp über 0,30 Prozent des Fondsguthabens und reichen in der Spitze bis über 1,20 Prozent“, schreibt die Behörde.
Kickbacks von Fonds fließen nur zum Teil an Kundinnen und Kunden zurück
Solche Rückvergütungen erhöhen die Kosten der Fondspolicen. Bei etwa 80 Prozent -gemessen an der Beitragssumme- sind spezielle Überschussanteile vorgesehen, mit denen die Lebensversicherer ihre Kundinnen und Kunden an den Rückvergütungen der individuellen Fonds beteiligen. Im gewichteten Mittel werden 52 Prozent der gezahlten Vergütungen erstattet. Aber nur etwa bei einem Viertel der Produkte fließt die Rückvergütung vollständig an die Vertragsinhaber zurück.
Besonders hervorzuheben seien die restlichen rund 20 Prozent, bei denen es solche speziellen Überschussanteile nicht gibt. „Zwar erhöhen die Rückvergütungen der KVGen auch in diesen Fällen das übrige Ergebnis, an dem die Lebensversicherer die Versicherungsnehmer nach der Mindestzuführungsverordnung zu mindestens 50 Prozent beteiligen müssen. Diese Regelung greift jedoch nur bei einem positiven übrigen Ergebnis und nur auf der kollektiven Ebene des Bestands insgesamt“, schreibt die BaFin. Laut § 153 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) müssten die Anbieter die Überschussbeteiligung aber verursachungsorientiert auf die einzelnen Verträge verteilen: das heißt, berücksichtigen, wie stark der einzelne Vertrag zum Überschuss beigetragen hat. Unterscheiden sich die Rückvergütungen von Fonds zu Fonds stark, stünde eine von der individuellen Fondsauswahl unabhängige Überschussbeteiligung nicht mehr im Einklang mit dieser gesetzlichen Vorgabe.
Rückvergütungen direkt an Vermittler
Bei etwa 19 Prozent des Neugeschäfts (nach Beitragssumme) zahlen die Kapitalverwaltungsgesellschaften sogar Rückvergütungen direkt an die Vermittler, hebt die BaFin weiter hervor. Nur in etwas weniger als der Hälfte dieser Fälle kennen die Lebensversicherer die konkrete Höhe (im gewichteten Mittel rund 0,50 Prozent) dieser Rückvergütungen. Das weise darauf hin, dass diese Lebensversicherer gar nicht in der Lage seien, Interessenskonflikte im Vertrieb zu identifizieren und die gesetzlichen Vorgaben zur Vertriebsvergütung umzusetzen, kritisiert die Behörde deutlich. Mit anderen Worten: Die Vermittelnden empfehlen im Zweifel nicht etwa einen Fonds, der besonders gut performt und im Sinne der Kundinnen und Kunden gute Ergebnisse erzielt. Sondern einen Anbieter, der besonders hohe Provision zahlt: Was den Ertrag weiter schmälert.
Explizit hebt die BaFin hervor, dass Rückvergütungen der KVGen, die direkt an Vermittler fließen, nicht den Überschuss des Lebensversicherers erhöhen: Die Sparenden folglich auch nicht profitieren können, indem sie daran beteiligt werden. Sie stellen de facto eine zusätzliche Vertriebsvergütung dar, die aus der Managementgebühr der KVG finanziert wird und daher tendenziell die Kosten des fondsgebundenen Lebensversicherungsprodukts erhöht. Dadurch erhöhe sich die Gefahr eines unangemessenen Preis-Leistungs-Verhältnisses. Die Fondsgebühren würden auch nicht zu den einkalkulierten Abschlusskosten zählen, die den Kunden nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 VVG-InfoV als einheitlicher Gesamtbetrag separat mitzuteilen sind. Dadurch könnte bei den Kundinnen und Kunden ein falscher Eindruck von den de facto gezahlten Abschlusskosten entstehen.