Aktuell befinden sich rund 20 Lebensversicherer und 30 Pensionskassen unter erweiterter Aufsicht der BaFin. Das berichtet Aufsichts-Chef Mark Branson auf der Jahrespressekonferenz der Behörde. Als neues Risiko für die Versicherungsbranche identifiziert er die hohe Inflation.
Wie ist es um die Stabilität der deutschen Finanzbranche bestellt? Zu dieser Frage äußerte sich Mark Branson, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), auf der Jahrespressekonferenz der Behörde in Frankfurt am Main. Eine Bedrohung: Der Ukraine-Krieg. Die direkten Auswirkungen des Krieges dürften zwar für das deutsche Finanzsystem -Stand jetzt- verkraftbar sein, da es nur begrenzte unmittelbare Verflechtungen mit Russland und der Ukraine gebe, sagt Branson. Eine Einschätzung, die zumindest aufgrund der derzeitigen Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energie verwundert.
Schwer einschätzbar seien aber die Zweit- und Drittrundeneffekte, gibt Branson zugleich zu bedenken. „Wir sehen zum Beispiel gerade, wie der Krieg weltweit das Wirtschaftswachstum bremst, wie er Handelsbeziehungen stört, die Preise von Gas, Öl und anderen Rohstoffen in die Höhe treibt und wie er das Problem der Lieferengpässe verschärft, unter denen auch die deutsche Wirtschaft seit Beginn der COVID-19-Pandemie leidet. Wir sehen auch, wie infolgedessen die Inflation weiter steigt, was Zinsanhebungen immer wahrscheinlicher macht, auch in der Eurozone“, sagt der BaFin-Chefaufseher.
Niedrige Zinsen treffen auf hohe Inflation
Das größte Risiko für die Versicherungswirtschaft sieht Branson immer noch in den dauerhaft niedrigen Zinsen. „Auch wenn die Marktzinsen in den vergangenen Monaten gestiegen sind: Das seit langem niedrige Zinsniveau ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die deutsche Finanzbranche“, sagt der BaFin-Chef. „Vor allem Lebensversicherer und Pensionskassen stellt es weiterhin auf eine harte Probe. Einige von ihnen beaufsichtigen wir besonders intensiv: Im Moment sind es rund 20 Lebensversicherer und gut 30 Pensionskassen – allesamt mit Altlasten aus früheren Garantieversprechen.“
Die Lage könnte sich aber entspannen. Denn sollten die Zinsen infolge der hohen Inflation angehoben werden, hätte das mittelfristig in der Neu- und Wiederanlage höhere laufende Kapitalerträge zur Folge. „Zunächst aber fordert die hohe Inflation alle Versicherer heraus: Schadenaufwendungen und Kosten dürften steigen, und in der Lebensversicherung dürfte das Neugeschäft zumindest vorübergehend zurückgehen, da die Kaufkraft der privaten Haushalte leidet“, gibt Branson zu bedenken. Ein abrupter und kräftiger Zinsanstieg könnte auch die deutschen Banken in Schwierigkeiten bringen.
Zudem bestehe das Risiko von Bewertungskorrekturen an den internationalen Kapitalmärkten. Die niedrigen Zinsen und die hohe Liquidität an den Märkten hätten die Kurse an den Aktien- und Rentenmärkten über Jahre hinweg steigen lassen. Hier bestehe das Risiko einer Abwärtsbewegung, obwohl bereits gewisse Bewertungen korrigiert worden seien - etwa im Technologie- und Anleihemarkt. Die BaFin prüfe aktuell, was dies für die Versicherer bedeute.